Blähungen

Artikel aktualisiert am 16. Dezember 2022

Blähungen (Flatulenz, versetzte Winde, med.: Meteorismus) sind Gasansammlungen im Darmkanal, vorzugsweise im Dickdarm. Die häufigste Ursache ist eine Ernährung mit blähenden Nahrungsmitteln. Die am häufigsten wirksame Behandlung besteht daher in einer Umstellung der Ernährung. Daneben gibt es eine Reihe von Stoffwechselanomalien und Krankheiten, die als Ursachen in Frage kommen. Sie können erhebliche diagnostische Anstrengungen erfordern. (1)Am Fam Physician. 2019 Mar 1;99(5):301-309. PMID: 30811160.


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Wie Blähungen entstehen

Darmgase entstehen in der Regel im Dickdarm durch die Stoffwechselaktivität der dortigen Bakterien: sie bauen die im Dünndarm nicht verdauten und nicht resorbierten Nahrungsbestandteile weiter ab und produzieren dabei Gase.

Blähungen als Folge von Verdauungsstörungen sind von mehreren Faktoren abhängig, nämlich von der Zeit, die zur Verdauung der Nahrung im Dünndarm zur Verfügung steht, und von der Menge der produzierten Verdauungsenzyme.

Folgende Faktoren können zur Bildung von Darmgasen beitragen:

  • Die Geschwindigkeit der Dünndarmpassage des Nahrungsbreis ist zu rasch für eine ausreichende Verdauung, auch wenn die Menge der Verdauungsenzyme nicht vermindert ist. Es gelangt vermehrt Unverdautes zu den Bakterien des Dickdarms, die es unter Gasbildung abbauen.
  • Die Verdauungs- und Resorptionskapazität des Dünndarms ist geringer als normal: hierbei kann auch bei normaler Verweilzeit die Nahrung nicht genügend aufgeschlossen und resorbiert werden.
  • Die Funktionsfähigkeit von Leber und Bauchspeicheldrüse ist krankhaft eingeschränkt.
  • Die Zusammensetzung der Nahrung kann ein Übermaß nicht verdaubarer Nahrungsbestandteile enthalten, z. B. bestimmte Ballaststoffe oder Zuckerverbindungen.
  • Die Zusammensetzung der Darmflora (Darmmikrobiom) ist abnormal und produziert über ihre Stoffwechselwege vermehrt Darmgase.

Einteilung

Zu Blähungssymptomen kann es kommen, wenn folgende Bedingungen vorliegen:

  • Vermehrte Produktion: Es werden übermäßige Mengen an Darmgasen produziert. Ursachen können sein:
    • eine Verdauungsinsuffizienz im Dünndarm (z. B. bei Pankreasinsuffizienz, Sprue)
    • eine Resorptionsstörung Dünndarm (z. B. bei der Sprue)
    • eine zu rasche Passagezeit des Speisebreis durch den Dünndarm, z. B. bei einer Motilitätsstötung des Dünndarms. Dafür gibt es verschiedene Ursachen:
    • Mangel an Verdauungsenzymen; Beispiele: Dünndarmkrankheit (z. B. Sprue), Pankreaskrankheit (z. B. chronische Pankreatitis, Gallemangel im Darm (bei einem Gallestau, Cholestase), Laktoseunverträglichkeit, Resorptionsstörung von Fruchtzucker (Fruktosemalabsorption),
    • blähende Nahrungsmittel (z. B. Hülsenfrüchte, andere Lebensmittel meist pflanzlicher Herkunft) – dies führt meist auch ohne eine besondere Bereitschaft zu Blähungen.
  • Verminderte Resorption von Darmgasen im Dickdarm (Kolon). Normalerweise werden Darmgase ins Blut aufgenommen und über die Lungen abgeatmet. Die Gasresorption kann behindert werden, wenn sich Schaum im Darmlumen bildet, denn in Schaum gefangene Gase gelangen nicht an die Schleimhaut; in solchen Fällen wirken „Entschäumer“ günstig.
  • Behinderte Passage: Eine Passagebehinderung (durch Motilitätsstörung, Abknickung, Entzündung, Tumor …)
    • einer Dickdarmschlinge kann den Abtransport von Darmgasen analwärts behindern oder
    • einer Dünndarmschlinge kann zu einer bakteriellen Überwucherung führen, die für eine vermehrte Gasbildung verantwortlich ist.

Oft liegt eine Kombination der verschiedenen Faktoren vor.

