Reizdarm

Von Fachärzten geschrieben und wissenschaftlich überprüft.

Als Reizdarm oder Reizdarmsyndrom (Synonym: Irritables Darmsyndrom (IDS); engl.: irritable bowel syndrome (IBS) ) wird eine Veranlagung zu Durchfällen oder Verstopfung bezeichnet, die phasenhaft mal stärker und mal schwächer oder auch im Wechsel zutage tritt, und bei der man sonst keine andere Krankheit als Ursache findet. Oft ist das Reizdarmsyndrom mit Blähungen und einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit des Darms auf Dehnung verbunden. Je länger die Symptomatik geht ohne dass sich eine sonstige Krankheit als Ursache zeigt, desto sicherer wird die Diagnose. Der Reizdarm geht oft mit einem Reizmagen (funktionelle Dyspepsie) einher.

Reizdarmsyndrom – Neues
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Einteilung

Vielfach wird das Reizdarmsyndrom (IBS) je nach Stuhlverhalten in verschiedene Untergruppen eingeteilt: (1)Lancet. 2020;396:1675–1688. doi: 10.1016/S0140-6736(20)31548-8

  • IBS mit Durchfall (IBS-D),
  • IBS mit Verstopfung (IBS-C),
  • IBS mit gemischtem Stuhlmuster (IBS-M) und
  • IBS ohne Klassifizierung.

Ursache und Entstehung

Es wird davon ausgegangen, dass eine genetische Veranlagung vorliegt und ein Auslöser zur Symptomatik führt. Ein zentraler Mechanismus scheint eine pathologisch veränderte Reagibilität auf die Darmflora zu sein (2)J Neurogastroenterol Motil. 2012 Jul;18(3):258-68, die mit einer Undichtigkeit der zellulären Oberfläche (Schleimhaut) assoziiert ist. Die beobachtbaren Veränderungen erstrecken sich auf den Darm selbst als auch auf das Gehirn.

Folgende Erkenntnisse nehmen eine Schlüsselstellung im Gesamtbild ein:

Familiäre Belastung, Genetik: Es gibt Hinweise auf eine genetische Prädisposition; eine familiäre Häufung ist bekannt. (3)Am J Gastroenterol. 1998 Aug; 93(8):1311-7 Es gibt inzwischen mehrere Gen-Kandidaten; darunter ist eine Association mit einem GN?3 C825T Polymorphismus festgestellt worden (4)Gut Liver. 2012 Apr;6(2):223-8. In einer genomweiten Studie wurde ein Genort (9q31.2 auf Chromosom 9) gefunden, der speziell bei Frauen mit dem Reizdarmsyndrom assoziiert ist. (5)Gastroenetrology July 2018 Volume 155, Issue 1, Pages 168–179

Barrierefunktion der Darmschleimhaut: Ein Defekt der Schleimhautbarriere wird als einer der wesentlichen Auslöser für das Reizdarmsyndrom angesehen. Bestimmte Bakterien können die Barrierefunktion offenbar besonders schädigen, andere, wie Lactobacillus rhamnosus GG, wiederherstellen. (6)Gut Microbes. 2018 Jul 24:1-18. doi: 10.1080/19490976.2018.1479625

Darmflora: Die Zusammensetzung der Bakterienstämme im Darm (Darmmikrobiom) von Patienten mit Reizdarm ist gegenüber Normalpersonen verändert: es wird eine signifikant erhöhte Zahl von Veillonella und Lactobacillus gefunden. Der Stuhl enthält laut einer Untersuchung zudem signifikant höhere Konzentrationen von Essigsäure und Propionsäure. (7)Neurogastroenterol Motil. 2010 May;22(5):493-8 Da aber das Mikrobiom stark abhängig ist von der Art der Ernährung und entsprechend nicht einheitlich als gesund oder normal eingeordnet werden kann, so bleiben heute eher folgende Aussagen als zutreffend übrig:

  • „Gesundes Mikrobiom“ ist gekennzeichnet durch eine hohe Diversität (Vielfalt) und eine ausreichende Menge an Butyrat-produzierenden Bakterien. Es zeigt eine Widerstandsfähigkeit gegen Störung und die Fähigkeit, nach einer Störung zu seiner ursprünglichen Zusammensetzung zurückzukehren.
  • Beim Reizdarmsyndrom dagegen ist die Diversität des Mikrobioms eingeschränkt und die Balance zwischen Mikrobiom und Wirt gestört.  (8)Nat Rev Microbiol. 2017 Oct;15(10):630-638. DOI: 10.1038/nrmicro.2017.58 Es wird daher auch als eine Krankheit des Darmmikrobioms angesehen. (9)Front Cell Infect Microbiol. 2020;10:468. … Continue reading

