Gewichtsabnahme
Eine Gewichtsabnahme kann gewollt oder ungewollt sein. Wenn sie ungewollt ist, kann sie auf eine Störung der körperlichen, psychischen und/oder sozialen Gesundheit hinweisen. Die Unterscheidung ist nicht immer offensichtlich und bedarf einer genauen Untersuchung. Es muss geklärt werden, ob es sich um eine Abnahme von echter Körpermasse handelt, oder um eine Abnahme durch Flüssigkeitsverlust, z. B. durch Ausschwemmung von Ödemen. Die Messung des Gewichts sollte immer unter gleichen Bedingungen erfolgen, bei gleicher Bekleidung und nach dem Toilettenbesuch. Gelegentlich ist eine Beurteilung erst nach Beobachtung über einen längeren Zeitverlauf zuverlässig möglich.
Gewollte Gewichtsabnahme
Bei einer gewollten Abnahme von Körpergewicht muss unterschieden werden, ob ein echtes Übergewicht (erhöhter BMI) vorliegt, das gesenkt werden soll, oder eine unnatürlich niedrige Zielvorstellung verfolgt wird.
Senkung des Risikos von Herzinfarkt und Schlaganfall
Adipositas gilt als ein unabhängiger Risikofaktor für eine Arteriosklerose mit ihren Komplikationen an den verschiedenen Organen, wie Herz, Gehirn und Nieren (Herzkreislaufkrankheiten, cerebrovaskuläre Komplikationen inkl. Schlaganfall). Eine Gewichtsabnahme senkt diese Risiken.
- Der Effekt einer gewollten Gewichtsabnahme scheint einer Studie zufolge alleine auf Dauer nicht auszureichen, LDL-Cholesterin und das Risiko vaskulärer Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall bei übergewichtigen und adipösen Patienten senken zu können 1)N Engl J Med 2013; 369:145-154; auch die von der Adipositas unabhängigen Parameter müssen normalisiert werden (siehe hier).
- Die mit der Adipositas assoziierten Faktoren Hyperglykämie, Hypercholesterinämie und Hypertonie machen einen großen Teil des Risikos für Herzkreislaufkrankheiten aus. Erhebliches Übergewicht stellt zudem einen eigenständigen Risikofaktor dar. 2)Lancet. 2014 Mar 15;383(9921):970-83. Eine Senkung des erhöhten Körpergewichts hat daher für die Vorbeugung und Behandlung der koronaren Herzkrankheit und des Schlaganfalls eine erhebliche Bedeutung.
Cave: Menschen mit Adipositas sind über jede Gewichtsabnahme erfreut und können eine durch eine Krankheit, z. B. durch Krebs, entstandene Abnahme nicht rechtzeitig richtig einordnen und so eine Diagnostik verzögern.
Gewichtsreduktion übergewichtiger Kinder
Übergewicht als Kind bedeutet ein erhöhtes Risiko für einen Typ-2-Diabetes im Erwachsenenalter. Wenn aber das Gewicht vor der Pubertät reduziert werden kann, senkt sich das Risiko laut einer neuen Studie bedeutend! Wird vor einem Alter von 13 Jahren Normalgewicht erreicht, ist das Risiko eines Diabetes zwischen 30 und 60 Jahren gegenüber nicht Übergewichtigen nicht erhöht. Wird Normalgewicht erst im frühen Erwachsenenalter erreicht, ist es 1,47-fach erhöht. Wird es nicht erreicht, ist es 4,14-fach erhöht. Das Diabetesrisiko durch Übergewicht steigt offenbar erst ab der Pubertät an. 3)N Engl J Med 2018; 378:1302-1312 DOI: 10.1056/NEJMoa1713231
Ungewollte Gewichtsabnahme
Es sind verschiedene Ursachen abzuklären.
