Übergewicht und Zuckerkrankheit: Basics

Artikel aktualisiert am 17. Februar 2024


Allgemeines

Starkes Übergewicht und Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) stehen über das metabolische Syndrom (Syndrom X) miteinander in enger Verbindung. Zugrunde liegt eine komplexe Störung des Zucker- und Fettstoffwechsels. Mit ihr verbunden ist ein stark erhöhtes Risiko für Herzkreislauferkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Alle erfordern eine grundlegende Umstellung des Lebensstils.

Diabetisches Spätsyndrom
Adipositas

Essentials

Metabolisches Syndrom, Adipositas und Diabetes sind drei über Hormone und Mediatorstoffe eng miteinander verknüpfte Krankheitskonzepte, die sich gegenseitig fördern und auf dieselben Folgekrankheiten hinauslaufen.

Gemeinsames: Dem metabolischen Syndrom liegen Stoffwechselstörungen zugrunde, die den Zucker- und Fettstoffwechsel auf Dauer verändern. Starkes Übergewicht, die Adipositas, erhöht eine allgemeine Entzündungsbereitschaft und fördert eine Insulinresistenz der Körperzellen, was wiederum das Risiko für die Entwicklung von Diabetes und eine Verfettung und Entzündung von Organen erhöht. Das Risiko eines sich entwickelnden Diabetes lässt sich in der Frühphyse durch einen Blutzuckerbelastungstest erkennen.

Folgen und Risiken: Alle drei Syndrome bzw. Krankheitsaspekte bedeuten ein erheblich erhöhtes Risiko für

  • kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Durchblutungsstörungen der Beine,
  • neurologische Funktionsstörungen, Nervenschäden und Demenz,
  • Organstörungen, wie eine Nierenfunktionsstörung (Niereninsuffizienz), eine Fettleberkrankheit oder eine Sehstörung durch Schädigung der Augen,
  • die Entstehung verschiedener Tumore,
  • die epigenetische Fixierung und Weitergabe als Veranlagung an die Kinder.

Was man frühzeitig tun sollte: Eine ganzheitliche Herangehensweise, die auf eine gesunde Ernährung, körperliche Aktivität und Gewichtskontrolle abzielt, ist von entscheidender Bedeutung, um das Auftreten und die Auswirkungen von Diabetes, Adipositas und dem metabolischen Syndrom zu reduzieren. Durch frühzeitige Identifizierung, Prävention und individuell angepasste Behandlungsstrategien lässt sich das Risiko für diese Erkrankungen effektiv reduzieren und die allgemeine Gesundheit und Lebensqualität verbessern.

Was man noch tun kann, um vor allem die kardiovaskulären Risiken in Schach zu halten? Nicht rauchen!

 


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Metabolisches Syndrom und seine Komponenten

Das metabolische Syndrom umfasst eine Kombination verschiedener genetischer, epigenetischer und erworbener Risikofaktoren für eine Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) und Herzkreislaufkrankheiten. Zu den Hauptrisikofaktoren gehören

Diese Faktoren tragen zur Entstehung einer Atherosklerose bei, die wiederum Durchblutungsstörungen durch Verengung von kleinen und großen Blutgefäßen hervorruft. Verstärkend wirken mangelnde körperliche Bewegung und eine ungesunde Ernährung.

Solche Risikofaktoren sammeln sich bereits vor der Geburt durch eine ungesunde Lebensweise der Mutter an und werden auf verschiedene Weise (insbesondere epigenetisch) in die nächste Generation weitergegeben.

Damit ist das metabolische Syndrom eine sehr komplexe, den gesamten Körper in praktisch allen seinen Funktionen betreffende und das gesamte Leben und sogar die nächsten Generationen beeinflussende Stoffwechselstörung. Sie kann nur durch eine rigorose und andauernde Umstellung der Lebensweise bekämpft und unterbrochen werden.

Das auffälligste Zeichen für ein hohes Risiko für ein metabolisches Syndrom ist deutlich erhöhtes Übergewicht. Wer sein Gewicht nicht mehr unter Kontrolle bringen kann, ist hochgradig gefährdet, dass sich über Zwischenstufen eine Zuckerkrankheit (Diabetes) mit allen ihren Folgen entwickelt.

Metabolisches Syndrom
Lebensstil

Insulinresistenz und Prädiabetes

Das metabolische Syndrom bedeutet ein außerordentlich hohes Risiko für die Entwicklung einer Zuckerkrankheit. Erstes Stadium ist der Prädiabetes. Anfangs sind dabei die morgendlichen Blutzuckerwerte noch völlig normal. Dennoch kann die Wirkung des körpereigenen Insulins bereits unzureichend sein. Dies lässt sich durch einen Blutzuckerbelastungstest einfach nachweisen. Ist er krankhaft verändert (pathologisch), beginnen bereits Veränderungen am Herzkreislaufsystem, die viele Jahre später zu Komplikationen an verschiedensten Organen und Geweben, zum „diabetischen Spätsyndrom“, führen. Es kommt zu Durchblutungsstörungen (Angiopathie großer und kleiner Blutgefäße) überall im Körper und zu Störungen der Nervenfunktionen (Neuropathie) mit ihren Folgen.