Entsprechend wird eine Stuhltransplantation (mit „gesundem Mikrobiom“) bzw. die Zufuhr geeigneter Bakterienspezies als eine potenzielle Therapieoption betrachtet. (10)Scand J Gastroenterol. 2021 Jul;56(7):761-769. DOI: 10.1080/00365521.2021.1915375.

Einfluss von Gallensäuren

Die in der Leber gebildeten primären Gallensäuren werden durch einige Bakterien (vor allem bestimmte Clostridien) in sekundäre Gallensäuren umgewandelt. Diese wirken je nach ihrer Struktur günstig oder ungünstig auf die Darmwand. Sie beeinflussen sowohl die Motolität, als auch die Schleimsekretion und zudem die Dichtigkeit des Epithels. Bei Reizdarm mit überwiegendem Durchfall wurde ein signifikanter Anstieg der primären Gallensäuren im Stuhl und ein Rückgang des sekundären Gallensäuren gefunden. Entsprechend wurden vermindert solche Bakterienstämme im Darm gefunden, die primäre Gallensäure zu sekundären umwandeln. (11)J Neurogastroenterol Motil. 2022 Oct 30;28(4):549-561. DOI: 10.5056/jnm22129

Bakterien und Antibiotika:

Als Auslöser des Reizdarmsyndroms bzw. einer erneuten symptomatischen Phase kommen Bakterien und auch Antibiotika in Betracht:

  • Eine vorangegangene Antibiotikatherapie stellt ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Reizdamsyndroms dar. Es ist anzunehmen, dass sie zu einer Alteration der Kolonflora führt.
  • Eine akute Gastroenteritis (infektiöse Durchfallkrankheit) bildet ein erhöhtes Risiko. (12)BMJ. 1999 Feb 27;318(7183):565-6. doi: 10.1136/bmj.318.7183.565. PMID: 10037630; PMCID: PMC27756. (13)Exp Ther Med. 2020 Oct;20(4):3517-3522. doi: 10.3892/etm.2020.9018. Epub 2020 Jul 16. PMID: … Continue reading
  • Eine Infektion mit Mycobacterium avium subsp. paratuberculosis (oft durch Verzehr von handgemachtem Käse erworben) wird als eine mögliche Ursache des Reizdarmsyndroms (wie auch des Morbus Crohn) diskutiert. (14)J Clin Microbiol. 2007 Dec;45(12):3883-90

Antibiotika können die Zusammensetzung des Darmmikrobioms verschieben, so dass Keime aufkommen, die den Gallensäuremix im Darm ungünstig beeinflussen.

Weitere Einflussfaktoren

Emotionaler Stress: Stress und neurotische Fehlhaltung sind als Auslöser möglich; psychologische Faktoren tragen offenbar zu einer veränderten Schmerzwahrnehmung bei (15)Scand J Gastroenterol. 2007 Apr;42(4):441-6, liegen aber nicht bei jedem Patienten vor. Heute wird die wechselseitige Beeinflussung von Gehirn und Darm (brain-gut axis) als gegeben angesehen. Die Psyche scheint über diesen Weg vielfachen Einfluss auf Auslösung und Verlauf des Reizdarmsyndroms zu nehmen; diskutiert wird, dass im Einzelfall traumatische Ereignisse und familiäre Belastungssituationen in der Kindheit, neurotische Entwicklung und Medikamenten- oder Drogenabhängigkeit eine Rolle spielen können (16)World J Gastroenterol. 2012 Feb 21;18(7):616-26. Ursache kann sein, dass es bei emotionalem Stress in bestimmten Regionen des Gehirns zu einem Tryptophan- und Serotonin-Mangel kommt, der sich auch Schmerzempfinden und Darmmotilität inklusive dem Stuhldrang auswirkt (17)Eur J Gastroenterol Hepatol. 2012 Nov;24(11):1259-65. Speziell bei vorherrschender Diarrhö könnte eine vermehrte postprandiale Serotonin-Freisetzung bedeutsam sein (18)Gastroenterology. 2011 May; 140(5):1434-43.e1., bei vorherrschender Obstipation eine veränderte rektale Empfindlichkeit.

