Diabeteskomplikationen

Das Wichtigste verständlich

Diabeteskomplikationen und Folgeschäden bahnen sich bereits im Vorstadium einer Zuckerkrankheit an. Sie sind bei jeder über längere Zeit verlaufenden Zuckerkrankheit zu gewärtigen. Eine frühe Erkennung und vorbeugende Behandlung kann Durchblutungsstörungen und Organschäden vorbeugen.

Langer Vorlauf: Bereits in einem sehr frühen Stadium, noch lange (bis zu 20 Jahre!) bevor die Krankheit als Diabetes erkennbar wird, beginnen die Veränderungen schleichend. Dieses Stadium eines Prädiabetes (Vorstadium des Diabetes) ist dadurch gekennzeichnet, dass die Nüchternwerte des Blutzuckers noch normal sind, dass aber im Zuckerbelastungstest erhöhte Blutzuckerwerte aufteten. Dies wird als “eingeschränkte Glukosetoleranz” bezeichnet und zeigt an, dass das körpereigene Insulin nicht mehr ausreichend wirkt. Hier beginnen unerkannt erste Veränderungen,  die später zu Folgeschäden und Komplikationen führen.

Wer ist gefährdet? Gefährdet sind alle, die eine familiäre Diabetes-Belastung haben, sowie diejenigen mit starkem Übergewicht (Adipositas) und der Diagnose eines metabolischen Syndroms.

Folgen und Komplikationen: Im Stadium einer eingeschränkten Glukosetoleranz treten nach Mahlzeiten immer wieder erhöhte Blutzuckerwerte (Hyperglykämie) auf, die den standardisierten Messungen in nüchternem Zustand entgehen. Aber diese Blutzuckerspitzen verursachen bereits erste Veränderungen in den Organen, insbesondere an den Wänden der arteriellen Blutgefäße. Im Laufe der Entwicklung führen sie zu erkennbaren diabetischen Veränderungen an den großen und kleinen Blutgefäßen des Körpers (Makroangiopathie und Mikroangiopathie) und zu Durchblutungsstörungen überall im Körper.

Folgen an Organen: Besonders eklatant sind sie

Individuell können die Komplikationen unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Eine Zusammenstellung der Spätfolgen siehe hier.

Diagnostik: Der Blutzuckerbelastungstest ist der wichtigste Test zur Erkennung einer eingeschränkten Glukosetoleranz und eines Prädiabetes. Zu den besonders wichtigen Laborwerten, die zur Kontrolle von diabetischen Organschäden herangezogen werden, gehören die Nierenwerte, die Leberwerte und die Blutfette (Triglyceride, LDL– und HDLCholesterin, Non-HDL-Cholesterin). Ansonsten stehen die organspezifischen Untersuchungen (Nieren, Augen, Herz, Gehirn und Nervensystem …) im Vordergrund. Auch können immunologische und entzündliche Parameter vorrangige Bedeutung erhalten. (1)Adv Sci (Weinh). 2021 Sep;8(18):e2100275. DOI: 10.1002/advs.202100275


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Aspekt

Aspekt bei Typ-2-Diabetes in einem Spätstadium (Facies diabetica). Ungewöhnlich gerötetes Gesicht (Rubeosis) und faltenfreie Haut.

Beim Typ-2-Diabetes älterer Menschen sind Adipositas und eine “gesunde” Gesichtsröte (Rubeosis diabetica) bei unnatürlich faltenfreier Haut (Facies diabetica) oft klinische Zeichen, die bereits beim ersten Aspekt an eine Zuckerkrankheit denken lassen.

Diabetische Angiopathie

Die diabetischen Folgeschäden am Gefäßsystem (Diabetische Angiopathie) betreffen sowohl die großen und mittleren als auch die kleinen Blutgefäße des arteriellen Schenkels des Blutkreislaufs.

Diabetische Angiopathie

Makroangiopathie

Die Arteriosklerose des Diabetikers unterscheidet sich nicht von der des Nichtdiabetikers. Sie beginnt sich bereits in der Phase der gestörten Glukosetoleranz zu entwickeln, oft schon 10 – 15 Jahre vor der Manifestation der Zuckerkrankheit.

