Reizdarm – einfach erklärt

Artikel aktualisiert am 9. Juni 2022

Das Reizdarmsyndrom wird medizinische als Irritables Darmsyndrom (IDS) oder englisch abgekürzt als IBS (irritable bowel syndrome) bezeichnet. „Reizdarm – einfach erklärt“ erklärt IBS verständlich.

Siehe auch unter Reizdarmsyndrom – Neues.
Fachinfos siehe hier.


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Das Wichtigste

Kurzgefasst
Das Reizdarmsyndrom beruht auf einer sehr unangenehmen und belastenden Eigenschaft des Darms, auf alles Mögliche überschießend zu reagieren. Folgende Charakteristika können in unterschiedlicher Kombination und Schwere vorliegen:
  • Bauchschmerzen: Beim Reizdarm ist insbesondere die Schmerzempfindlichkeit des Darms gesteigert, was besonders dann zu quälenden Beschwerden führt, wenn Blähungen auftreten, die den Darm dehnen und wenn Darmkrämpfe vorherrschen.
  • Blähungen: Sie treten beim Reizdarmsyndrom gehäuft auf, wenn zudem eine Unverträglichkeit von Nahrungsbestandteilen besteht. So findet man unter den Betroffenen viele, die beispielsweise eine Unverträglichkeit von Milch oder Milchprodukten oder speziell eine Milchzuckerunverträglichkeit (Laktoseintoleranz) haben.
  • Durchfälle: Bei verschiedenen Nahrungsmitteln reagiert der Darm oft mit besonders starken Bewegungen bis hin zu Darmkrämpfen (siehe auch hier).
  • Verstopfung: auch eine verminderte Darmmotilität kann vorkommen.
  • Lange Beschwerdeanamnese: Die Beschwerdesymptomatik (ohne dass sich die/der Betroffene ansonsten krank fühlen muss) lässt sich über viele Monate oder Jahre zurückverfolgen. Sie kann in ihrer Ausprägung je nach Ernährung variieren.

Typischerweise findet man keine organische Krankheit, die die Symptome ausreichend erklärt. Die Behandlung ist weitgehend symptomatisch.

Zur Therapie siehe hier.


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Welche Beschwerden vorliegen können

Die Beschwerden umfassen

  • Bauchschmerzen, die oft mit dem Gefühl eines geblähten Bauchs einhergehen,
  • Stuhlgangsunregelmäßigkeiten, wobei
    • phasenweise Durchfälle überwiegen können,
    • phasenweise auch Verstopfung, oft auch
    • Durchfälle und Verstopfung abwechselnd.

Besonders die Durchfälle mit oft plötzlichem Stuhldrang belasten stark; sie können so ausgeprägt die Symptomatik beherrschen, dass sich die Betroffenen aus dem Sozialleben zurückziehen und in eine depressive Stimmungslage geraten.

Was die Beschwerden auslösen oder verstärken kann

Es gibt Hinweise auf eine genetische Veranlagung zum Reizdarmsyndrom. Die erste Manifestation kommt meist aber durch eine Auslösung zustande. Als Auslöser lassen sich gelegentlich Erkrankungen, beispielsweise eine infektiöse Durchfallserkrankung, oder eine besondere medikamentöse Therapie, beispielsweise eine Antibiotikabehandlung eines Infekts ausmachen. Als zentral für die Entstehung wird eine Undichtigkeit der Schleimhaut des Darms angesehen, die zu einer Fehlfunktion führt, und die seine Schmerzempfindlichkeit verändern kann.

Blähungen (Meteorismus) führen zur Dehnung des Dickdarms, die schmerzhaft empfunden wird. Untersuchungen haben ergeben, dass Patienten mit einem Reizdarmsyndrom mit stärkeren Schmerzen auf Dehnung reagieren als Menschen ohne diese Veranlagung.

Offenbar können psychologische Faktoren wie Stress die Symptome beeinflussen; im Urlaub können die Stuhlgangsunregelmäßigkeiten zur Ruhe kommen.

Wer als Reizdarm-Betroffener eine infektiöse Durchfallkrankheit (infektiöse Enteritis) durchmacht, hat ein erhöhtes Risiko, wieder eine Phase verstärkter Reizdarmsymptomatik zu bekommen.

Bei Frauen wird eine Verschlechterung der Beschwerden oft vor der Regel beobachtet.

Wie die Diagnose gesichert werden kann

Die Diagnose eines Reizdarmsyndroms ist im Wesentlichen eine Ausschlussdiagnose. Es müssen alle wichtigen organischen Krankheiten unwahrscheinlich gemacht werden. Zudem sollte berücksichtigt werden, wie lange die Beschwerden bereits bestehen. Wenn sie mal mehr, mal weniger ausgeprägt sind (fluktuieren) und sich insgesamt über ½ Jahr zurückverfolgen lassen, dann kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit von diesem Syndrom ausgehen.