Diese Spätfolgen sind nicht mehr rückgängig zu machen.

Daher ist es so wichtig, das Vorliegen eines metabolischen Syndroms oder spätestens das frühe Stadium eines Prädiabetes rechtzeitig zu erkennen und eine Behandlung einzuleiten. Leider haben viele Menschen in diesem Stadium noch nicht die Einsicht in die Notwendigkeit solcher frühzeitiger und so drastischer Maßnahmen, die den gesamten Lebensstil umfassen.

Prädiabetes
Insulinresistenz: einfach erklärt

Diabetes und Folgeschäden

Die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), insbesondere ihr Typ 2 (der „Erwachsenen-Typ“), steht in einem engen Zusammenhang mit dem metabolischen Syndrom. Bei ihm liegt eine bereits tiefgreifend gestörte Regulation des Blutzuckerspiegels vor.

Die Blutzuckerspiegel sind nicht mehr nur nach den Mahlzeiten, sondern nun auch schon im nüchternen Zustand über die normalen Werte hinaus erhöht; sie können durch das körpereigene Insulin nicht mehr in den Normbereich gesenkt werden. Dies beruht auf

  • einer inzwischen ausgeprägten Insulinresistenz der Körperzellen, vor allem der Muskulatur und des Fettgewebes, und zudem auf
  • einer abnehmenden und schließlich mangelhaften Insulinproduktion.

Die ständig erhöhten Blutzuckerwerte schädigen die Blutgefäße im Körper erheblich, es entwickelt sich eine Gefäßstörung (diabetische Angiopathie). Dadurch können bald an vielen Organen kritische Durchblutungsstörungen auftreten.

Folgen einer diabetischen Angiopathie

Folgen sind beispielsweise

Alle diese Folgen sind vermeidbar, wenn Menschen, die durch Übergewicht und familiäre Belastung gefährdet sind, noch vor Entstehung eines Prädiabetes die Lebensweise anpassen.

Diabetisches Spätsyndrom
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Adipositas und Entzündungen

Es gibt zwar unter stark Übergewichtigen auch metabolisch Gesunde (1)Curr Obes Rep. 2020 Jun;9(2):109-120. doi: 10.1007/s13679-020-00375-0, oft aber entwickelt sich ein metabolisches Syndrom (2)Nature. 2006 Dec 14;444(7121):881-7. DOI: 10.1038/nature05488., eine Fettleber und eine verfettete Bauchspeicheldüse. (3)Dig Dis Sci. 2022 Jan;67(1):26-41. doi: 10.1007/s10620-021-06824-7

Das Fettgewebe, insbesondere das vermehrte Bauchfett, produziert verschiedene Substanzen (Hormone und Mediatorstoffe), die stoffwechselaktiv sind und allgemein entzündungsfördernd wirken. Diese Mediatoren fördern eine Leberentzündung (eine Fettleberhepatitis), eine Bauchspeicheldrüsenentzündung (eine Pankreatitis) und arteriosklerotische Wandveränderungen an Blutgefäßen. Sie hemmen die Wirkung von Insulin an den Körperzellen (siehe unter Insulinresistenz) und fördern die Entwicklung einer Zuckerkrankheit. (4)Eur Cytokine Netw. 2006 Mar;17(1):4-12. PMID: 16613757

Die Zusammenhänge zu entschlüsseln ist für die Entwicklung vorbeugender und therapeutischer Ansätze von großer Bedeutung.

Adipositas
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Prävention drohender Komplikationen

Um drohende Stoffwechselkomplikationen eines metabolischen Syndroms zu vermeiden, ist eine ganzheitliche Herangehensweise entscheidend. Folgende Ansätze müssen gemeinsam verfolgt werden:

  • eine gesunde Ernährung,
  • regelmäßige körperliche Aktivität und
  • eine Gewichtskontrolle bzw. eine Gewichtsreduktion.

Eine ausgewogene Ernährung, die reich an Ballaststoffen, Obst, Gemüse und gesunden Fetten ist, muss auf die Notwendigkeit einer Gewichtsreduktion und gleichzeitig einer Bereitstellung erforderlicher Basisnährstoffe  abgestimmt werden. Dazu kann eine Ernährungsberatung hilfreich sein.

Eine gesunde Ernährung (mit entzündungshemmenden Ernährungsmuster: z. B. Mittelmeerdiät) und eine deutliche Erhöhung der körperlichen Aktivität wirken sich vielfältig und nachhaltig günstig aus. (5)Front Endocrinol (Lausanne). 2023 May 8;14:1104441. DOI: 10.3389/fendo.2023.1104441 (6)Nutr Metab Cardiovasc Dis. 2021 Sep 22;31(10):2870-2886. doi: 10.1016/j.numecd.2021.06.015 (7)J Cell Physiol. 2019 May;234(5):5807-5826. doi: 10.1002/jcp.27506 Gewichtsverlust verringert die Insulinresistenz und die Konzentration der Entzündungsmediatoren. (8)Med Hypotheses. 2006;67(4):879-91. doi: 10.1016/j.mehy.2006.04.008.