Prädilektionsstellen :

  • große Arterien der Beine (Folge: Claudicatio intermittens)
  • hirnversorgende Arterien (Folge: Schlaganfall)
  • Aorta und große Gefäßabgänge, besonders Nierenarterien (Folge: Hypertonie)

Mikroangiopathie

Veränderungen an den kleinen Blutgefäßen (Arteriolen, Kapillaren, Venolen) mit Verbreiterung der Basalmembran mit der Folge einer Verschlechterung der Durchblutung. Makro- und Mikroangiopathie potenzieren sich in ihrer Wirkung. Befallen können alle Organe sein.

Besonders folgeträchtige Veränderungen :

Nichtalkoholische Fettleberhepatitis

Beim Diabetes tritt besonders häufig eine Fettleber und in ihr eine Entzündung, die nichtalkoholische Fettleberhepatitis (NASH, non-alcoholic steatohepatitis) auf. Sie kann im Laufe der Jahre über eine Leberfibrose in eine Leberzirrhose übergehen; sie imponiert zunächst als Fettleberzirrhose mit Hepatomegalie, kann dann aber sukzessive ihren Fettanteil verlieren, kleiner werden und schrumpfen. Oft verläuft sie jahrelang unerkannt und macht sich in einigen Fällen über die Komplikationen einer portalen Hypertension und eines Leberversagens als Leberzirrhose bemerkbar.

→ Zu Diabetes und Leberzirrhose siehe hier.

Diabetische Retinopathie

Die diabetische Retinopathie kommt relativ häufig vor: innerhalb der ersten 10 Jahre nach Diagnosestellung findet sie sich bei etwa bereits 50% der Typ-1-Diabetiker. Bei Typ-2-Diabetikern beginnen die Veränderungen früh, so dass manchmal der Augenarzt die Stoffwechselstörung entdeckt.

Eine diabetische Retinopathie wird nach Schweregrad eingeteilt in

  • Stadium I: Veränderungen der Netzhautkapillaren, Mikroaneurysmen,
  • Stadium II: Degenerationsherde und kompensatorischer Neubildung von Gefäßen,
  • Stadium III: proliferative Retinopathie, bei der die Gefäßneubildungen in den Glaskörper vordringen, und bei der es aus den Neubildungen zu Blutungen kommen kann.

Therapie: optimale Blutzuckereinstellung, rechtzeitige Lasertherapie.

Diabetische Retinopathie

Diabetische Nephropathie

Die diabetische Nephropathie ist bedingt sowohl durch eine Verschlechterung der Nierendurchblutung als auch durch Veränderungen des Nephrons. Die Basalmembran wird dicker, die Glomerula hyalinisieren und werden permeabel für Eiweiß. Zunächst kommt es zu einer sehr geringen Albuminausscheidung von 30 bis 300 mg/Tag (Mikroalbuminurie); im weiteren Verlauf kann sie sich zu einer Makroalbuminurie steigern bis ein nephrotisches Syndrom entsteht.

In ausgeprägtem Stadium findet sich das Vollbild einer Kimmelstiel-Wilson-Nephropathie mit Hypoproteinämie, Ödemen und Hypertonie. Schließlich kann Dialysepflichtigkeit eintreten.

Offenbar besteht eine genetische Prädisposition, die die Entwicklung einer diabetischen Nephropathie fördert. Verantwortlich dafür wird eine Veränderung auf Chromosom 18 mit dominanter Merkmalsübertragung gemacht. (2)Vardali I et al. Kidney Int. 2002; 62: 2176-2183

Therapie: gute Zucker- und Blutdruckeinstellung, ACE-Hemmer.

Wichtig: Urintests auf Mikroalbumin zur Früherkennung: Dazu reicht ein Urinstix (Plättchentest) wegen mangelnder Empfindlichkeit nicht aus!

Diabetische Nephropathie

Diabetische Polyneuropathie

Die Neuropathie betrifft sowohl das periphere als auch das autonome (vegetative) Nervensystem.

Die periphere Polyneuropathie ist typischerweise überwiegend sensibel, symmetrisch und mit distaler Betonung an den unteren Extremitäten lokalisiert. Empfindungen sind Taubheit, Kribbelparästhesien und Schmerzen. Bei der neurologischen Prüfung fehlt eine Zuordnung zu bestimmten Nervenausbreitungen; die Ausbreitung ist eher strumpfförmig. Das Lagegefühl ist gestört. Die Nervenleitgeschwindigkeit ist herabgesetzt.

