Die menschliche Hautfarbe

Artikel aktualisiert am 26. Oktober 2023

Die menschliche Hautfarbe gehört zu den wesentlichsten äußerlichen Kennzeichen, mit denen wir Menschengruppen unterscheiden. Nach Schätzungen sind über 5,4 Milliarden Menschen unterschiedlich farbig und etwa 3,6 Milliarden weiß, wobei auch sie in unterschiedlicher Weise auf Sonneneinstrahlung mit Bräunung reagieren. (1)Am J Biol Anthropol . 2023 Feb;180(2):252-271. doi: 10.1002/ajpa.24564. Die Bräunung oder Dunkelfärbung der Haut wird durch das Pigment Melanin hervorgerufen, welches von spezialisierten Zellen, den Melanozyten, gebildet wird. Die Pigmentierung der Haut bietet Schutz des Erbguts gegen schädliche Sonnenstrahlung, führt jedoch auch zu einer Minderung der Verfügbarkeit von Vitamin D (25-OH-Vitamin D). Die unterschiedlichen Hautfarben verschiedener ethnischer Gruppen spiegeln die jeweiligen klimatischen Bedingungen wider, denen sie im Rahmen der Wanderbewegungen früher Vorfahren ausgesetzt waren.


Melanin und Melanozyten

Das Pigment, welches die dunkle menschliche Hautfarbe hervorruft, ist Melanin. Es kommt in 2 Formen vor: „Eumelanin“ erzeugt dunkle Braun- und Schwarztöne, „ Phäomelanin“ helle rötlich-braune Töne. Beide Melanine wirken entweder allein oder zusammen, so dass verschieden abgestufte Hautfarben entstehen. Die Bildung der Melanine erfolgt in Melanozyten. Dies sind spezialisierte Zellen, die eingestreut in der untersten Schicht der hornbildenden Hautschicht (Epidermis) liegen. Sie geben das Pigment an die benachbarten Hautzellen (Keratinozyten) ab, so dass die gesamte Oberhaut eingefärbt wird. Die pigmentierten Keratinozyten wandern durch Nachproduktion, die in der untersten teilungsfähigen Epidermisschicht erfolgt, zur Oberfläche, verhornen dabei und schilfern schließlich ab. Während dieser Zeit schützen sie die unter ihnen liegenden Hautzellen effektiv vor den schädlichen Strahlen der Sonne.

Der Melaninschutz verhindert vor allem DNA-Brüche, die Zerstörung der photosensiblen Folsäure und Hautkrebs. Melanin vermindert jedoch auch die von Sonneneinstrahlung abhängige Bildung von D-Hormon aus Vitamin D in der Haut (durch Hydroxylierung von Vitamin D an C25). Dies hat in sonnenreichen Regionen der Welt keine nachteiligen Auswirkungen, führt in sonnenärmeren nördlichen Zonen jedoch zu einem deutlichen bis ausgeprägten Mangel an D-Hormon (25-Hydroxyvitamin D). (2)N Engl J Med. 2013 Nov 21;369(21):1991-2000. DOI: 10.1056/NEJMoa1306357 Daraus folgen wiederum weitere gesundheitliche Risiken. In einer Untersuchung wurde bei afroamerikanischer Bevölkerung  beispielsweise ein 25(OH)D-Spiegel von 16 ng/ml, bei weißer Bevölkerung dagegen von 26 ng/ml festgestellt. (3)J Am Med Dir Assoc. 2010 Nov;11(9):617-28. DOI: 10.1016/j.jamda.2010.03.013

Genetische Grundlagen

Die genetische Grundlage der Hautpigmentierung ist komplex. Es werden etwa 170 Gene mit einem Einfluss auf die Hautfarbe gezählt, wobei auch Einflüsse durch die Lebensweise und durch Umweltfaktoren bekannt sind. Ein Gen mit großer Auswirkung auf die Hautfarbe ist SLC24A5, welches durch neolithische Farmer vor 40000 Jahren nach Westeuropa gebracht wurde. Andere Gene von größerer Bedeutung sind SLC45A2, TYR, APBA2/OCA2, HERC2, IFR4, MC!R, ASIP und DDB1. (4)Proc Natl Acad Sci U S A. 2021 Jan 5;118(1):e2009227118. DOI: 10.1073/pnas.2009227118 (5)Am J Biol Anthropol . 2023 Feb;180(2):252-271. DOI: 10.1002/ajpa.24564

Das geschwindigkeitsregulierende Enzym der Melaninsynthese ist die kupferhaltige Tyrosinase (codiert durch das TYR-Gen). Es bildet das Pigment Melanin durch Oxidation der Aminosäure Tyrosin. Das TYR-Allel rs2733832 ist mit einer helleren Hautpigmentierung assoziiert. Ein Defekt des Gens ist eine der Ursachen für Albinismus (unpigmentierte Haut). Verschiedene Pflanzenstoffe (einige Flavonoide und Stilbenoide) hemmen das TYR-Gen und bewirken eine Hautaufhellung. (6)International Journal of Molecular Sciences. 10 (6): 2440–75 Dies wird von der kosmetischen Industrie ausgenutzt.

