Störung des programmierten Zelltods bei Krebs

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Eine Störung des programmierten Zelltods ist eine häufige Ursache dafür, dass Krebszellen der Immunabwehr des Körpers entkommen können. Durch die Kenntnis der molekularen Zusammenhänge konnten neue und sehr effektive Therapiemöglichkeiten entwickelt werden.

Bedeutung für die Krebstherapie

Das Immunsystem zerstört normalerweise abartige Zellen problemlos, so auch immer wieder entstehende Krebszellen. Einige Tumorzellen „lernen“ es jedoch, der Immunabwehr zu entkommen. Sie stören die Reaktionsfähigkeit der spezieller Lymphozyten, indem sie deren Selbstzerstörung (Apoptose) fördern. Eine Zielvorstellung der Forschung war es daher, die Abwehrfähigkeit der Immunzellen wieder zu erhöhen, indem man den schädigenden Einfluss der Tumorzellen auf sie unterbindet.

Auf der Zelloberfläche der Tumorzellen existieren funktionelle Gruppen, die an DR (death receptor, Zelltodrezeptoren) andocken können, nämlich sog. PD-L2 (programmed death ligands 2). Dieser von den Tumorzellen ausgehende, als „immune checkpoint inhibition“ bezeichnete Mechanismus des Andockprozesses (PD-L2 an DR) verringert die Fähigkeit der Immunzellen, effektiv gegen sie vorzugehen. Der Tumor kann daher unkontrolliert wuchern und Metastasen setzen.

In den verschiedenen Organen werden unterschiedliche DR gefunden, die in Publikationen zusammengestellt sind (1)Cancers (Basel). 2021 Mar 27;13(7):1543. doi: 10.3390/cancers13071543.

Eine hohe Expression von PDCD1 (programmed cell death 1) bedeutet ein besseres Überleben bei vielen Tumoren und ein längeres progressionsfreies Intervall. (2)Int Immunopharmacol. 2020 Dec;89(Pt B):107080. doi: 10.1016/j.intimp.2020.107080

Es wurden Moleküle entwickelt, welche die Tumorzellen daran hindern, die Immunabwehr außer Kraft zu setzen. Sie können helfen, einige maligne Tumore zurückzudrängen.

Therapiekonzept

Die Expression von PD1 auf T-Zellen und die Expression von PDL1 auf Tumorzellen ermöglicht es den Tumorzellen, der Antitumorwirkung der T-Zellen zu entgehen. Eine Blockade von PD1 auf den T-Lymphozyten bewirkt, dass der Caspaseweg nicht aktiviert werden kann und die T-Lymphozyten die Tumorzellen effektiv abwehren können. Die dafür entwickelten Medikamente sind PD1/PDL1-Inhibitoren. (3)Hum Vaccin Immunother. 2016 Nov;12(11):2777-2789. DOI: 10.1080/21645515.2016.1199310

Die Entwicklung hat Apoptose-induzierende Liganden der TNF-Superfamilie für die Krebstherapie hervorgebracht. Beispiel ist Pembrolizumab, welches bereits bei einigen Tumoren eingesetzt wird. (4)Cancers (Basel). 2021 Mar 27;13(7):1543. doi: 10.3390/cancers13071543

PD-1/PD-L1-Hemmung

Die weitere Entwicklung führte zu einer PD-1/PD-L1-Immun-Checkpoint-Blockade (PD-1: programmed cell death protein 1, s. o.). Es wurden Anti-PD-1-Antikörper entwickelt, beispielsweise Nivolumab und Pembrolizumab. Auch gegen den Liganden PD-L1 wurden Antikörper entwickelt (Anti-PD-L1-Antikörper), beispielsweise Atezolizumab, Avelumab und Durvalumab.

Erfahrungen

Eine PD/PD-L1-Checkpointblockade mit diesen Medikamenten hat sich inzwischen bei vielen bösartigen Tumoren als sehr wirksam erwiesen.

