Ferroptose – ein Mechanismus des regulierten Zelltods
Die Ferroptose ist eine Form des Zelltods, der nicht programmiert (nichtapoptotisch), aber reguliert ist, und bei dem Eisen die Ausschlag gebende Rolle spielt. Sie spielt eine bedeutende Rolle bei der Aufrechterhaltung der Gesundheit des Körpers durch Elimination kranker Zellen.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Das Wichtigste verständlich
- 2 Mechanismus
- 3 Oxidativer Stress führt zur Lipidperoxidation
- 4 Apoptotischer und nicht-apoptotischer Zelltod
- 5 Mechanismen der Ferroptose
- 6 Ausbreitung einer Ferroptose
- 7 Marker einer Ferroptose
- 8 Auswirkungen einer vermehrten Ferroptose
- 9 Entwicklung von Medikamenten
- 10 Verweise
Das Wichtigste verständlich
Kurzgefasst |
Die Ferroptose ist einer der Mechanismen, mit denen eine nicht reparierbare Zelle ihren eigenen Tod durch Auflösung herbeiführt. Eine Eisenakkumulation steht am Anfang.
In Mitochondrien führt Eisen zu einer Freisetzung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) und zu oxidativem Stress. Der wiederum setzt eine ungebremste Lipidperoxidation in Gang, die durch Genaktivierung beschleunigt abläuft, und die schließlich die Zellmembranen und damit die gesamte Zelle tiefgreifend schädigt. Dies betrifft vor allem Zellen, in denen das sorgsam aufrecht erhaltene Gleichgewicht zwischen oxidativem Stress und antioxidativen Mechanismen in Richtung oxidativem Stress verschoben ist. Eine erhöhte Ferroptose führt zu einer Schwächung der Immunabwehr und wird bei einigen Infektionen und bösartigen Tumoren gefunden. Mechanismen, wie die Ferroptose, tragen zur Gesunderhaltung des Körpers, insbesondere zur Unterdrückung von Tumoren bei. Erhöhter oxidativer Stress und eine verminderte Wirksamkeit der Ferroptose stehen umgekehrt in engem Zusammenhang mit Krebsentstehung. (1)MedComm (2020). 2023 May 22;4(3):e267. doi: 10.1002/mco2.267 |
→ Auf facebook informieren wir Sie über Neues und Interessantes.
→ Verwalten Sie Ihre Laborwerte mit der Labor-App Blutwerte PRO – mit Lexikonfunktion.
Mechanismus
Der ferroptotische Zelltod erfolgt über zwei Wege, einen, der von außen angestoßen wird, und einen, der von innen angestoßen wird. Der von außen induzierte Weg ist abhängig von Transportmechanismen in der Zellmembran („extrinsic „oder „transporter-dependent pathway“), und der innere wird von Enzymen getriggert („intrinsic“ oder „enzyme-regulated pathway“).
Von zentraler Bedeutung für die zelltötende Funktion ist ein im Zellinneren auftretendes Ungleichgewicht zwischen oxidativer Belastung und antioxidativer Kapazität. Der Gleichgewichtsprozess wird durch die Glutathionperoxidase 4 (GPX4, Lipidreparaturenzym) gesteuert.
Induziert wird die Ferroptose durch Hemmung der Cysteinaufnahme, einen Cystinmangel oder eine Inaktivierung Glutathionperoxidase 4 (GPX4). Begünstigt wird sie durch chemische oder mutationsbedingte Hemmung des Cystin/Glutamat-Antiporters. Letztlich kommt es zu einer Akkumulation reaktiver Sauerstoffspezies (ROS). (2)Biochim Biophys Acta Gen Subj. 2017 Aug;1861(8):1893-1900. DOI: 10.1016/j.bbagen.2017.05.019 Gefördert wird sie durch die Autophagie, die einen Abbau von Ferritin induziert und zur Eisenfreisetzung führt. (3)Autophagy. 2016 Aug 2;12(8):1425-8. doi: 10.1080/15548627.2016.1187366 Eine gestörte oder überforderte Autophagie (Mechanismus der Mitochondrien- und Zellreparatur) fördert den ferroptotischen Tod. (4)Cell Chem Biol. 2020 Apr 16;27(4):420-435. DOI: 10.1016/j.chembiol.2020.02.005
Oxidativer Stress führt zur Lipidperoxidation
Die Fähigkeit einer Zelle, mit oxidativem Stress fertigzuwerden, wird einerseits durch redox-active Enzyme bestimmt, die freie Radikale und Lipidoxidationsprodukte produzieren und andererseits durch solche, die sie detoxifizieren können. Dabei spielen zwei Schaltstellen, die Aktivität der Glutathionperoxidase 4 und ACSL4, eine zentrale Rolle. (5)Nat Chem Biol. 2017 Jan;13(1):91-98. doi: 10.1038/nchembio.2239.