Hormonelle Regulation der Hautfarbe

Die Bräunung der Haut bei vermehrter Sonneneinwirkung erfolgt über verschiedene Mechanismen, von denen MSH, das „Melanozyten stimulierende Hormon“ der wichtigste ist. (7)FASEB J. 2003 Nov;17(14):2154-6. doi: 10.1096/fj.03-0206fje MSH wird nicht nur, wie früher geglaubt, in der Hypophyse, sondern auch in Hautzellen gebildet. (8)J Investig Dermatol Symp Proc. 1997 Aug;2(1):87-93. doi: 10.1038/jidsymp.1997.17 Voraussetzung für seine Wirkung sind spezielle Rezeptoren, die als MC1R abgekürzt werden). Das MC1R-Gen ist variantenreich, und einige seiner Varianten sind mit roten Haaren, heller Haut und schlechter Bräunungsfähigkeit verbunden. MSH fördert die Melaninbildung und zusätzlich das Überleben der Melanozyten, indem es die UV-induzierte Selbstzerstörung (Apoptose) dieser Zellen hemmt. Wenn die MSH-Rezeptoren verändert (mutiert) sind, fällt der Überlebenseffekt der Melanozyten weg und das Risiko von schwarzem Hautkrebs (Melanomen) steigt. (9)Ann N Y Acad Sci. 2003 Jun;994:359-65. doi: 10.1111/j.1749-6632.2003.tb03200.x (10)Arch Biochem Biophys. 2014 Dec 1;563:4-12. doi: 10.1016/j.abb.2014.07.002

Menschliche Hautfarbe und „Rasse“

Die Hautfarbe wurde seit Jahrhunderten mit dem Begriff „Rasse“ verknüpft. Er wurde erstmals während der Zeit des Sklavenhandels nach Amerika (ab dem 16. Jahrhundert) zur Begründung ihrer Rechtmäßigkeit wegen angeblicher Minderwertigkeit schwarzer Menschen eingeführt und im Dritten Reich zur Rechtfertigung des Holocaust verwendet. In Europa ist er inzwischen gebrandmarkt; er lebt im Begriff „Rassismus“ weiter. In wissenschaftlichen Publikationen vor allem aus den USA wurde er noch lange und wird vereinzelt noch jetzt verwendet. Die genetische Grundlage der Hautfarbe ist wie die des Immunsystems sehr komplex. Die nicht ins Auge fallende Verschiedenartigkeit des Immunsystems wurde jedoch, anders als die sichtbare Hautfarbe, nie als Kriterium zur Einordnung von Menschen nach „Rassen“ verwendet. Die menschliche Hautfarbe als Grundlage zu nehmen, wird wissenschaftlich abgelehnt. Es wird der Begriff Ethnizität verwendet, wenn es um Eigenschaften und Vergleiche von Gruppen und Untergruppen geht. (11)Front Public Health. 2021 Sep 7;9:689462. DOI: 10.3389/fpubh.2021.689462 (12)Am J Phys Anthropol. 2021 Jun;175(2):437-447. DOI: 10.1002/ajpa.24200 (13)Skin Pharmacol Physiol . 2022;35(2):65-76. DOI: 10.1159/000518826 .

Evolution der Hautfarbe

Die menschliche Hautfarbe ist polygenetisch bestimmt und unterliegt einer hohen Variabilität durch unterschiedliche Kombinationen in der genetischen Vielfalt und durch hohe Mutagenität. Damit konnte sich die Hautfarbe den jeweils vorherrschenden Bedingungen in der Evolution verhältnismäßig rasch anpassen. (14)Am J Biol Anthropol . 2023 Feb;180(2):252-271. DOI: 10.1002/ajpa.24564 .

Vitamin-D-Folat-Hypothese

Zwei Hauptmechanismen haben im Laufe der Evolution zur Entwicklung der menschlichen Hautfarbe beigetragen: Mechanismen zum Schutz der photosensiblen Folsäure und die von uv-Strahlung abhängige Synthese des D-Hormons aus Vitamin D in der Haut. Diese Mechanismen werden als „Vitamin-D-Folat-Hypothese“ zusammengefasst.