Günstig reagieren laut bisherigen Erfahrungen das fortgeschrittene Urothelkarzinom (5)N Engl J Med. 2024 Mar 7;390(10):875-888, das Zervixkarzinom (6)N Engl J Med. 2024 Mar 7;390(10):875-888, das Melanom (7)Lancet. 2024 Feb 17;403(10427):632-644 und das Bronchialkarzinom (NSCLC, Nichtkleinzeller) (8)N Engl J Med. 2023 Aug 10;389(6):491-503

Positive Erfahrungen liegen auch für andere Tumore vor, wie für das das Nierenzellkarzinom (RCC), das klassische Hodgkin-Lymphom (cHL), das Plattenepithelkarzinom des Kopfes und Halses (HNSCC), das kolorektale Karzinom (CRC), das hepatozelluläre Karzinom (HCC), das primäre mediastinale große B-Zell-Lymphom (PMLBCL) und den Blasenkrebs. (9)Comput Struct Biotechnol J. 2019 May 23;17:661-674. doi: 10.1016/j.csbj.2019.03.006 (10)N Engl J Med 2023; 389:491-503 DOI: 10.1056/NEJMoa2302983 (11)N Engl J Med 2023; 389:504-513 DOI: 10.1056/NEJMoa2215530

Beim Brustkrebs verbessert eine Immun-Checkpoint-Blockade (ICB) in Kombination mit einer neoadjuvanten Chemotherapie das vollständige Ansprechen. Allerdings ist das Ansprechen differenziert zu betrachten (12)Nat Med. 2021 May;27(5):820-832. doi: 10.1038/s41591-021-01323-8.

Beim kolorektalen Karzinom wird ein unterschiedliches Ansprechen auf die Immun-Checkpoint-Blockade beobachtet, was nur teilweise durch die unterschiedlich hohe Mutationsrate des Tumors erklärt werden kann. Bei ihm lösen Anti-PD1-Wirkstoffe eine PD1-PDL1-Interaktion zwischen PD1-tragende CD8-T-Zellen und PDL1+ Antigen-präsentierende Makrophagen aus (die in hypermutierten CRC reichlich vorkommen) und fördern damit die zytotoxische Antitumoraktivität. (13)Gastroenterology. 2021 Oct;161(4):1179-1193. doi: 10.1053/j.gastro.2021.06.064

Tumornekrosefaktor-alpha

Der „Tumor Necrosis Factor-α“ (TNF-alpha) bindet an zwei Rezeptoren, TNF-R1 und TNF-R2. Nur TNF-R1 besitzt eine Todesdomaine und wird daher oft auch DR1 (Death Receptor 1) bezeichnet. Über ihn erfolgt eine Aktivierung des Enzyms Caspase, welche Zellbestandteile zerkleinert. Der Rezeptor DR1 (= TNF-R1) ist in praktisch allen Zelltypen des Körpers zu finden (TNF-R2 hingegen nur in Immunzellen und Endothelzellen). Um DR1 zu aktivieren, wurde rekombinantes TNF-α hergestellt. Allerdings zeigte es eine systemische Toxizität, sodass ein neuer Weg gesucht wurde. (14)Cancers (Basel). 2021 Mar 27;13(7):1543. doi: 10.3390/cancers13071543 TNF-alpha kann in einigen Fällen von Tumorzellen selbst gebildet werden, sodass nun die Anregung dieser Funktion ein Konzept darstellt. Inzwischen wurde festgestellt, dass verschiedene therapeutisch wirksame Substanzen seine Bildung anregen können, (15)Cancers (Basel). 2021 Feb 2;13(3):564. DOI: 10.3390/cancers13030564. so beispielsweise Docetaxel, welches neben seiner Mikrotubuli stabilisierenden Wirkung auch in den Caspase-Signalweg eingreift. (16)Biochem Pharmacol. 2022 Jan;195:114865. DOI: 10.1016/j.bcp.2021.114865


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Verweise

 

Literatur[+]