Nach den alten ROME-Kriterien werden folgende Bedingungen gefordert:

  • Veränderung der Stuhlfrequenz (zu selten oder zu häufig)
  • Veränderung der Stuhlkonsistenz (zu fest oder breiig/flüssig)
  • Erleichterung nach Defäkation (Stuhlentleerung)

Die ROME-III-Kriterien beinhalten folgende Feststellungen:

  • abdominelle Beschwerden an mindestens 3 Tagen im Monat während der letzten 3 Monate mit Beginn insgesamt vor mehr als 6 Monaten

plus mindestens zwei der folgenden Kriterien

  • Besserung durch / nach Stuhlgang
  • Beginn in zeitlichem Zusammenhang mit Änderung der Stuhlfrequenz (häufiger / weniger häufig)
  • Beginn in zeitlichem Zusammenhang mit Veränderung der Stuhlkonsistenz (breiiger / fester)

Untersuchungen, die durchgeführt werden sollten

Zu den Untersuchungen gehören:

Infektiöse oder tumoröse Ursachen müssen ausgeschlossen werden.

Wie man das Reizdarmsyndrom behandeln kann

Es werden von Ärzten, Heilpraktikern und betroffenen Patienten sehr viele verschiedene Maßnahmen zur Linderung der Reizdarm-Beschwerden vorgeschlagen. Allen Berichte zeigen, dass es keine Therapie zu geben scheint, die allen Betroffenen gleichermaßen hilft. Einige Ratschläge, die individuell helfen können, seien hier angeführt:

Diät: Betroffene mit Reizdarm sollten ihre Ernährung sehr genau registrieren: gibt es Nahrungsbestandteile, die in besonderer Weise Blähungen, Durchfälle und Darmkrämpfe hervorrufen? Unter Umständen lohnt eine Testphase, in der für wenige Tage eine allergenfreie Kost (z. B. wässriger Kartoffelbrei) zu sich genommen wird, worauf dann eine Phase weniger Tage mit Zusatz verschiedener anderer Nahrungsmittel erfolgt – ganz analog zur Nahrungsmittelallergie, bei der ebensolche Tests empfohlen werden können.

FODMAP-arme Kost: FODMAPs (Akronym für Fermentable Oligo-, Di-, Monosaccharides And Polyols) enthalten wenig von Einfachzuckern und kurzkettigen Zuckern sowie von mehrwertigen Alkoholen. Denn diese Bestandteile gelangen zu großem Teil in den Dickdarm und werden dort bakteriell unter Darmgasbildung abgebaut. So sollen vor allem fruktose- und laktosehaltige Nahrung (viele Früchte, Milchprodukte) sowie Zuckerersatzstoffe, wie Sorbitol soweit möglich gemieden werden. Welche Nahrungsmittel „erlaubt“ sind, lässt sich im Internet finden; es hat sich eine Sparte der Nahrungsmittelindustrie des Problems angenommen.

Krampflösende Mittel (Spasmolytika): Sie üben häufig einen kurzfristigen Effekt aus, der allerdings nicht sehr ausgeprägt ist.

Pfefferminzöl (verkapselt erhältlich) beruhigt den Darm und vermindert den Schmerz durch Blähungen etwas.

Linaclotid: Dieses neue Medikament (in den USA als Linzess® und in Europa als Constella® zugelassen) wirkt sich günstig auf die Symptome des Reizdarmsyndroms aus, bei dem eine Verstopfung (Obstipation) vorherrscht: es fördert die Darmmotilität und lindert die Bauchschmerzen.

Loperamid: Dieses Medikament hemmt die Darmperistaltik und kann in Phasen helfen, in denen durchfälliger Stuhl vorherrscht. Es gehört bei geplanten Reisen oft zur Notfallmedikation.

Probiotika: Es gibt Studienergebnisse, nach denen Probiotika die Reizdarmsymptomatik lindern. Allerdings scheinen nicht alle Probiotika in gleicher Weise zu wirken. Aber es ist offenbar nicht verkehrt, einen langdauernden Versuch mit Joghurt mit lebenden Kulturen zu starten und den Erfolg zu beobachten. Kurzzeitige Verbesserungen sind wohl nicht erwartbar.

Antibiotika: Bei Patienten mit Reizdarmsyndrom, die einen positiven Laktulose-Atemtest haben, wirkt häufig das Antibiotikum Rifaximin. In einer Studie wird berichtet, dass nach einer 2-wöchigen Behandlung die Hauptsymptome Völlegefühl, Blähungen, Durchfall und Schmerzen für etwa 3 Monate sistierten!

Akupunktur: Ein potentieller Effekt ist laut einer Studie nicht auszuschließen; eine große Metaanalyse zeigt jedoch keinen eindeutigen Effekt.

Was noch von Interesse ist

Fachinfos zum Reizdarmsyndrom

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).