- Organische Krankheiten
- bei Appetitlosigkeit als Zeichen einer Krankheit,
- bei Tumor/Krebs (bis hin zur Tumorkachexie),
- bei Schluckstörungen (z. B. beim Oropharynxkarzinom, bei einem großen Zenker Divertikel oder bei einer Ösophagusstenose),
- bei einer chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis),
- bei Angst vor Nahrungsaufnahme bei starken Bauchschmerzen nach Mahlzeiten (z. B. bei einer Nahrungsmittelunverträglichkeit),
- bei Darmkrankheiten mit Verdauungs- und Resorptionsstörungen (Maldigestion und Malabsorption): z. B. bedingt durch
- eine Dünndarmkrankheit, z. B. bei der Sprue, einem Morbus Whipple, einem Kurzdarmsyndrom,
- eine Erkrankung der Bauchspeicheldrüse mit Verdauungsinsuffizienz (Pankreasinsuffizienz, z. B. nach Pankreasresektion oder bei chronischer Pankreatitis).
- Begleitende Gewichtsabnahme bei einer psychischen oder sozialen Störung
- im Rahmen einer Depression,
- bei Abhängigkeitserkrankungen, z. B. Alkoholabusus, Drogen (mit Unterdrückung des Hungergefühls, z. B. durch Amphetamine); dabei soziale Störung und oft Selbstvernachlässigung.
- bei Abnahme des zentral gesteuerten physiologischen Hungergefühls, z. B. im Alter.
- Therapeutisch gewollte Abnahme von eingelagerter Körperflüssigkeit (Ödeme, Aszites), z. B. bei
- Leberzirrhose,
- Herzinsuffizienz,
- Eiweißmangel: nephrotisches Syndrom, starke Unterernährung, Eiweiß-verlierende Enteropathie oder Dünndarmkrankheit (wie Coeliakie).
Unerkärte Gewichtsabnahme
Wenn Gewichtsabnahme ungewollt ist und nicht durch eine bekannte Erkrankung erklärt werden kann, sollte immer eine genaue Abklärung inklusive einer Tumorsuche erfolgen:
- Magendarmkanal: Endoskopie, Gewebeproben inkl. Biopsie der Dünndarmschleimhaut, MR-Sellink,
- Verdauungsdüsen (Pankreaserkrankung, Lebererkrankung): Sonographie, Computertomographie (CT),
- konsumierende Erkrankung inkl. Tuberkulose,
- psychische Gründe: ggf. Psychosomatiker oder Psychiater hinzuziehen.
Therapeutische Gewichtsabnahme
Eine Gewichtsabnahme bei erhöhtem BMI hat das Ziel einer Verbesserung von gesundheitlichen Risikofaktoren (z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes mellitus, Hypertonie, degenerative Wirbelsäulen- und Gelenkveränderungen, Refluxkrankheit). Folgende Maßnahmen können zielführend sein:
- Reduktionskost (z. B. Anleitung und Kontrolle durch Weight Watchers, siehe dazu unter Ernährung bei Adipositas) plus erhöhte körperliche Bewegung,
- medizinische Maßnahmen durch
- Medikamente (z. B. Hemmer der Fettverdauung wie Orlistat, Appetitzügler wie das früher zugelassene Sibutramin), Flohsamenschalen,
- Magenballon,
- operative Methoden (Fettabsaugung, Resektion von Fettschürzen, bariatrische Chirurgie).
Neue Entwicklung: Der Mediatorstoff Interleukin 27 (IL-27) schützt im Tiermodell vor Fettsucht und reduziert die bei Adipositas mangelhafte Wirksamkeit von Insulin (Insulinresistenz). Auch Menschen mit starkem Übergewicht haben einen niedrigen IL-27-Spiegel. Er steigt nach einer gewichtsreduzierenden (bariatrischen) Magenoperation wieder an. Nun wird vermutet, dass Il-27 ein neuer therapeutischen Ansatz sein könnte. Es fördert die Umwandlung von Energie in Wärme (Thermogenese); der Körper verbrennt vermehrt Fett. Das passiert in einem speziellen Fettgewebe des Körpers, dem braunen und beigen Fett. 4)Nature. 2021 Nov 24. DOI: 10.1038/s41586-021-04127-5. Epub ahead of print. PMID: 34819664.
Verweise
Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).
Literatur
⇧1 | N Engl J Med 2013; 369:145-154 |
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⇧2 | Lancet. 2014 Mar 15;383(9921):970-83. |
⇧3 | N Engl J Med 2018; 378:1302-1312 DOI: 10.1056/NEJMoa1713231 |
⇧4 | Nature. 2021 Nov 24. DOI: 10.1038/s41586-021-04127-5. Epub ahead of print. PMID: 34819664. |