Hyperglykämie

Artikel aktualisiert am 3. Juli 2023

Hyperglykämie bedeutet Überzuckerung, zu hoher Blutzuckerspiegel im Blut.

  • Blutzucker bei Nüchternheit: Der Blutzuckerwert sollte nüchtern 100 mg/dl nicht überschreiten. Werte zwischen 100 und 126 mg/dl bedeuten gestörte Glukosetoleranz und stellen noch nicht eindeutig eine Hyperglykämie dar. Nüchternwerte über 126 mg/dl (7,0 mmol/l) bedeuten Hyperglykämie.
  • Blutzucker postprandial: nach Mahlzeiten wie auch nach einem Glukoseprobetrunk beim Glukosetoleranztest sollten die Blutzuckerwerte 140 mg/dl (7,8 mmol/l) nicht überschreiten. Liegen sie zwischen 140 und 200 mg/dl, so liegt eine gestörte Glukosetoleranz vor. Werte von 200 mg/dl (11,1 mmol/l) und darüber bedeuten eine Hyperglykämie im Sinne eines Diabetes mellitus. (1)American Diabetes Association. Diagnosis and classification of diabetes mellitus. Diabetes Care. … Continue reading

Wenn die Hyperglykämie durch eine Insulinresistenz oder einen Insulinmangel mitbedingt ist, liegt trotz extrazellulärem Glukoseüberschuss intrazellulär ein Glukose- und Energiemangel vor. Eine Hyperglykämie sollte unter Kontrolle der Elektrolyte, insbesondere des Kaliums, rasch in den Normbereich gesenkt werden.


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Entstehung

Die Hyperglykämie ist eine Auswirkungen einer unzureichenden Regulation des Glukosestoffwechsels.

  • Es gibt eine Reihe von Mechanismen im Körper, die den Blutzuckerspiegel anheben können. Zu ihnen gehören Glukokortikoide, Glukagon, Adrenalin oder STH (Somatotropin, somatotropes Hormon, Wachstumshormon, growth hormone (GH)). Eine Überproduktion eines dieser Hormone führt zur Hyperglykämie. Beispiel ist das Cushing-Syndrom bei einem Nebennierentumor oder einer Kortikosteroid-Medikation. Unter physiologischen Bedingungen ist die Bildung von Somatotropin und Glukokortikoiden in den frühen Morgenstunden am höchsten. Dies führt beim Patienten mit Diabetes mellitus gelegentlich zu einer Erschwerung der Blutzuckereinstellung, da bei ihnen der Insulinbedarf tageszeitlich schwankt und morgens relativ am höchsten ist (Dawn-Phänomen).
  • Es gibt nur ein Blutzucker senkendes Prinzip, nämlich Insulin. Wenn eine Hyperglykämie eintritt, wird es normalerweise in genau dosierter Menge produziert und ins Blut abgegeben, so dass eine zu starke Anhebung der Glukosekonzentration vermieden wird. Wenn dennoch eine Hyperglykämie eintritt, können folgende Pathomechanismen vorliegen:
    • Die Bildung und Ausschüttung von Insulin ins Blut kann unzureichend sein, so z. B. bei Insuffizienz der Betazellen der Langerhans´schen Inseln im Pankreas. Dies führt zu einem Diabetes mellitus Typ I.
    • Insulin kann eine zu geringe Wirkung entfalten, wie es bei einer peripheren Insulinresistenz der Fall ist. Dies führt zu einem Diabetes mellitus Typ II. Eine periphere Insulinresistenz kann bereits in frühen Stadien durch einen oralen Glukosetoleranztest (Blutzuckerbelastungstest) nachgewiesen werden. Prädispositionen für eine gestörte Glukosetoleranz und damit für Hyperglykämien sind Übergewicht und Adipositas. Beim Vollbild des metabolischen Syndroms ist der Glukosetoleranztest immer pathologisch. Das bedeutet, dass praktisch jedes Kuchenstück zu einer Hyperglykämie führt.
    • Bei einer morgendlichen Hyperglykämie eines Diabetikers kann aufgrund einer abendlichen Überdosierung von Insulin ein Somogyi-Effekt vorliegen.

Folgen

Hyperglykämien sind auf Dauer für den Körper fatal. Es bilden sich bei einer gestörten Glukosetoleranz schon lange vor der Entstehung eines Diabetes mikroangiopathische Veränderungen, die zu diabetischen Komplikationen wie Retinopathie, Nephropathie, Neuropathie, Schlaganfall und Herzinfarkt) prädisponieren. Die Bestimmung des HbA1c (glykosyliertes Hämoglobin) gibt einen Hinweis auf die Häufigkeit und Schwere einer Hyperglykämie in den letzten Wochen und ist daher ein wertvoller Verlaufsparameter zur Steuerung der Therapie des Diabetes mellitus.