Hormonelle Beeinflussung. Eine prämenstruelle Verschlechterung deutet auf hormonelle Beeinflussungen.

Laktoseintoleranz: Eine Laktoseintoleranz stellt keine Ursache dar; sie sollte ausgeschlossen sein. Allerdings kann sie zu einer erheblichen Verschlechterung der Symptomatik bei Reizdarm führen.

Interkurrenter Darminfekt: Jeder Darminfekt und jede Darmentzündung geht mit einer Beeinflussung des Darmmikrobioms einher und kann bei einer entsprechenden Veranlagung ein Reizdarmsyndrom auslösen. So kann eine Salmonellenenteritis im Kindesalter ein Risikofaktor für das Reizdarmsyndrom im Erwachsenenalter darstellen. (19)Gastroenterology. 2014 Jul;147(1):69-77. DOI: 10.1053/j.gastro.2014.03.013 Eine Untersuchung zeigt, dass das Risiko eines Reizdarmsyndroms 4,2-fach erhöht ist, wenn innerhalb der letzten 12 Monate eine bakterielle Enteritis durchgemacht wurde. Ein Darmbefall mit Protozoen oder Parasiten führte besonders oft zu einem IBS. (20)Gastroenterology. 2017 Apr;152(5):1042-1054.e1. DOI: 10.1053/j.gastro.2016.12.039.

Symptome des Reizdarms

Bauchschmerzen
Bauchschmerzen

Die Symptome des Reizdarms sind variabel sowohl unter den verschiedenen Patienten als auch innerhalb eines Krankheitsverlaufs. Es können Phasen vermehrter Gasbildung (Meteorismus), von Bauchschmerzen und von Durchfall (Diarrhö) oder Verstopfung (Obstipation) abwechseln oder wochen- bis monatelang vorherrschen. Oft sind die Beschwerden mit funktionellen Magenbeschwerden (Dyspepsie) kombiniert. Gelegentlich wird von Betroffenen berichten, dass die Reizdarmbeschwerden in der Folge einer infektiösen Durchfallkrankheit (Enteritis) entstanden.

Meteorismus: Es findet sich beim Reizdarmsyndrom eine signifikant vermehrte Gasproduktion gegenüber Normalpersonen, was mit der Ernährung wie auch mit der veränderten Darmflora zusammenhängt; sie führt über eine Dehnung der Darmwand zu Schmerzen.

Verändertes Schmerzempfinden: Eine gesteigerte intestinale Sensitivität (Schmerzwahrnehmung) sowie eine Dysfunktion des enterischen autonomen Nervensystems werden heute als wesentlich für die Symptomatik des Reizdarmsyndroms angesehen (21)J Physiol Pharmacol. 2007 Aug;58 Suppl 3:131-9 (22)Scand J Gastroenterol. 2007 Apr;42(4):441-6. Sie führen zu einer veränderten Motilitätsantwort auf Dehnung nach Nahrungszufuhr und durch Blähungen.


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Diagnostik

Lang anhaltende wechselhafte Bauchbeschwerden im Zusammenhang mit Blähungen und/oder Veränderung der Stuhlfrequenz und/oder Stuhlkonsistenz ohne sonstige Erkrankung eines Verdauungsorgans sind verdächtig auf das Vorliegen eines Reizdarmsyndroms. Im Wesentlichen handelt es sich bei ihm um eine Ausschlussdiagnose. Daher sind in aller Regel Untersuchungen erforderlich, um die wichtigsten organischen Erkrankungen und Stoffwechselkrankheiten, die als Differentialdiagnosen in Frage kommen, auszuschließen. Dazu gehören: Laborwerte (Entzündungsparameter, Pankreaswerte (Lipase und Amylase) inklusive Elastase im Stuhl, Leberwerte, Gastroskopie, Koloskopie, H2-Atemtests auf Laktoseintoleranz, auf eine bakterielle Überwucherung des Dünndarms und auf eine zu rasche Dünndarmpassagezeit (orozökale Transitzeit) ).