Die autonome Polyneuropathie betrifft die Innervation innerer Organe, so beispielsweise des Magens. Folge ist eine Magenentleerungsstörung, verbunden mit frühem Sättigungsgefühl, Völlegefühl und Übelkeit (als Folge einer diabetischen Gastroparese) oder auch einer Verstopfung (als Folge einer Darmträgheit).

Diabetische Polyneuropathie.

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Diabetischer Fuß

Der diabetische Fuß ist ein kursorischer Begriff für dort lokalisierte schlecht heilende Wunden und z. T. tiefen Exulzerationen (bis zum Knochen mit der Gefahr einer Osteomyelitis, “Malum perforans”), die meist mit Bagatellverletzungen beginnen. Die Gefahr liegt in der herabgesetzten Sensibilität bei diabetischer Polyneuropathie, so dass die Verletzung u. U. nicht bemerkt wird, und in der schlechten Durchblutung bei Makro- und Mikroangiopathie. Die Läsionen können wegen der schlechten Durchblutung und damit verminderten lokalen Abwehr zur Eintrittspforte von Entzündungen und Ursache einer Sepsis sein.

Eine besondere Komplikation des Diabetes mit Manifestation am Fuß ist eine Schwäche des Fußgewölbes, die durch eine Osteoporose mit Knocheninfrakturierungen sowie einer Fehlbelastung bei peripherer Polyneuropathie zustande kommt. Das typische Bild eines flachen Fußes ohne Fußgewölbe wird als Charcot-Fuß bezeichnet. Er prädisponiert zusammen mit der Polyneuropathie in besonderer Weise zum Malum perforans, einem tiefen, schlecht heilenden Geschwür an der Fußsohle.

Prophylaxe: Diabetiker mit diabetischem Spätsyndrom und Gefahr eines diabetischen Fußes sollten unbedingt bezüglich einer schonenden Fußpflege entsprechend den Richtlinien nach Riva angelernt werden. Vermeidung von Verletzungen. Keine Selbstbehandlung ohne Anleitung: Läsionen müssen dem Arzt gezeigt werden. Keine Heizkissen (wegen der Polyneuropathie Verbrennungsgefahr).

Therapie: Blutzuckereinstellung, Verbesserung der Durchblutung bei Makroangiopathie durch Angioplastie (Ballondilatation von Stenosen der Beinarterien und ggf. Stenteinlagen) und Bypassoperationen. Die gefäßchirurgischen Revaskularisationsmaßnahmen haben auch im Bereich kleiner Arterien am Unterschenkel Fortschritte gemacht; eine Information für den Einzelfall in entsprechenden Zentren ist sinnvoll. Chirurgische Wundversorgung, wenn nötig bis hin zur Amputation.

Diabetischer Fuß

Alzheimer-Demenz

Das metabolische Syndrom und der apparente Diabetes (sowohl Typ 1 als auch Typ 2) sind mit einem erhöhten Risiko für kognitive Funktionsstörungen und der Ausbildung einer Demenz verbunden.

Erklärung: Man findet eine vermehrte Proteinglykosylierung und einen erhöhten oxidativen Stress, der mit einer Hyperglykämie verbunden ist. Es wird auch diskutiert, dass zu viel Insulin im Gehirn (es kann die Blut-Gehirn-Barriere passieren) den Abbau von Amyloid-Beta behindert, so dass dieses Alterungsprodukt nicht aus den Gehirnzellen entfernt werden kann (3)Biochim Biophys Acta. 2009 May;1792(5):432-43 (siehe auch unter Altern und Langlebigkeit). Denn beide Substanzen werden durch das Insulin-degradierende Enzym (IDE) abgebaut, wobei Insulin Vorrang hat. Beta-Amyloid sammelt sich daher an und schädigt die Gehirnzellen; das Risiko einer Alzheimer-Demenz steigt. Beim Typ-2-Diabetes besteht nicht nur eine periphere sondern auch eine zerebrale Insulinresistenz (4)Int J Mol Sci. 2021 Sep 15;22(18):9987. DOI: 10.3390/ijms22189987. PMID: 34576151; PMCID: … Continue reading, bei der die Insulinwirkung (auch bzgl. Gedächtnisleistungen) unzureichend ist. Eine verminderte Glukoseutilisation in den Zellen des Gehirns führt zu einem oxidativen Stress der Mitochondrien und somit einer mitochondrialer Dysfunktion. Dies wiederum soll die Amyloidablagerungen fördern. (5)J Diabetes Res. 2020 Jan 29;2020:4981814. DOI: 10.1155/2020/4981814.