Bedeutung von Schaum im Dickdarm: Bei Blähungen muss immer berücksichtigt werden, dass eine gewisse Menge von Darmgasen im Dickdarm immer entsteht und normal ist, dass sie jedoch über die Darmschleimhaut soweit resorbiert werden, dass kein krankhafter und übermäßig störender Meteorismus entsteht. Wenn die Gase dagegen in Schaumbläschen gefangen sind und nicht an die Darmwand gelangen können, können sie nicht resorbiert werden und sammeln sich an. Liegt solch eine Ursache für Meteorismus vor, so können „Entschäumer“ die Darmgase aus den Bläschen befreien und resorbierbar machen.

Dünndarmmeteorismus: Normalerweise ist der Dünndarm arm an Bakterien und damit frei von Darmgasen. Wenn sich im Dünndarm Gase nachweisen lassen, spricht dies für eine bakterielle Überwucherung. Sie kann zu einem Mangel an lebenswichtigen Nahrungsbestandteilen führen und bedarf einer besonderen Diagnostik und Therapie. (2)Nutr Clin Pract. 2013 Jun;28(3):289-99. doi: 10.1177/0884533613485882. Siehe hier.

Welche Ursachen häufiger vorkommen

  • Eine Milchzuckerunverträglichkeit (Laktoseintoleranz): bei ihr tritt nicht resorbierte Laktose aus Milchprodukten in den Dickdarm über und verursacht über die Bakterien eine Gasbildung. Ähnlich ist es bei einer Fruchtzuckerunverträglichkeit (Fruktoseintoleranz), die bei Genuss von Früchten und Marmelade o. ä. zu Blähungsbeschwerden führt.
  • Das Reizdarmsyndrom: Wenn Blähungen mit einem Reizdarmsyndrom zusammentreffen, können sie wegen der bei ihm erhöhten Dehnungsempfindlichkeit der Darmwand und Motilitätsstörung zu erheblichen Beschwerden führen (siehe hier).
  • Erkrankungen des Dickdarms: Sie sind meist mit einer abnormalen Bakterienflora (Mikrobiom) assoziiert, durch die vermehrt Darmgase entstehen, und mit Wandveränderungen und einer Motilitätsstörung, die eine Resorption der Darmgase beeinträchtigen. Dazu siehe hier.
  • Blähungen, die im Rahmen eines Darminfekts auftreten, sind durch eine Beeinträchtigung der Darmmotilität durch die Entzündung der Darmwand bedingt („dyskinetisch“). Oft hilft eine Darmmassage, verbunden mit Wechsel der Körperstellung.
  • Bakterielle Überwucherung des Dünndarms (small bowel bacterial overgrowth, SIBO): Sie findet sich insbesondere bei einem Reizdarm. Darmkrankheite, eine Darmoperation und die Ernährung können dabei eine fördernde Rolle spielen. (3)Am J Gastroenterol. 2020 Feb;115(2):190-201. DOI: 10.14309/ajg.0000000000000504
  • Schwer verdaubare Kohlenhydrate: Eine wichtige Ursache von Blähungen sind besondere Zucker, die im Dünndarm nicht abgebaut und daher auch nicht resorbiert werden können, weil die dafür notwendigen Enzyme fehlen. Dazu gehören Stachyose und Raffinose, die in manchen Pflanzen vorkommen. Diese Zucker gelangen unverdaut in den Dickdarm und werden dort von den Bakterien unter Bildung von Gasen abgebaut.
    • Bohnen verursachen aus diesem Grunde auch bei gesunden Menschen Blähungen.
    • Vermehrte Zufuhr von Obst und Gemüse, die schwer verdaubare Kohlenhydrate enthalten, können ebenfalls zu Blähungsbeschwerden führen.
  • Verwachsungsstränge im Bauchraum (Briden), die nach Lage des Darms seine natürliche Bewegungen behindern. Ein Hinweis auf solch eine Ursache kann sein, wenn die Beschwerden abhängig von der Körperposition mehr oder weniger werden.

Beschwerden

Blähungen werden meist nicht als besondere Beschwerden wahrgenommen. Sie können aber auch als piekend, stechend und krampfartig empfunden werden und länger anhalten. Der Leib schwillt an und drückt. Die Beschwerden nehmen in der zweiten Tageshälfte zu. Abgang von Winden führt zur sofortigen Besserung.

Darmgase, die in Darmschlaufen gefangen sind und nicht abgehen können sind besonders anhaltend und schmerzhaft.