Die Regulation dieser Prozesse kann durch multiple Faktoren gestört werden, so dass die antiferroptotische Abwehrkraft der Zellen die ROS-Störfaktoren nicht mehr beherrschen können. Für die bedarfsgerechte Regulation der antiferroptotischen Kapazität spielen genetische und epigenetische Einflüsse und solche, die bei der Transskription und Translation angreifen, eine Rolle.
Bei der Hochregulierung der anti-ferrroptotischen Abwehr kommt den Transkriptionsfaktoren NFE2L1 und NFEL2 (nuclear factor erythroid-2-related factors 1 and 2) eine besondere Bedeutung zu. (6)Proc Natl Acad Sci U S A. 2022 Mar 15;119(11):e2118646119. doi: 10.1073/pnas.2118646119
Apoptotischer und nicht-apoptotischer Zelltod
Der programmierte Zelltod (Apoptose) ist ein zentraler Mechanismus, über den der Körper nicht reparierbare Zellen aus dem Verkehr zieht. Er ist bei vielen Krebsarten gestört, so dass die atypischen Zellen weiterleben und sich vermehren können, statt sich selbst zu eliminieren.
Neben der Apoptose gibt es verschiedene nicht-apoptotische Wege, die zum Zelltod führen können. Zu ihnen zählen
- die Ferroptose (Zelltod durch über Eisen ausgelöste Lipidperoxidation),
- die Pyroptose (Induktion des Zelltods durch Entzündungsprozesse: wirksam über IL-1ß, IL-18 und Gasdermin (7)J Exp Clin Cancer Res. 2021 Jul 1;40(1):219 DOI: 1186/s13046-021-01959-x ) und
- die Nekroptose (ebenfalls ein durch Entzündungsmediatoren ausgelöster Weg des Zellsuizids).
Diese Mechanismen setzen immunogenen Zellinhalt frei, zu denen DAMPs (damage-associated molecular patterns) und entzündliche Zytokine wie Interleukin-1β (IL-1β) gehören. (8)Cell Death Differ. 2019 Jan;26(1):99-114. doi: 10.1038/s41418-018-0212-6
→ Apoptose
Mechanismen der Ferroptose
Eisen spielt eine Hauptrolle, worauf der Namensteil ferro- hindeutet. Eisen fördert in den Mitochondrien die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) und erhöht damit den oxidativen Stress in den Organellen. Die Mitochondrien formen sich elektronenmikroskopisch erkennbar um, schrumpfen, werden plump und verlieren typischerweise ihre Cristae.
Durch ROS kommt es zum DNA-Stress und zu einer metabolischen Umprogrammierung in Richtung Lipidperoxidation, die schließlich zum Tod der Zelle führt. (9)Proc Natl Acad Sci U S A. 1998 Sep 15;95(19):11113-6. DOI: 10.1073/pnas.95.19.11113 Die Lipidperoxidation ist ein Stoffwechselprozess, bei dem reaktive Sauerstoffspezies (ROS) mehrfach ungesättigte Fettsäuren in den Zellmembranen oxidieren, was zu einer Versteifung und Behinderung von Transportprozessen führt. Endprodukte der Lipidperoxidation, wie Malondialdehyd, können zudem mutagen und krebserregend sein. (10)Mutat Res. 1999 Mar 8;424(1-2):83-95. DOI: 10.1016/s0027-5107(99)00010-x
Ausbreitung einer Ferroptose
Eine in einer Zelle auftretende Ferroptose kann sich auf benachbarte Zellen ausbreiten. Die Zellen bilden Ferroptose-Aktivatoren, von denen Erastin und rsl3 das antioxidative System hemmen. (11)Onco Targets Ther. 2020 Jun 11;13:5429-5441. doi: 10.2147/OTT.S254995 Die dadurch zunehmende intrazelluläre Eisenakkumulation führt zu einer übermäßigen ROS-Erzeugung, wodurch die Lipidperoxidation gefördert wird. Nur Eisen (nicht aber andere Metalle wie Zink, die auch die ROS produzieren) hat Fähigkeit, eine Ferroptose auszulösen.
