Hämolytisch-urämisches Syndrom
Artikel aktualisiert am 16. Februar 2019
Hämolytisch urämisches Syndrom (HUS) bedeutet Blutzersetzung bei erheblicher Niereninsuffizienz mit Urämie. Es ist eine lebensbedrohliche Komplikation von Erkrankungen, die zu schweren Schäden der Nieren und der Blutkörperchen führen.
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Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Es ist eine komplexe Erkrankung, die durch die Trias Hämolyse, Thrombozytopenie und Urämie gekennzeichnet ist. Histopathologisch findet man eine thrombotische Mikroangiopathie, die viele Organe inklusive der Nieren betrifft und damit zur ihrer Insuffizienz führen kann.
Das hämolytisch urämische Syndrom gehört mit der thrombotisch thrombozytopenischen Purpura (TTP) und dem HELLP-Syndrom zu den thrombotischen Mikroangiopathien.
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Einteilungen
In neuerer Zeit wurde die Einteilung des hämolytisch urämischen Syndroms sehr differenziert (1)Turk Pediatri Ars. 2015 Jun 1;50(2):73-82:
Früher wurden ein Diarrhö-positives HUS (D+HUS, typisches HUS) von einem Diarrhö-negativen HUS (D-HUS, atypisches HUS) unterschieden. Diese Einteilung wurde aufgegeben, weil Durchfälle häufig auch das D-HUS auslösen.
Heute werden die Typen danach unterschieden, ob HUS
- durch das Shigatoxin von Bakterien wie E. coli (STEC-HUS durch EHEC) oder Shigellen (Shigella dysenteriae) ausgelöst wird, wie es in etwa 90% der Fall ist (2)J Nephrol. 2012 Nov-Dec;25(6):911-7,
oder assoziiert ist mit
- Komplementfaktoren (atypisches HUS, aHUS): Mangel an C3-Komplement, genetisch bedingt (Mangel an Komplementfaktor H: CFH-assoziiertes aHUS) oder durch Antikörper gegen den Komplementfaktor H,
- Autoimmunkrankheiten,
- malignen Tumoren,
- HIV oder andere Virusinfektionen (wie Influenza H1N1),
- einer Pneumokokken-Infektion (Streptococcus pneumoniae)
- Organtransplantationen.
HUS bei Kindern wird zu etwa 90% durch Shigatoxin-bildende Bakterien (zu 70% durch EHEC) ausgelöst
Klinisches Bild
Zuerst kommt es zu wässrigen, später blutigen Durchfällen, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Durch Beeinträchtigung der Hirndurchblutung kann es zu Lethargie, Krampfanfällen, Übererregbarkeit und anderen neurologischen Störungen kommen. Durch Beteiligung des Magendarmkanals kann es zu blutiger Diarrhö (auch bei D-HUS) kommen, durch Herzbeteiligung zu Herzinsuffizienz und einem Troponin-Anstieg.
Laborbefunde
Es dominieren:
- ein Hämoglobinabfall, der zu einer Anämie führt,
- Zeichen einer Hämolyse bei negativen Coombs-Test,
- im Differenzialblutbild Fragmentozyten (Eierschalenzellen),
- ein meist starker Abfall der Thrombozyten
- ein Anstieg der Nierenwerte
Differenzialdiagnosen
- Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC): sie unterscheidet sich durch einer verlängerte PT und PTT sowie durch einen erniedrigten Spiegel an Fibrinogen, Faktor V und Faktor VIII.
- Thrombotisch thrombozytopenische Purpura (TTP): sie ist gekennzeichnet durch einer sehr niedrigen Aktivität von ADAMTS 13 (<10%).
Therapie
Das hämolytisch-urämische Syndrom kann nicht direkt medikamentös unterbrochen werden. Die wichtigste Maßnahme ist die Behandlung der Grundkrankheit.
Die Niereninsuffizienz, die meist zu einer erheblichen Flüssigkeitseinlagerung mit Bildung von Ödemen, Anasarka, Aszites und – zusammen mit einer Herzinsuffizienz zu einem Lungenödem führt, wird dialysepflichtig.
Eine Hypertonie, die sich entwickeln kann, muss mit Antihypertensiva behandelt werden.
Eine ausgeprägte hämolytische Anämie bedarf Erythrozytentransfusionen.