Alzheimer-Demenz

Osteoporose

Die Osteoporose mit ihrem erhöhten Risiko für Knochenbrüche gehört zu den wenig bekannten Komplikationen des Diabetes mellitus. (6)Aging Clin Exp Res. 2011 Apr;23(2):84-90 Der Typ-1-Diabetes ist stärker betroffen als der Typ-2-Diabetes. Ein Mangel am anabolen Effekt des Insulin kann dabei eine Rolle spielen. Glitazone verstärken die Osteoporose, so dass diese Gruppe von Antidiabetika bei erniedrigter Knochendichte vermieden werden sollten. (7)Nat Rev Endocrinol. 2012 Jan 17. doi: 10.1038/nrendo.2011.233.

Eine Knochendichtemessung ist bei längerem Diabetes-Verlauf und bei älteren Menschen mit Diabetes zu empfehlen. (8)Osteoporos Int. 2018 Dec;29(12):2585-2596. DOI: 10.1007/s00198-018-4650-2. Epub 2018 Jul 31. PMID: … Continue reading Medikamentöse Empfehlungen sind in einem interdisziplinären Consensus Statement zusammengefasst. (9)Nutr Metab Cardiovasc Dis. 2021 Jul 22;31(8):2210-2233. DOI: 10.1016/j.numecd.2021.04.014. Epub … Continue reading

Neue Möglichkeiten scheinen sich durch Chondroitinsulfat (10)Front Endocrinol (Lausanne). 2021 Oct 27;12:759843. DOI: 10.3389/fendo.2021.759843. , PPARβ/δ-Aktivatoren (11)Front Cell Dev Biol. 2021 Nov 26;9:753194. DOI: 10.3389/fcell.2021.753194. (inkl. pan-PPAR-Agonisten (12)Int J Mol Sci. 2019 Oct 11;20(20):5055. DOI: 10.3390/ijms20205055. PMID: 31614690; PMCID: … Continue reading ), DPP-4-Hemmer (wie Sitagliptin) (13)J Clin Med. 2021 Oct 18;10(20):4775. DOI: 10.3390/jcm10204775. PMID: 34682898; PMCID: PMC8541091. und “glucagon-like peptide-1 receptor agonists” (GLP-1-Agonisten, wie Liraglitid) (14)Diabetes Metab Res Rev. 2019 Oct;35(7):e3168. doi: 10.1002/dmrr.3168. Epub 2019 May 6. PMID: … Continue reading (15)Front Pharmacol. 2021 Jun 14;12:697442. DOI: 10.3389/fphar.2021.697442. PMID: 34220521; PMCID: … Continue reading zu ergeben.

Osteoporose

Dekubitus-Risiko

Bei längerer Bettlägerigkeit ist das Risiko der Entstehung eines Dekubitus (Druckgeschwür) erhöht. Hauptursachen sind eine Beeinträchtigung der lokalen Hautdurchblutung im Rahmen einer diabetischen Makro- und Mikroangiopathie, das häufig vorhandene Übergewicht, welches eine gute zeitgerechte Änderung der Lagerung erschwert, und eine diabetischen Neuropathie, die das warnende Schmerzempfinden herabsetzt.

Dekubitus.

Vorbeugung

Die Folgeschäden beim Diabetes mellitus beginnen bereits lange bevor der Diabetes manifest wird. Ausschlaggebend ist eine gestörte Glukosetoleranz mit postprandial erhöhten Blutzuckerwerten. Ein erhöhtes Risiko für eine gestörte Glukosetoleranz ist bei Übergewicht und Adipositas gegeben.

Für die Vorbeugung eines diabetischen Spätsyndroms entscheidend ist eine frühzeitige diätetisch begleitete kontrollierte Gewichtsabnahme und körperliche Bewegung. Es wird ein aufmerksames Screening auf bisher unentdeckten Diabetes Typ 2 gefordert (16)Health Technol Assess. 2007 May;11(17):iii-iv, ix-xi, 1-125, speziell um kardiovaskulären Komplikationen (z. B. koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt) und Schlaganfall (beispielsweise mit Statinen) vorzubeugen.


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Verweise

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Literatur[+]