Ein wichtiger Aspekt ist die Vermeidung von industriell hochverarbeiteten Lebensmitteln (ultra-processed food), von Lebensmitteln und Getränken mit hohem Zuckeranteil und von Süßigkeiten. Sie strapazieren das Belohnungssystem des Gehirns und fordern Nachschub, dem besonders Kinder nicht widerstehen können. (9)Children (Basel). 2023 Apr 29;10(5):804. DOI: 10.3390/children10050804

Gesunde Ernährung
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Was also zu empfehlen ist

Um das metabolische Syndrom frühzeitig zu erkennen und interventionelle Maßnahmen zu ergreifen zu können, sollten Screening-Programme angeboten und wahrgenommen werden. Eine frühzeitige Identifizierung und Behandlung von Risikofaktoren wie Adipositas, Insulinresistenz und Bluthochdruck kann das Risiko für die Entwicklung von Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen erheblich verringern.

Um den Blutzuckerspiegels einzuregulieren, ist zunächst einmal seine regelmäßige Überwachung, die Einhaltung der individuellen Ernährungsempfehlungen und der ärztlich angesetzten medikamentösen Therapie erforderlich. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Patienten, Ärzten und Ernährungsberatern ist notwendig, um eine individuell angepasste Behandlungsstrategie zu entwickeln und eine regelmäßige Befolgung zu garantieren.

Um das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen zu verringern, sollten Bluthochdruck und abnorme Blutfettwerte kontrolliert eingestellt werden. Dies kann erreicht werden durch

  • eine gesunde, ballaststoffreiche Ernährung (z. B. eine Mittelmeerdiät) und die Vermeidung hochverarbeiteter Lebensmittel (ultra-processed food).
  • regelmäßige körperliche Aktivität und
  • gegebenenfalls die Einnahme von blutdruck- und fettsenkenden Medikamenten.

Um das Gewicht bei Adipositas ausreichend zu reduzieren, sind diätetische und medikamentöse Maßnahmen alleine oft nicht ausreichend. In besonders hartnäckigen Fällen ist eine gewichtsreduzierende Operation (bariatrische Operation) eine aussichtsreiche Option, die viele Lebensjahre retten kann.

Was zu tun ist

Alarmzeichen: Erhöhtes Körpergewicht, vor allem ein vermehrter Bauchumfang, erhöhte Blutfettwerte, erhöhte Entzündungsparameter sowie eine schon früh durch einen Blutzuckerbelastungstest nachweisbare Insulinresistenz sind Alarmzeichen und sollten unter Kontrolle gebracht werden.

Alarmzeichen sollten Anlass sein, um den Zuckerstoffwechsel zu kontrollieren, wobei der „Nüchternblutzucker“ und ggf. der Blutzuckerbelastungstest für das weitere Vorgehen ausschlaggebend sind. Unter den Laborwerten können die Fettwerte oft ebenfalls früh erhöht sein. Weitere erhöhte Laborwerte (Leberwerte, Nierenwerte, Entzündungswerte …) und ein erhöhter Blutdruck weisen meist auf ein über einen Prädiabetes hinausgehendes Stadium hin.

Ganzheitliche und langfristige Strategie: Die klinischen Befunde und die Laborwerte bestimmen zusammen mit der Anamnese der Lebensweise die weitere Strategie. Um die Entwicklung von der früh nachweisbaren Insulinresistenz zu den diabetischen Spätfolgen zu unterbrechen, ist eine ganzheitliche Herangehensweise erforderlich. Nach Feststellung eines frühen metabolischen Syndroms ist eine langfristige Behandlungsstrategie auszuarbeiten. Grundpfeiler sind eine gesunde Ernährung, körperliche Aktivität und Gewichtskontrolle. Was man noch tun kann, um die kardiovaskulären Risiken zu senken? Nicht rauchen!

Ziel ist eine frühzeitige individuell angepasste Behandlungsstrategie. Letztendlich geht es um eine Rücknahme der mit dem Stoffwechselungleichgewicht verbundenen Senkung der Gesundheitsrisiken und der lebenswerten Lebenszeit.


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Verweise

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Literatur

Literatur
1Curr Obes Rep. 2020 Jun;9(2):109-120. doi: 10.1007/s13679-020-00375-0
2Nature. 2006 Dec 14;444(7121):881-7. DOI: 10.1038/nature05488.
3Dig Dis Sci. 2022 Jan;67(1):26-41. doi: 10.1007/s10620-021-06824-7
4Eur Cytokine Netw. 2006 Mar;17(1):4-12. PMID: 16613757
5Front Endocrinol (Lausanne). 2023 May 8;14:1104441. DOI: 10.3389/fendo.2023.1104441
6Nutr Metab Cardiovasc Dis. 2021 Sep 22;31(10):2870-2886. doi: 10.1016/j.numecd.2021.06.015
7J Cell Physiol. 2019 May;234(5):5807-5826. doi: 10.1002/jcp.27506
8Med Hypotheses. 2006;67(4):879-91. doi: 10.1016/j.mehy.2006.04.008.
9Children (Basel). 2023 Apr 29;10(5):804. DOI: 10.3390/children10050804