Marker einer Ferroptose
Als Marker können Enzyme dienen, die für den ferroptotischen Weg des Zelltods charakteristischerweise hochreguliert werden. Charakteristisch ist die Hochregulierung von ACSL4, einem Enzym, das am Fettsäuremetabolismus beteiligt ist. Eine ACSL4-Hemmung wird als ein potenzieller therapeutischer Ansatz zur Vorbeugung von Ferroptose-bedingten Krankheiten angesehen. (12)Nat Chem Biol. 2017 Jan;13(1):91-98. DOI: 10.1038/nchembio.2239. Enzyme, die antioxidativ wirksam sind, können herunterreguliert sein. In der experimentellen Forschung werden zum Nachweis einer Ferroptose die Fe2+-Überladung, eine Akkumulation reaktiver Sauerstoffspezies (ROS), ein Glutathion (GSH)-Abbau, eine Lipidperoxidation und elektronenmikroskopisch eine Mitochondrienschrumpfung, verwendet. (13)mBio. 2023 Feb 28;14(1):e0237022. doi: 10.1128/mbio.02370-22
Auswirkungen einer vermehrten Ferroptose
Erhöhte Anfälligkeit für Infektionen: Die Peroxidation von T-Zell-Lipiden vermindert die Immunantwort auf Infektionen, so beispielsweise bei viralen oder parasitären Infektionen. (14)J Exp Med. 2015 Apr 6;212(4):555-68. doi: 10.1084/jem.20140857 Beispiele:
- Eine Herpes-simplex-Infektion (HSV-1-Infektion) vermag über eine Ferroptose-Induktion die Entwicklung einer viralen Enzephalitis (Entzündung des Gehirns) zu fördern. (15) 2023 Feb 28;14(1):e0237022. DOI: 10.1128/mbio.02370-22
- SARS-CoV-2 können Schrittmacherzellen im Herzen infizieren und Rhythmusstörungen hervorrufen. Die Auslösung einer Ferroptose ist laut Tierversuchen daran beteiligt. (16)Circ Res. 2022 Apr;130(7):963-977. doi: 10.1161/CIRCRESAHA.121.320518
Verminderte Tumorabwehr: CD8+-T-Zellen (Suppressorzellen) unterdrücken das Tumorwachstum wahrscheinlich hauptsächlich, indem sie eine Ferroptose und Pyroptose induzieren. (17)J Hematol Oncol. 2020 Aug 10;13(1):110. DOI: 10.1186/s13045-020-00946-7. Eine Ferroptose spielt bei der Entstehung einiger Krebsarten, insbesondere des duktalen Pankreaskarzinoms, eine bedeutende Rolle. Ihre Hemmung scheint daher eine potenzielle Therapieoption darzustellen. (18)Int J Mol Sci. 2022 Nov 30;23(23):15031. doi: 10.3390/ijms232315031
Eine Fehlregulierung hat Auswirkungen auf den Verlauf von Krankheiten: (19)Cell Death Differ. 2016 Mar;23(3):369-79. doi: 10.1038/cdd.2015.158
- Krebs,
- Neurotoxizität,
- neurodegenerative Erkrankungen,
- akutes Nierenversagen,
- medikamenteninduzierter Leberschädigung,
- Organschäden bei Sauerstoffmangel und
- T-Zell-Immunität.