Zudem sollten bei negativen Ergebnissen der Voruntersuchungen eine Nahrungsmittelallergie oder -unverträglichkeit ausgeschlossen (Ausschlussdiät) und ein Quantalan-Test auf Gallensäure-spill-over durchgeführt werden. Die Stufenleiter der Diagnostik muss individuell angepasst werden.

Rom-Kriterien

Nach den Rom-II-Kriterien (23)Gut 1999; 45 Suppl 2: 43-47 sind zur Diagnose eines Reizdarmsyndroms folgende Kriterien zu berücksichtigen:

  • Beschwerden über mindestens 12 Wochen (kontinuierlich oder diskontinuierlich) innerhalb des letzten Jahres,
  • zusätzlich mindestens zwei folgender Kriterien
    • Veränderung der Stuhlfrequenz (zu selten oder zu häufig)
    • Veränderung der Stuhlkonsistenz (zu fest oder breiig/flüssig)
    • Symptombesserung nach Defäkation (Stuhlentleerung)

Die Rom-III-Kriterien (24)Gastroenterology 2006; 130: 1480-1491 beinhalten folgende Feststellungen:

  • abdominelle Beschwerden an mindestens 3 Tagen im Monat während der letzten 3 Monate mit Beginn insgesamt vor mehr als 6 Monaten

plus mindestens zwei der folgenden Kriterien

    • Besserung durch / nach Stuhlgang
    • Beginn in zeitlichem Zusammenhang mit Änderung der Stuhlfrequenz (häufiger / weniger häufig)
    • Beginn in zeitlichem Zusammenhang mit Veränderung der Stuhlkonsistenz (breiiger / fester)

Andere Ursachen (z. B. infektiös, tumorös etc.) müssen ausgeschlossen sein.

Die Prävalenz nach den Rom-III-Kriterien ist wesentlich höher als nach den Rom-II-Kriterien. (25)Eur J Gastroenterol Hepatol. 2007 Jun;19(6):441-7

Differenzialdiagnosen

Als Differenzialdiagnosen kommen in Frage:

  • medikamentöse Einflüsse

Beim Reizdarmsyndrom können funktionelle Störungen (wie beispielsweise eine Laktoseintoleranz) zu einer Akzentuierung der Symptomatik führen. Funktionelle Störungen schließen also ein Reizdarmsyndrom nicht aus.

Therapie des Reizdarmsyndroms

Die Therapie des Reizdarmsyndroms ist oft problematisch. Vielfach müssen verschiedene Ansätze nacheinander verfolgt werden. Folgende Behandlungsoptionen können erfolgreich sein:

