Störung des programmierten Zelltods bei Krebs

Artikel aktualisiert am 1. Mai 2024

Programmierter Zelltod und Krebs

Eine Störung des programmierten Zelltods bei Krebs ist eine häufige Ursache dafür, dass bösartige Tumore der Immunabwehr des Körpers entkommen können. Durch die Kenntnis der molekularen Zusammenhänge konnten neue und sehr effektive Therapiemöglichkeiten entwickelt werden.

Apoptose

Bedeutung für die Krebstherapie


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Das Immunsystem zerstört normalerweise abartige Zellen, auch immer wieder entstehende Krebszellen, problemlos. Einige Tumorzellen „lernen“ es jedoch, ihm zu entkommen. Sie stören die Reaktionsfähigkeit der Immunszellen, indem sie deren Apoptosebereitschaft erhöhen. Eine Zielvorstellung der Forschung war es daher, die Reaktionsbereitschaft der Immunzellen wieder zu erhöhen, indem sie man sie dem schädigenden Einfluss der Tumorzellen entzieht. So wurden Moleküle entwickelt, die an deren DR (Zelltodrezeptoren) koppeln und für die Tumorzellen blockieren.

Grundlage für die Störung der Abwehrfunktion der T-Lymphozyten des Immunsystems ist die Exprimierung eines speziellen Proteins auf der Zelloberfläche der Tumorzellen, nämlich des PD-L2, welches an den DR (death receptor, Zelltodrezeptor) der Lymphozyten andockt und deren Apoptose anregt. Dieser als „immune checkpoint inhibition“ Mechanismus bezeichnete Mechanismus verringert die Fähigkeit der Immunzellen, effektiv gegen Tumorzellen vorzugehen. Der Tumor kann daher unkontrolliert wuchern und Metastasen setzen. Es gibt in den verschiedenen Organen unterschiedliche DR, die in Publikationen einsehbar sind (1)Cancers (Basel). 2021 Mar 27;13(7):1543. doi: 10.3390/cancers13071543. Eine hohe Expression von PDCD1 (programmed cell death 1) dagegen bedeutet ein besseres Überleben bei vielen Tumoren und ein längeres progressionsfreies Intervall. (2)Int Immunopharmacol. 2020 Dec;89(Pt B):107080. doi: 10.1016/j.intimp.2020.107080

Therapiekonzept

Die Expression von PD1 auf T-Zellen und die Expression von PDL1 auf Tumorzellen ermöglicht es den Tumorzellen, der Antitumorwirkung der T-Zellen zu entgehen. Eine Blockade von PD1 auf den T-Lymphozyten bewirkt, dass der Caspaseweg nicht aktiviert werden kann und die T-Lymphozyten die Tumorzellen effektiv abwehren können. Die dafür entwickelten Medikamente sind PD1/PDL1-Inhibitoren. (3)Hum Vaccin Immunother. 2016 Nov;12(11):2777-2789. DOI: 10.1080/21645515.2016.1199310

Die Entwicklung hat Apoptose-induzierende Liganden der TNF-Superfamilie für die Krebstherapie hervorgebracht. Beispiel ist Pembrolizumab, welches bereits bei einigen Tumoren eingesetzt wird. (4)Cancers (Basel). 2021 Mar 27;13(7):1543. doi: 10.3390/cancers13071543

PD-1/PD-L1-Hemmung

Die weitere Entwicklung führte zu einer PD-1/PD-L1-Immun-Checkpoint-Blockade (PD-1: programmed cell death protein 1, s.o.). Es wurden Anti-PD-1-Antikörper entwickelt, beispielsweise Nivolumab und Pembrolizumab. Auch gegen den Liganden PD-L1 wurden Antikörper entwickelt (Anti-PD-L1-Antikörper), beispielsweise Atezolizumab, Avelumab und Durvalumab.

Erfahrungen

Eine PD/PD-L1-Checkpointblockade mit diesen Medikamenten hat sich inzwischen bei vielen bösartigen Tumoren als sehr wirksam erwiesen. Günstig reagieren laut bisherigen Erfahrungen das fortgeschrittene Urothelkarzinom (5)N Engl J Med. 2024 Mar 7;390(10):875-888, das Zervixkarzinom (6)N Engl J Med. 2024 Mar 7;390(10):875-888, das Melanom (7)Lancet. 2024 Feb 17;403(10427):632-644 und das Bronchialkarzinom (NSCLC, Nichtkleinzeller) (8)N Engl J Med. 2023 Aug 10;389(6):491-503 Positiver Erfahrungen liegen auch für andere Tumore vor, wie für das das Nierenzellkarzinom (RCC), das klassische Hodgkin-Lymphom (cHL), das Plattenepithelkarzinom des Kopfes und Halses (HNSCC), das kolorektale Karzinom (CRC), das hepatozelluläre Karzinom (HCC), das primäre mediastinale große B-Zell-Lymphom (PMLBCL) und den Blasenkrebs. (9)Comput Struct Biotechnol J. 2019 May 23;17:661-674. doi: 10.1016/j.csbj.2019.03.006 (10)N Engl J Med 2023; 389:491-503 DOI: 10.1056/NEJMoa2302983 (11)N Engl J Med 2023; 389:504-513 DOI: 10.1056/NEJMoa2215530

Tumornekrosefaktor-alpha

Der „Tumor Necrosis Factor-α“ (TNF-alpha) bindet an zwei Rezeptoren, TNF-R1 und TNF-R2. Nur TNF-R1 besitzt eine Todesdomaine und wird daher oft auch DR1 (Death Receptor 1) bezeichnet. Über ihn erfolgt eine Aktivierung des Enzyms Caspase, welche Zellbestandteile zerkleinert. Der Rezeptor DR1 (= TNF-R1) ist in praktisch allen Zelltypen des Körpers zu finden (TNF-R2 hingegen nur in Immunzellen und Endothelzellen). Um DR1 zu aktivieren, wurde rekombinantes TNF-α hergestellt. Allerdings zeigte es eine systemische Toxizität, sodass ein neuer Weg gesucht wurde. (12)Cancers (Basel). 2021 Mar 27;13(7):1543. doi: 10.3390/cancers13071543 TNF-alpha kann in einigen Fällen von Tumorzellen selbst gebildet werden, sodass nun die Anregung dieser Funktion ein Konzept darstellt. Inzwischen wurde festgestellt, dass verschiedene therapeutisch wirksame Substanzen seine Bildung anregen können, (13)Cancers (Basel). 2021 Feb 2;13(3):564. DOI: 10.3390/cancers13030564. so beispielsweise Docetaxel, welches neben seiner Mikrotubuli stabilisierenden Wirkung auch in den Caspase-Signalweg eingreift. (14)Biochem Pharmacol. 2022 Jan;195:114865. DOI: 10.1016/j.bcp.2021.114865

Verweise

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Literatur[+]