Allgemeines


Die Entstehung einer Arteriosklerose ist komplex. Zur Vorbeugung und Behandlung sind daher verschiedene Ansatzpunkte zu berücksichtigen.

Die Arteriosklerose ist abhängig von einem hohen intravasalen Druck und daher praktisch nur im Hochdrucksystem der Arterien zu finden; im Niederdrucksystem der Venen entwickelt sie sich nicht.

Normaler Alterungsprozess: Eine Degeneration der arteriellen Gefäßwände im Sinne einer Arteriosklerose gehört zum natürlichen Alterungsprozess des Menschen.

Fördernde Faktoren: Gefördert wird die Gefäßdegeneration durch

  • genetische Faktoren (1)Circ Res. 2015 Apr 24; 116(9): 1551–1560.doi:  10.1161/CIRCRESAHA.116.303518,
  • Stoffwechselkrankheiten (wie einen Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen) und
  • Faktoren des Lebensstils, wie Rauchen, ungesunde Ernährung und mangelnde Bewegung.

Ablauf, Stadien: Die Entstehung folgt folgendem Ablauf:

  • Schädigung der Arterieninnenschicht (Endothel),
  • Einlagerung von Fetten und Cholesterin,
  • Einwanderung von Entzündungszellen,
  • Freisetzung von Vermittler- und Botenstoffen (Zytokine), die eine Wandverdickung bewirken (Plaquebildung),
  • Verkalkung.

Durch Aufbrechen der Plaques zum Gefäßlumen hin kann es zu einer lokalen Gerinnselbildung im Blutgefäß kommen, die zu den gefürchteten Komplikationen eines Gefäßverschlusses, Herzinfarkts und Schlaganfalls führen.

Pathophysiologische Prozesse

Bedeutung erhöhter Fettwerte: LDL-C (Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin) gehört zu den stärksten Faktoren, die eine Atherosklerose fördern. Allerdings reduzieren Statine (medikamentöse Cholesterinsenker der ersten Wahl) das kardiovaskuläre Risiko nur um etwa 30%. Das restliche Risiko wird durch die Triglyceride (Tg) und Tg-reiche Lipoproteine erklärt. Ihr Beitrag zur Arteriosklerose beinhaltet eine Förderung entzündlicher Prozesse und von oxidativem Stress. (2)Front Mol Biosci. 2022 May 25;9:909151. DOI: 10.3389/fmolb.2022.909151.

Plaquebildung in der Arterienwand: Cholesterinhaltige Flecken (atheromatöse Plaques) in Arterien entstehen primär durch eine Schädigung ihrer Innenhaut (Endothel). Dort werden dann Fettstoffe (Lipide) eingelagert, besonders Cholesterin. Es kommt zu einer reaktiven Entzündung mit Einwanderung von  Monozyten, Makrophagen und T-Lymphozyten. Die Makrophagen nehmen die dort (in der Innenschicht = Intima) eingelagerten Fette LDL und VLDL in oxidierter Form auf, und werden dadurch zu „Schaumzellen“. Sie bilden Entzündungsvermittler (proinflammatorische Zytokine), die weitere Entzündungszellen anlocken und zudem zu einer Vermehrung der glatten Muskelzellen und des Bindegewebes der Intima führen, was schließlich zu einem narbigen (fibrotischen) und muskelfaserhaltigen Plaque führt.

Mikro RNA: Der Pathomechanismus der Bildung einer arteriosklerotischen Degeneration von Arterien beinhaltet nach Untersuchungen am Tiermodell eine Überexpression von Mikro-RNA (miR-181b) in symptomatischen arteriosklerotischen Plaques und der Wand eines Aortenaneurysmas. Sie unterdrückt die Expression von Metalloproteinase-3 und Elastin, die für die Wandstabilität eine große Rolle spielen. Eine Hemmung von miR-181b führt umgekehrt zu einer Anhebung der Elastin- und Kollagen-Bildung und damit zu einer Plaque-Stabilisierung. Dies könnte zu einem zukünftigen neuen Therapieansatz bei progredienter Arteriosklerose führen (3)Circ Res. 2017 Jan 6; 120(1): 49–65. doi:  10.1161/CIRCRESAHA.116.309321.

Verkalkung der Plaques: In arteriosklerotischen Plaques können sich Verkalkungen bis hin zu großen Kalkspangen bilden, die zur Wandstarre führen. Stabile, nicht verkalkte Plaques sind nicht statisch, sie können sich zu instabilen Plaques weiter entwickeln oder sich auch offenbar zurückbilden.