Lebensbedrohliche Blutungen durch eine Thrombozytopenie bedürfen Thrombozytenkonzentraten.
Bakteriell bedingtes HUS
HUS in Rahmen einer bakteriellen Infektion (z. B. EHEC) sollten nicht automatisch antibiotisch behandelt werden, da die Infektion an sich selbst limitierend abläuft und Antibiotika zu einer zusätzlichen Bakteriolyse und Toxin-Freisetzung (im Sinne einer Herxheimer-Reaktion) führen kann.
Eine „Best Supportive Care“ hat nach einer Auswertung der HUS-Fälle im Rahmen der EHEC-Epidemie 2011 in Deutschland keine schlechteren Kurzzeitergebnisse als therapeutischer Plasmaaustausch mit oder ohne Eculizumab (3)Nephrol Dial Transplant. 2012 Oct;27(10):3807-15.
aHUS
Bei Komplement-assoziiertem HUS (atypischem aHUS) kann Eculizumab (Anti-C5), ein Hemmer des alternativen Weges in der Komplementkaskade, zu einer Besserung führen (4)N Engl J Med. 2009 Jan 29;360(5):544-6 und wird vor allem für aHUS bei Kindern empfohlen (5)Loirat C1 et al. Pediatr Nephrol. 2015 Apr 11. [Epub ahead of print]. Das Meningokokken-Infektionsrisiko ist dabei zu bedenken; es sollte zuvor eine Impfung erfolgen.
Wenn HUS mit einem angeborenen Mangel an Komplementfaktor H assoziiert ist, kann eine Lebertransplantation erwogen werden, da Faktor H in der Leber synthetisiert wird. Bei einer Niereninsuffizienz im Endstadium kommt dann auch eine gleichzeitige Nierentransplantation in Betracht (6)Br J Haematol. 2010 Jan;148(1):37-47 (7)J Nephrol. 2012 Nov-Dec;25(6):911-7. Nach einer Nierentransplantation ohne Lebertransplantation kann das HUS rezidivieren (8)Transplantation. 2014 Dec 15;98(11):1205-12.
Fresh frozen Plasma (FFP) kann bei aHUS zu einer Verbesserung führen, wahrscheinlich weil es den Komplementfaktor H enthält (9)Br Med J (Clin Res Ed). 1981 Jun 27;282(6282):2137. Ähnlich wirkt eine Plasmainfusion bzw. ein Plasmaaustausch (10)Br Med J (Clin Res Ed). 1982 Nov 6;285(6351):1304-6 (11)Ther Apher. 2002 Aug;6(4):320-8.
Ist HUS durch Antikörper gegen den Faktor H des Komplementsystems bedingt, kann eine Immunsuppression mit Kortikosteroiden, Cyclophosphamid und Rituximab erfolgreich sein und wird empfohlen (12)Loirat C1 et al. Pediatr Nephrol. 2015 Apr 11. [Epub ahead of print].
Verweise
- Blutgerinnung
- Disseminierte intravasale Gerinnung
- HELLP-Syndrom
- Hämolytische Anämie
- Thrombozytopenie
- Niereninsuffizienz
Literatur
↑1 | Turk Pediatri Ars. 2015 Jun 1;50(2):73-82 |
---|---|
↑2 | J Nephrol. 2012 Nov-Dec;25(6):911-7 |
↑3 | Nephrol Dial Transplant. 2012 Oct;27(10):3807-15 |
↑4 | N Engl J Med. 2009 Jan 29;360(5):544-6 |
↑5 | Loirat C1 et al. Pediatr Nephrol. 2015 Apr 11. [Epub ahead of print] |
↑6 | Br J Haematol. 2010 Jan;148(1):37-47 |
↑7 | J Nephrol. 2012 Nov-Dec;25(6):911-7 |
↑8 | Transplantation. 2014 Dec 15;98(11):1205-12 |
↑9 | Br Med J (Clin Res Ed). 1981 Jun 27;282(6282):2137 |
↑10 | Br Med J (Clin Res Ed). 1982 Nov 6;285(6351):1304-6 |
↑11 | Ther Apher. 2002 Aug;6(4):320-8 |
↑12 | Loirat C1 et al. Pediatr Nephrol. 2015 Apr 11. [Epub ahead of print] |