Geruchsbelästigung

Blähungen durch Kohlenhydratzersetzung sind einigermaßen geruchsneutral. Blähungen, die durch eine unzureichende Eiweißverdauung entstehen, sind geruchsbelästigend (Bildung von flüchtigen schwefelhaltigen Verbindungen) und sind damit auch ein soziales Problem. Nach einer ungewohnt eiweißhaltigen Mahlzeit (große Fleischmengen, z. B. bei einer Grillparty) können vorübergehend „übelriechende Stühle“ auftreten. Treten sie häufiger und länger anhaltend auf, so kann dies auf eine krankhafte Verdauungsstörung hindeuten. Als Ursachen kommen prinzipiell folgende Krankheiten in Frage:

  • eine schwere Erkrankung der Bauchspeicheldrüse mit mangelhafter Bildung von Verdauungsenzymen (exokrine Pankreasinsuffizienz bei chronischer Pankreatitis),
  • eine Dünndarmkrankheit (wie die Sprue oder eine Enteritis), die ebenfalls zu einer mangelhaften Verdauung beiträgt und zudem eine Einschränkung der Resorption der aufgeschlossenen Nahrung bewirkt,
  • eine zu rasche Dünndarmpassagezeit, z. B. bei einer akuten Durchfallkrankheit (Enteritis) oder beim Kurzdarmsyndrom.

Nachweis

Gase im Dickdarm lassen sich sonographisch leicht nachweisen. Hier ein ausgeprägter Meteorismus, der zu Beschwerden führte.

Bauchbeschwerden, die nach Abgang von Darmgasen nachlassen, sind auf Meteorismus zurückzuführen.

Klinisch lässt er sich durch Tympanie direkt nachweisen: bei der Perkussion des Bauchs wird ein hohler (tympanitischer) Ton hervorgerufen.

Durch eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) kann die Hauptlokalisation der gefangenen Winde festgestellt werden. Wegen Totalreflexion des Ultraschalls an der Oberfläche zum Gas hin lassen sich jedoch darunter liegende Strukturen und die Ursache der Gasansammlung meist nicht nachweisen. Eine exakte Diagnostik der anatomischen Verhältnisse kann durch eine Computertomographie erzielt werden. Dies wird beispielsweise erforderlich, wenn ein Hindernis für die Darmmotilität verdächtigt wird.

Eine Koloskopie dient der Diagnostik einer zugrunde liegenden Dickdarmkrankheit.

Eine bakteriologische Stuhluntersuchung wird bei Verdacht auf eine infektiös-entzündliche Genese indiziert.

H2-Atemtests können Aufschluss darüber geben, ob eine beschleunigte Dünndarmpassage, eine Dünndarmüberwucherung mit Bakterien oder eine Laktoseintoleranz vorliegt. Entsprechend sollten die therapeutischen Versuche ausgerichtet werden.

Behandlung

Die Behandlung von Blähungsbeschwerden richtet sich nach der Ursache.

  • Bei Schaumbildung helfen oft „Entschäumer“. Bei anderen Ursachen sind sie wirkungslos.
  • Treten Blähungen bei Darmträgheit (Verstopfung) auf, können Mittel zur Motilitätssteigerung (Abführmittel: z. B. Picosulfat, Quellmittel, Prokinetika) zu einer Besserung führen.
  • Treten Blähungen bei mangelhafter Verdauung im Rahmen einer Erkrankung der Bauchspeicheldrüse oder des Dünndarms auf, so kann eine Unterstützung durch Substitution von Verdauungsenzymen helfen.
  • Ist die Passagezeit der Nahrung durch den Dünndarm zu rasch, so kann eine medikamentöse Verlangsamung (z. B. durch Loperamid) aussichtsreich sein. Solch ein Therapieversuch ist dann aussichtsreich,
    • wenn der Stuhl eher breiig oder dünn ist,
    • keine Bauchspeicheldrüsenkrankheit vorliegt
    • und die Dünndarmpassagezeit, gemessen durch den H2-Atemtest, zu kurz ist.
  • Liegen Verwachsungen im Bauchraum (z. B. nach einer Bauchoperation) vor, die zu einer Behinderung des Transports der Darmgase führen, so kann eine Lösung der Verwachsungen (Briden) z. B. durch eine Schlüssellochoperation (Laparoskopie) die Beschwerden lindern.

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Verweise


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 


Literatur

Literatur
1Am Fam Physician. 2019 Mar 1;99(5):301-309. PMID: 30811160.
2Nutr Clin Pract. 2013 Jun;28(3):289-99. doi: 10.1177/0884533613485882.
3Am J Gastroenterol. 2020 Feb;115(2):190-201. DOI: 10.14309/ajg.0000000000000504