Plaqueruptur: Instabile Plaques können platzen (rupturieren) und Komplikationen hervorrufen (s. u.). Plaques scheinen insbesondere dann instabil werden zu können, wenn sie verkalken, einen zu großen Lipidkern enthalten, eine dünne fibröse Kappe und eine unglückliche Form zum Blutstrom haben oder (durch die Vasa vasorum) einbluten.

Folgen an der Gefäßwand

Die Arteriosklerose einer Gefäßwand hat besondere Konsequenzen:

  • Elastizitätsverlust: Die Veränderungen der Arterienwände führen zu einem Verlust ihrer Elastizität. Die zunehmende Wandstarre bewirkt eine Verschlechterung des Blutflusses (von laminarem zu turbulentem Strom) und der Dehnbarkeit, was sich beim Bluteinstrom aus dem Herzen während der Systole negativ bemerkbar macht. Der durch die Herzkontraktion aufgebaute Druck kann durch Einschränkung der elastischen Dehnbarkeit nicht mehr in normalem Umfang in potentielle Energie überführt werden, die normalerweise dafür sorgt, dass auch während der Diastole, in der aus dem Herzen Blut in die Aorta und die Arterien nicht nachströmt, Blut weiter in die Peripherie fließt. Die sog. Windkesselfunktion der Aorta nimmt ab. Damit erhöhen sich die systolischen Blutdruckspitzen, was zur Hypertonie führt.
  • Mikrodefekte arteriosklerotischer Plaques führen zu einer Aktivierung des Plättchen-aktivierenden Faktors (PAF), der eine Anlagerung von Thrombozyten aus dem Blut bewirkt. Der Plaque ist damit „giftig“ geworden. Es entwickelt sich dort  ein Thrombozytenthrombus. Auf ihm wiederum entwickelt sich ein Blutgerinnsel. Damit besteht jetzt eine Gefahr für einen vollständigen Gefäßverschluss sowie für einen Abbruch des frei im Blutstrom flottierenden Thrombusendes. Ein Thrombusabbruch führt zu einer Embolie. Kleine Embolien können unbemerkt ablaufen oder nur zu vorübergehenden Symptomen führen. Solche vorübergehenden Symptome können beispielsweise ein heftiger Angina-pectoris-Anfall oder eine transitorisch ischämischen Attacke (TIA), bekannt als „Schlägele“, sein. Ein größerer embolischer Gefäßverschluss bewirkt einen Herzinfarkt, einen Milz- oder Niereninfarkt oder einen großen Schlaganfall.
  • Plaquerupturen: Größere ateriosklerotische Plaques können rupturieren und lokal viel thrombogenes Material freisetzen, das dann ohne Vorboten zu einem großen ischämischen Ereignis (großer Schlaganfall oder Herzinfarkt) führen kann.
  • Einengung des Gefäßlumens: Die arteriosklerotischen Plaques ragen ins Lumen des arteriellen Gefäße vor und verengen es. Damit kann es zu Durchblutungsstörungen der abhängigen Organe und Gewebe kommen (Ischämie).

Verkalkung sklerotischer Plaques

Die Arterienverkalkung tritt in der Regel im Rahmen einer Arteriosklerose auf, ist aber mit ihr nicht völlig gleichzusetzen. Die Arteriosklerose stellt eine degenerative Erkrankung der Arterienwände dar, die nicht in jedem Fall Vorbedingung ist. Nicht arteriosklerotisch ausgelöste lokale Verkalkungen von Gefäßwänden auch in jungen Jahren werden immer wieder beobachtet. Auch eine infektiöse Genese ist möglich.

Heute werden vor allem 2 Typen einer Arterienverkalkung unterschieden, die sich unterschiedlich entwickeln (s. u.) (4)Cardiovasc Diagn Ther 2015; 5: 343-52 (5)Exp Gerontol 2011; 46: 843-6.

Arterienverkalkung

Eine sklerotische Degeneration der Arterienwand wird durch Einlagerung von Kalk gefährlich. Arteriosklerotische Plaques, die verkalkt sind, platzen leicht auf und führen zu lokalen Komplikationen: einer Bildung eines Gerinnsels (Thrombus) und eines Verschlusses. Die Verhinderung einer Verkalkung ist damit ein Therapieziel.