Hyperglykämie und Schlaganfall

Bei etwa 40 % der Patienten mit akutem ischämischen Schlaganfall tritt eine Hyperglykämie auf.  Sie ist mit einem schlechteren klinischen Outcome verbunden. Der Mechanismus soll eine endotheliale Dysfunktion, erhöhten oxidativen Stress und eine beeinträchtigte Fibrinolyse beinhalten. Eine Studie belegt jedoch, dass eine besonders intensive Senkung des Blutzuckers mit intravenösem Insulin innerhalb der ersten Stunden keine Verbesserung der Prognose ergibt, jedoch mit einer etwas höheren Rate an hypoglykämischen Komplikationen verbunden ist. (2)JAMA. 2019 Jul 23;322(4):326-335. doi: 10.1001/jama.2019.9346

Symptome

Ausscheidung von Zucker und Wasser

Polyurie: Eine leichte Erhöhung der Blutzuckerwerte verursacht keine Symptome. Eine stärkere Erhöhung dagegen, bei der die Glukosekonzentration im Blut die Nierenschwelle überschreitet, führt zu einer Glukosurie und osmotischen Polyurie. Die Nieren haben nur eine beschränkte Kapazität, Glukose aus dem Primärharn in die Blutbahn zurückzutransportieren. Sie wird bei Blutzuckerwerten um 180 mg/dl überschritten, so dass Glukose mit dem Urin ausgeschieden wird und mit ihr das Lösungswasser.

Exsikkose: Eine ausgeprägte Glukosurie birgt daher die Gefahr eines Flüssigkeitsverlusts (hyperosmolare Dehydratation) in sich. Der starke Flüssigkeitsverlust führt zu Exsikkose, Hypotonie, Tachykardie und – wegen Dehydratation auch des Gehirns – zu einer Bewusstseinstrübung bis hin zum diabetischen Koma (Coma diabeticum).

Intrazellulärer Energiemangel

Wenn die Hyperglykämie durch eine periphere Insulinresistenz oder durch einen Insulinmangel (z. B. bei einem Typ-1-Diabetes oder bei einer Pankreatitis) mitbedingt ist, liegt trotz extrazellulärem Glukoseüberschuss intrazellulär ein Glukosemangel und damit ein Energiemangel vor.

Ketoazidose: Bei intrazellulärem Energiemangel behilft der Körper sich mit der Energiegewinnung durch Fettabbau. Bei ihm entstehen Säuren und Ketonkörper, so dass eine Ketoazidose mit niedrigem Blut-pH, saurem Urin und Azetongeruch in der Atemluft nachweisbar wird. Wenn eine Ketoazidose und eine Bewusstlosigkeit zusammen vorkommen, handelt es sich um ein ketoazidotisches Coma diabeticum.

Infektionsrisiko: Durch eine Hyperglykämie und der mit ihr verbundenen Glukosurie steigt das Risiko von Infektionen, besonders einer aufsteigenden Harnwegsinfektion (glukosehaltiger Urin ist eine gute Nährlösung für Bakterien!) mit Urethritis, Zystitis und Pyelonephritis.

Therapie

Hyperglykämien werden durch Antidiabetika oder Insuline behandelt (siehe unter Diabetes mellitus Therapiegrundlagen). Die Diabeteseinstellung wird ambulant über den HbA1c-Wert z. B. alle 3 Monate, Blutzuckerkontrollen (auch Selbstkontrollen) und gelegentliche Messungen der Uringlukose über einen Urinstix durchgeführt.

Bei einer ausgeprägten Hyperglykämie wird der Blutzucker in der Regel durch Insulin (z. B. Insulin-Perfusor) gesenkt, wobei auf eine ausreichende Rehydratation (Zufuhr von „freiem Wasser“) und einen Elektrolytausgleich (speziell einer Hypokaliämie) geachtet werden muss. Die Behandlung eines hyperglykämischen Komas erfolgt in der Regel unter intensivmedizinischer Überwachung (cave: Herzrhythmusstörungen!)

Bei einem Schlaganfall mit starker Hyperglykämie wird empfohlen, eine rasche Senkung herbeizuführen, insbesondere wenn eine Lysetherapie beabsichtigt ist. Ziel: Bereiche von unter 180 mg/dl bzw. 140 mg/dl. (3)Curr Treat Options Neurol. 2010 Nov;12(6):492-503. doi: 10.1007/s11940-010-0093-6

Die Hyperglykämie stellt ein deutlich erhöhtes Risiko für postoperative Wundinfektionen dar, so dass präoperativ eine intensive Korrektur des Blutzuckerspiegels empfohlen wird. (4)Arch Surg. 2010 Sep;145(9):858-64

Verweise

 

Literatur

Literatur
1American Diabetes Association. Diagnosis and classification of diabetes mellitus. Diabetes Care. 2008;31(Suppl 1):S55-S60
2JAMA. 2019 Jul 23;322(4):326-335. doi: 10.1001/jama.2019.9346
3Curr Treat Options Neurol. 2010 Nov;12(6):492-503. doi: 10.1007/s11940-010-0093-6
4Arch Surg. 2010 Sep;145(9):858-64