  • Pfefferminzöl scheint eine Besserung (weniger Blähungen, Reduktion der Stuhlfrequenz) zu bewirken. Dies wird durch eine Cochrane-Bewertung von Studien unterstrichen. (26)Cochrane Database Syst Rev. 2011 Aug 10;(8):CD003460
  • Amitryptilin kann die Reizdarm-bedingten Schmerzen lindern (einschleichende Dosierung bis 75 mg/d). Dies deutet auf eine psychische Beeinflussung der Toleranz gegenüber Darmgas-bedingtem intestinalem Schmerz.
  • Spasmolytika: Eine Übersicht zeigt eine Wirksamkeit für mehrere Substanzen, so für Trimebutin und Mebeverin. (27)Aliment Pharmacol Ther. 1994 Oct;8(5):499-510 Eine Cochrane-Bewertung deutet ebenfalls auf eine Wirksamkeit von Spasmolytika, so von Cimetropium/Dicyclomin, Pfefferminzöl, Pinaverium und Trimebutin [20]. (28)Cochrane Database Syst Rev. 2011 Aug 10;(8):CD003460
    • Mebeverin: (z. B. Duspartal®) wird vielfach verwendet; es kann laut praktischer Erfahrung bei spastischer Komponente der Beschwerden eine Besserung bewirken.
  • Ondansetron: Ein 5-Hydroxytryptaminantagonist (Ondansetron) führte in einigen Fällen zu einer deutlichen Besserung.
  • Alosetron: Ähnlich wie Ondansetron verbessert dieser selektive 5-HT3-Rezeptorantagonist vielfach die Reizdarmbeschwerden. In einer randomisierten Studie sprachen bei einer Dosis von 0,5 bis 2 mg/d besserten sich die Beschwerden in etwa 50%, bei Placebo in ca 30%. Nach Therapieende verstärkten sich die Beschwerden wieder. Nebenwirkungen bestanden hauptsächlich in Obstipation; es wurden zudem einige Fälle einer ischämischen Kolitis beobachtet. (29)Am J Gastroenterol 2007; 102: 1709-1719
  • Fedotozin kann günstig wirken; die Wirksamkeit nimmt über die ersten Wochen zu.
  • Cisaprid wirkt häufig günstig bei Obstipation-dominiertem und nicht günstig bei Diarrhö-dominiertem Reizdarmsyndrom (Cisaprid ist wegen kardialer Nebenwirkungen bei Koronarpatienten vom Markt zurückgezogen worden). Nachfolgepräparat ist Prucaloprid.
  • Linaclotid (Constella®) beschleunigt die Darmpassage, erhöht die Flüssigkeitssekretion im Darm und erniedrigt die Schmerzempfindlichkeit des Darms auf Dehnung (z. B. durch Darmgase). Damit lindert die Beschwerden des Reizdarms mit überwiegender Obstipation und hebt die Lebensqualität deutlich.
  • Pregabalin: Pregabalin hebt die bei IBS-Patienten erniedrigte intestinale Schmerzschwelle auf etwa das normale Niveau an. Es senkt die intestinale Hypersensitivität und scheint eine Therapieperspektive darzustellen.
  • Entschäumer können helfen, die Darmgase (Meteorismus) zu reduzieren – aber nur für den Fall, dass Schaumbildung im Darm vorliegt.
  • E. coli Stamm Nissle (als Mutaflor im Handel) hat als Probiotikum in einigen Fällen eine günstige Wirkung auf Symptome des Reizdarmsyndroms (30)Med Klin 2007: 102: 888-892.
  • Ernährung: Bei der Personengruppe mit vermehrtem Meteorismus wirkt eine Ausschlussdiät günstig (ohne Milch-, Hefe- und Getreideprodukte, und unter Ausschluss von Früchten und Fruchtsäften, die zur Gasbildung führen). Die Kost sollte anschließend unter Beobachtung der Gasbildung bzw. der Verträglichkeit sukzessive wieder komplexer gestaltet werden. Was nicht vertragen wird, sollte gemerkt und weggelassen werden. Einseitigkeit der Kost ist jedoch möglichst zu vermeiden. Wenn keine Milch vertragen wird: für genügend Kalzium (+ Vitamin D) sorgen. Wenn Obst nicht vertragen wird, Vitamine und Ballaststoffe zuführen.
    • FODMAP: Eine sich ausbreitende Diätrichtung (low FODMAP) berücksichtigt, dass Einfach- und Zweifachzucker sowie Oligosaccharide und Zuckeralkohole, die in den Dickdarm gelangen, zu Blähungen und Reizdarmsymptomen führen. Eine Metaanalyse von Studienergebnissen bestätigt die Wirksamkeit beim Reizdarmsyndrom. (31)Nutrients. 2017 Aug 26;9(9):940. doi: 10.3390/nu9090940. PMID: 28846594; PMCID: PMC5622700. In einer Metaanalyse von Studien war ein niedriger FODMAP-Gehalt bezüglich Schwere der Bauchschmerzen, Schwere der abdominellen Blähungen und der Stuhlgewohnheiten wirksam und belegte den ersten Rang. (32)Gut. 2022 Jun;71(6):1117-1126. DOI: 10.1136/gutjnl-2021-325214
  • Antibiotika: Da manche Patienten mit Reizdarmsyndrom eine Fehlkolonialisation des Darms oder gar eine bakterielle Überwucherung des Dünndarms aufweisen, können Antibiotika zur Therapie infrage kommen. Nicht resorbierbare Antibiotika, wie Rifaximin, haben in Studien zu einer deutlichen Symptomverbesserung geführt (siehe hier). (33)Aliment Pharmacol Ther. 2012 Dec;36(11-12):1084-93
  • Stuhltransplantation: Zur Korrektur einer Dysbiose kann eine Stuhltransplatation in Frage kommen. Eine entsprechende Studie über 1 Monat wies eine überzeugende Besserung bezüglich Bauchschmerzen, Stuhlfrequenz und Stuhlkonsistenz (-form) nach. (34)Scand J Gastroenterol. 2021 Jul;56(7):761-769. DOI: 10.1080/00365521.2021.1915375. Eine andere Studie an Probanden mit überwiegender Blähungssymptomatik zeigte ähnliche Ergebnisse, allerdings ließen die positiven Effekte innerhalb eines Jahres nach. (35)Gastroenterology. 2021 Jan;160(1):145-157.e8. DOI: 10.1053/j.gastro.2020.07.013.
  • Psychologische Interventionen: Sie scheinen gute Effekte zu zeitigen. Eine kognitive und Verhaltenstherapie dient der eigenen bewussten Gegensteuerung krank machender auch innerer Einflüsse. Eine Hypnotherapie durch einen Therapeuten versetzt den Patienten in eine Art von Trance mit Tiefenentspannung zur Förderung kreativer Lösungen für Reizdarm-verstärkende Faktoren. Für Ablenkung, Entspannung und Yoga wurde kein signifikanter Effekt nachgewiesen. (36)Arch Dis Child. 2020 Oct;105(10):938-944. doi: 10.1136/archdischild-2020-318825. Epub 2020 Mar 9. … Continue reading