Es werden zwei Haupttypen einer Verkalkung sklerotisch degenerierter Plaques unterschieden (6)Cardiovasc Diagn Ther 2015; 5: 343-52:

  • die Verkalkung der Media der Arterien: sie ist durch die Ablagerung von Hydroxyapatit durch zu Osteoblasten (Knochen-bildende Zellen) umgeformte glatte Muskelzellen vorwiegend in den peripheren Arterien gekennzeichnet. Die Ablagerungen entstehen entlang der Elastica in der extrazellulären Matrix. Sie findet sich besonders beim Diabetes mellitus und bei chronischen Nierenkrankheiten. Folgen sind eine Gefäßversteifung und eine erhöhte Vorlast des Herzens.
  • die Verkalkung der Intima der Arterien: Sie ist mehr systemisch ausgeprägt und wird durch die kardiovaskuläre Risikofaktoren, wie Alter, Übergewicht, Hypertonie, Rauchen, LDL-Cholesterin und Diabetes, gefördert. Bei ihnen kommt eher es zur Ablagerung von Kalziumphosphat mit Neigung zu einer Plaqueinstabilität und Plaqueruptur.

Rolle der Gene

Ob es zu einer beschleunigten oder verzögerten Gefäßverkalkung kommt, hängt von der individuellen genetischen Ausstattung ab.

Es wurden Gene identifiziert, welche die spontane Arterienverkalkung verhindern (ENPP1, CD73, ABCC6). Mutationen in einem dieser Gene können zu vorzeitiger Arterienverkalkung führen. Beispiele sind die generalisierte jugendliche Arterienverkalkung (generalized arterial calcification of infancy, GACI), wohl identisch mit dem Pseudoxanthoma elasticum (PXE) und andere (7)Circ Res 2011; 109: 578-92 (8)Front Genet 2012; 3: 302.

Rolle von Fettgewebe und Blutfetten

Eine Dyslipidämie (abnormale Zusammensetzung der Blutfette) ist in der Regel mit einer Erhöhung von acetyliertem LDL assoziiert, welches wiederum eine Umwandlung der glatten Muskelzellen der Arterienwände in osteogene Zellen fördert; HDL verhindert dies (9)Circulation 2002; 91: 570-6.

Das epikardiale Fett (Fettgewebe, das direkt dem Herzen aufgelagert ist), ist offensichtlich von Bedeutung für die Verkalkung der Herzkanzgefäße und die Entwicklung einer Koronarsklerose (10)Arteriosclerosis 2012; 220: 223-30.

Rolle von Vitamin D und Vitamin K

Vitamin D erhöht die Aktivität eines Proteins (Matrix-G1a-Protein, MGP), welches einen lokalen Überschuss an Kalzium zu binden vermag und so dem kristallinen Ausfall von Kalziumphosphatkristallen entgegenwirkt. Ein Vitamin-D-Mangel fördert somit nicht die Arteriosklerose allgemein, sondern die Gefäßverkalkung speziell (11)Nephrology 2006; 11: 455-61. In diesem Prozess spielt Vitamin K als ein Kofaktor mit. Daher ist es erklärlich, dass Vitamin-K-Antagonisten (Coumarine, Warfarin, Phenprocoumon etc.), wie sie zur Blutgerinnungshemmung (Antikoagulation) eingesetzt werden, die Arterienverkalkung fördern. Eine ähnliche Rolle kommt Fetuin-A zu, welches Kalzium kolloidal bindet (12)Calcif Tissue Int 2013; 93: 355-64

Arterienverkalkung beim Diabetes

Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) ist ein Risikofaktor für die Arterienverkalkung. Die periphere arterielle Verschlusskrankheit als diabetische Spätkomplikation ist durch multiple verkalkende arteriosklerotische Plaques gekennzeichnet. In der Media dieser Gefäße finden sich vermehrt Eiweiße (Proteine), wie sie auch im Knochen gefunden werden (OPN, Typ-1-Kollagen, alkalische Phosphatase), was auf die Aktivität osteogener Zellen (Knochen bildender Zellen) zurückzuführen ist. Dies ist auch eine Transformation von Zellen der Gefäßmedia (glatte Muskelzellen) in Osteoblasten-ähnliche Zellen zurückzuführen. Hierzu trägt vor allem ein hoher Zuckerspiegel bei (13)Endocrinology 2010; 151: 63-74. Auch wird ein Einwandern mononukleärer Zellen aus der Blutbahn in die Gefäßwände diskutiert, die osteoblastische Eigenschaften aufweisen und so zur Mediaverkalkung im Sinne einer Mikroossifikation beitragen (14)Circ Res 2011; 108: 1112-21.


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Verweise

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