  • Vitamin D ist ein Prohormon; aus ihm wird durch UVB-Bestrahlung der Haut das D-Hormon, welches über Signalwege verschiedene Organe und Stoffwechselwege beeinflusst, insbesondere die Kalzium-Homöostase und das Immunsystem (siehe hier).
  • Die energiereiche UVB-Bestrahlung führt zu einer Zerstörung des photosensiblen Folats, welches für die Bildung z. B. von Kernmaterial (DNA) nötig ist (siehe hier).

Ausgangspunkt für die Dunkelfärbung der Haut vor etwa 100000 Jahren war laut heutiger Auffassung die Eroberung neuer Lebensräume in mehr äquatorialen Zonen durch menschliche Vorfahren. Um sich rascher und ausdauernder auf dem Boden fortbewegen zu können, kam es zu einem Fellverlust zugunsten einer besseren Wärmeabfuhr durch Schwitzen. Die Haut war damit schutzlos der schädigenden Sonnenstrahlung ausgesetzt. Um den Folsäurebestand der Haut vor Zerfall zu schützen, erfolgte laut gängiger Hypothese eine evolutionäre Anpassung, indem sich durch Erfindung der Hautpigmentierung eine schwarze Hautfarbe entwickelte. Die spätere Auswanderung der frühen Menschen aus Zentralafrika in gemäßigte nördliche Zonen mit geringerer Sonneneinstrahlung vor etwa 40000 Jahren erforderte dagegen eine erneute Selektion hellerer Haut, um einen Vitamin-D-Mangel zu vermeiden. (15)Am J Biol Anthropol . 2023 Feb;180(2):252-271. DOI: 10.1002/ajpa.24564 (16)Hereditas . 2017 Jun 15;155:1. doi: 10.1186/s41065-017-0036-2. Vor allem Mutationen in 4 Genloci sollen dafür verantwortlich gewesen sein: SLC24A5, SLC45A2, TYR und APBA2/OCA2. (17)Proc Natl Acad Sci U S A . 2021 Jan 5;118(1):e2009227118. DOI: 10.1073/pnas.2009227118 . Menschen mit dunkler Hautfarbe leiden in sonnenärmeren Gegenden der Welt häufiger unter Vitamin-D-Mangel als Menschen mit heller Hautfarbe (92% vs. 61%). (18)Curr Rheumatol Rep. 2008 Apr;10(2):110-7. DOI: 10.1007/s11926-008-0020-y

Sonnenhunger

Ein Sonnenbad führt zu einem Wohlfühleffekt und zu weiterem Sonnenhunger („sun seeking behavior“). Der Wohlfühleffekt wird als evolutionäre Anpassung angesehen, der gegen einen D-Hormon-Mangel gerichtet ist. Einzelne Menschen übertreiben dies erheblich, so dass von einem suchtartigen Verhalten („sun-seeking addictive behavior“) gesprochen wird.

Inzwischen kennt man die biochemischen Grundlagen. Die basalen Zellen der Epidermis (Keratinozyten), deren DNA durch Sonnenlicht geschädigt werden, produzieren zu ihrem Schutz nicht nur α-MSH (α-Melanocyten-stimulierendes Hormon), sondern auch das Opioid ß-Endorphin, das für den Wohlfühleffekt verantwortlich gemacht wird. Bei einer entsprechenden Suchtbereitschaft kann ß-Endorphin Auslöser eines überschießenden, suchtartigen Sonnenhungers sein. Übermäßige kurzwellige Sonneneinwirkung erhöht jedoch das Risiko für schwarzen Hautkrebs (Melanom). (19)Pigment Cell Melanoma Res. 2019 Mar;32(2):224-236. DOI: 10.1111/pcmr.12726 (20)Pigment Cell Melanoma Res. 2020 Mar;33(2):383. doi: 10.1111/pcmr.12822. PMID: 32064762


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Verweise

 

 

Literatur

Literatur
1 Am J Biol Anthropol . 2023 Feb;180(2):252-271. doi: 10.1002/ajpa.24564.
2 N Engl J Med. 2013 Nov 21;369(21):1991-2000. DOI: 10.1056/NEJMoa1306357
3 J Am Med Dir Assoc. 2010 Nov;11(9):617-28. DOI: 10.1016/j.jamda.2010.03.013
4 Proc Natl Acad Sci U S A. 2021 Jan 5;118(1):e2009227118. DOI: 10.1073/pnas.2009227118
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