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Pragmatisches Vorgehen

Wenn bei einer sonst gesunden Person ohne besondere Gewichtsabnahme und bei normaler Blutsenkung der Verdacht auf ein Reizdarmsyndrom aufkommt, kann folgendermaßen pragmatisch vorgegangen werden:

  • Anamnese: Fragen nach Erkrankungen des Darms, des Pankreas oder der Leber; Verträglichkeit von Nahrungsmitteln, speziell von Milchprodukten; Prädisposition zu Gallensäuren-spill-over oder bakterieller Überwucherung des Dünndarms),
  • Klinische Untersuchung: Darmgeräusche, Resistenzen im Abdomen, Hernien, Hinweis auf Verwachsungen),
  • Laborwerte: (Blutbild, Entzündungsparameter, Lipase, Leberwerte, ggf. Porphyrine),
  • Abdomensonographie (Leber, Gallenwege, Gallenblase, Pankreas, Darmwände, Raumforderungen).
  • Therapieversuch:
    • Wenn eine Besserung der abdominellen Beschwerden durch Ablassen von Darmgasen zustande kommt (Anamnese), sollte ein therapeutischer Versuch mit einem Entschäumer (hohe Dosierung) ggf. zusammen mit einem Enzympräparat und einer diätetischen Einschränkung (Vermeidung blähender Speisen) erfolgen. Das Enzympräparat dient einer beschleunigten Verdauung, was sich bei Hypermotilität des Darms und beschleunigter Dünndarmpassage günstig auswirkt: Ziel ist es dabei, die Nahrung vor Eintritt in das Kolon aufzuschließen und resorbierbar zu machen.
    • Wenn der Eindruck einer larvierten Depression vorliegt, kann ein Versuch mit Amitryptilin (Kontraindikationen und Nebenwirkungen beachten!) sinnvoll sein.
    • Wenn an der Symptomatik eine intestinale Dyskinesie beteiligt sein kann, sollte – ggf. zusätzlich – Metoclopramid oder Domperidon, bei Hypermotilität (IBS mit überwiegenden Durchfälle) u. U. Loperamid in kleiner Dosierung versucht werden. Bei Verdacht auf ein spastisches Kolon kann der Versuch mit Hymechromon oder Mebeverin erfolgversprechend sein. Ein Therapieerfolg kann die Reizdarm-Diagnose untermauern.

Eine ausufernde Diagnostik, die häufig bis zu CT, MRT, hepatobiliärer Sequenzszintigraphie und MRCP führt, sollte anfangs möglichst vermieden werden.

Ex-juvantibus-Therapie

Wenn eine andere Erkrankung durch das ansonsten anhaltend gute Befinden sowie die oben genannten Untersuchungen weitgehend ausgeschlossen werden kann, kommt eine ex-juvantibus-Therapie in Betracht,

  • beginnend mit Umstellung der Kost mit Weglassen blähender und Stuhl-verändernder Bestandteile, ggf. Start mit einer Low-FODMAP-Kost
    • über Beeinflussung der Darmflora durch Probiotika,
      • und der Darmmotilität durch Medikamente (wie Domperidon, Loperamid oder Mebeverin),
        • sowie ggf. über Veränderung der Schmerzschwelle des Darms durch z. B. Pregabalin (Lyrica®),

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Verweise

Patienteninfos

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 


Literatur

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