Entwicklung von Medikamenten
Die Ferroptose lässt sich gezielt beeinflussen. (20)Cell Death Differ. 2016 Mar;23(3):369-79. DOI: 10.1038/cdd.2015.158
- Angeregt wird sie durch Verbindungen wie Erastin, Ras-selektives letales kleines Molekül 3 und Buthioninsulfoximin oder durch Arzneimittel wie Sulfasalazin, Sorafenib und Artesunat.
- Gehemmt wird sie durch Eisenchelatoren (z. B. Deferoxamin und Desferrioxaminmesylat) und Inhibitoren der Lipidperoxidation (z. B. Ferrostatin, Liproxstatin und Zileuton).
Die Kenntnis dieser Zusammenhänge ist Voraussetzung dafür, gezielt Medikamente für die Krebsbekämpfung zu entwickeln. (21)Nat Rev Cancer. 2022 Jul;22(7):381-396. doi: 10.1038/s41568-022-00459-0 (22)Curr Cancer Drug Targets. 2022;22(3):234-244. DOI: 10.2174/1568009622666220211122745
Verweise
Autor: Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (s. Impressum)
Literatur
↑1 | MedComm (2020). 2023 May 22;4(3):e267. doi: 10.1002/mco2.267 |
---|---|
↑2 | Biochim Biophys Acta Gen Subj. 2017 Aug;1861(8):1893-1900. DOI: 10.1016/j.bbagen.2017.05.019 |
↑3 | Autophagy. 2016 Aug 2;12(8):1425-8. doi: 10.1080/15548627.2016.1187366 |
↑4 | Cell Chem Biol. 2020 Apr 16;27(4):420-435. DOI: 10.1016/j.chembiol.2020.02.005 |
↑5 | Nat Chem Biol. 2017 Jan;13(1):91-98. doi: 10.1038/nchembio.2239. |
↑6 | Proc Natl Acad Sci U S A. 2022 Mar 15;119(11):e2118646119. doi: 10.1073/pnas.2118646119 |
↑7 | J Exp Clin Cancer Res. 2021 Jul 1;40(1):219 DOI: 1186/s13046-021-01959-x |
↑8 | Cell Death Differ. 2019 Jan;26(1):99-114. doi: 10.1038/s41418-018-0212-6 |
↑9 | Proc Natl Acad Sci U S A. 1998 Sep 15;95(19):11113-6. DOI: 10.1073/pnas.95.19.11113 |
↑10 | Mutat Res. 1999 Mar 8;424(1-2):83-95. DOI: 10.1016/s0027-5107(99)00010-x |
↑11 | Onco Targets Ther. 2020 Jun 11;13:5429-5441. doi: 10.2147/OTT.S254995 |
↑12 | Nat Chem Biol. 2017 Jan;13(1):91-98. DOI: 10.1038/nchembio.2239. |
↑13 | mBio. 2023 Feb 28;14(1):e0237022. doi: 10.1128/mbio.02370-22 |
↑14 | J Exp Med. 2015 Apr 6;212(4):555-68. doi: 10.1084/jem.20140857 |
↑15 | 2023 Feb 28;14(1):e0237022. DOI: 10.1128/mbio.02370-22 |
↑16 | Circ Res. 2022 Apr;130(7):963-977. doi: 10.1161/CIRCRESAHA.121.320518 |
↑17 | J Hematol Oncol. 2020 Aug 10;13(1):110. DOI: 10.1186/s13045-020-00946-7. |
↑18 | Int J Mol Sci. 2022 Nov 30;23(23):15031. doi: 10.3390/ijms232315031 |
↑19 | Cell Death Differ. 2016 Mar;23(3):369-79. doi: 10.1038/cdd.2015.158 |
↑20 | Cell Death Differ. 2016 Mar;23(3):369-79. DOI: 10.1038/cdd.2015.158 |
↑21 | Nat Rev Cancer. 2022 Jul;22(7):381-396. doi: 10.1038/s41568-022-00459-0 |
↑22 | Curr Cancer Drug Targets. 2022;22(3):234-244. DOI: 10.2174/1568009622666220211122745 |