Allgemeines


Der systemische Lupus erythematodes (engl.: systemic lupus erythematosus, SLE) ist eine autoimmunologisch ausgelöste Erkrankung des Bindegewebes. Er ist durch eine Vielzahl von Organbeteiligungen und damit auch von Symptomen gekennzeichnet. Typisch sind hoch positive antinukleäre Antikörper (ANA) und Anti-Doppelstrang-DNA (Anti-ds-DNA). Die Diagnose beruht auf einer Kombination von Symptomen und Befunden (s. u. ). Neu entwickelte Medikamente verbessern die Prognose deutlich.

Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Der Lupus erythematodes ist eine Autoimmunkrankheit, die eine Vielzahl von Organen und Gewebetypen einbezieht. Sie wird daher als Systemkrankheit eingestuft.

Diagnosestellung: Für die Diagnose wird das Vorliegen von 4 Symptomen aus einer Zusammenstellung von 11 häufig auftretenden Symptomen verlangt (s. u.). Häufig vorliegende Symptome sind

  • ein Schmetterlingserythem,
  • Gelenkbeschwerden von mindestens 2 Gelenken,
  • eine Nierenfunktionsstörung (Nephritis),
  • eine Herzbeteiligung (mit Leistungsschwäche und Rhythmusstörungen),
  • eine Entzündung des Lungen- oder Herzfells (Pleuritis und Perikarditis im Rahmen einer Serositis) und
  • positive antinukleäre Faktoren (ANA) im Blut.

Symptome und Verlauf: Die Erkrankung kann je nach befallenen Organen kann sehr unterschiedlich verlaufen:

Behandlung: Sie zielt auf eine Unterdrückung des Immunsystems (immunsuppressive Therapie) und berücksichtigt zudem die Störungen der beteiligten Organe, so z. B. die Behandlung einer Niereninsuffizienz oder einer Herzinsuffizienz oder eine Gerinnungshemmung (Antikoagulation) bei Thromboseneigung. Antikörper gegen den Interferon-I-Rezeptor und Anti-Doppelstrang-DNA sind neuerdings als therapeutische Ziele in den Fokus gelangt (s. u. und siehe auch hier).

Autoimmunkrankheit


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Entstehung

Der systemische Lupus erythematodes entsteht durch eine abnorme immunologische Reaktionsbereitschaft durch ein unbekanntes (möglicherweise infektiöses) auslösendes Agens.

Es besteht eine genetische Prädisposition. Mehr als 50 Genloci werden mit dem SLE assoziiert gefunden. (1)Nat Rev Rheumatol. 2010 Dec; 6(12):683-92 Ein wichtiges Gen ist das IFI44L-Gen, welches hypomethyliert gefunden wird, so dass eipigenetische Veränderungen von Genaktivitäten eine Rolle spielen – und damit auch Umweltfaktoren. (2)Proc Natl Acad Sci U S A. 2019 Dec 10;116(50):25222-25228. doi: 10.1073/pnas.1908576116.

Zu den Umweltfaktoren, die mit SLE in Verbindung gebracht werden, zählen Viren, insbesondere humane endogene Retroviren, Epstein-Barr-Virus, Parvovirus B19, Cytomegalovirus und Human Immunodeficiency Virus Typ 1, sowie bestimmte bakterielle Komponenten. Sie können alle eine Aktivierung des Immunsystems auslösen. (3)Immunology. 2019 Nov;158(3):153-160. doi: 10.1111/imm.13103.

Der SLE ist durch erhöhte Konzentrationen einer pathogenen Untergruppe der neutrophilen Granulozyten gekennzeichnet; sie werden als Granulozyten niedriger Dichte (LDGs) bezeichnet. SLE-LDGs weisen eine signifikante Heterogenität auf und umfassen zwei Subpopulationen mittelreifer und unreifer Neutrophilen. Die Unterschiede beziehen sich auf ihre Wirksamkeit im Immungeschehen. LDGs weisen die höchste Expression von IFN-induzierbaren Genen auf. (4)Proc Natl Acad Sci U S A. 2019 Dec 10;116(50):25222-25228. doi: 10.1073/pnas.1908576116

Die Transkriptionsfaktoren Ikaros (IKZF1) und Aiolos (IKZF3) sind für das normale Gleichgewicht im Immunsystem mitverantwortlich. Ein genetischer Polymorphislmus und eine Überexpression in mononukleären Zellen sind mit der Entstehung eines Lupus assoziiert. (5)N Engl J Med. 2022 Mar 17;386(11):1034-1045. DOI: 10.1056/NEJMoa2106535

Durch Autoantikörper und Immunkomplexe kommt es zu Gewebeschädigungen. Zunächst ist häufig nur ein Organsystem befallen (z. B. Gelenke, Haut oder Nieren), später weitet sich die Krankheit auf mehrere Lokalisationen aus. Das Befallsmuster kann individuell sehr unterschiedlich sein. Die Ausprägung eines SLE variiert erheblich.

Diagnostik

Nach den ARC-Kriterien (Kriterien des American College of Rheumatology) ist zur Diagnose eines Lupus erythematodes die Kombination von mindestens 4 folgender 11 Symptome und Befunde erforderlich (6)Arthritis Rheum 1982;25:1271:

  • Schmetterlingserythem
  • diskoider Hautausschlag
  • Photosensitivität der Haut
  • orale Ulcera
  • Arthritis von mindestens 2 Gelenken
  • Nierenbeteiligung: Nephritis, Proteinurie
  • Serositis (Pleuritis oder / und Perikarditis)
  • neurologische Symptomatik (Krampfanfälle, Psychosen)
  • Blutbildveränderungen wie Leukopenie unter 4000/ul, Lymphopenie < 1500/ul, Thrombozytopenie < 100.000/ul, hämolytische Anämie
  • hoher ANA-Titer (kommt in 98% vor, ist aber nicht sehr spezifisch)
  • Anti-ds-DNA (Anti-Doppelstrang-DNA kommen in ca 70% vor, ist aber sehr spezifisch; hohe Titer bedeuten erhöhtes Risiko für Lupus-Nephritis und Vaskulitis) bzw. Antiphospholipid-Antikörper (kommt in ca. 50% vor)

Screening: Folgende Autoantikörper werden erhöht gefunden: Antinukleäre Antikörper (ANAs), Anti-doppelsträngige DNA (dsDNA)-Antikörper und Anti-Smith (Anti-Sm)-Antikörper. (7)J Autoimmun. 2014 Feb-Mar; 48-49():10-3

Die Anti-ds-DNA und Anti-Sm sind sehr spezifisch (94%, 99%) aber weniger sensitiv. (8)J Autoimmun. 2014 Feb-Mar; 48-49():10-3 Sie können zur Verlaufs- und Schubkontrolle verwendet werden, da sie häufig im Schub ansteigen. Die CRP spiegelt die Floridität der Erkrankung nicht gut wieder, da sie oft normal bleibt. Zur Unterscheidung eines Schubs von einer bakteriellen Entzündung kann Procalcitonin helfen.

Weitere Antikörper: Weitere Autoantikörper werden gefunden: z. B. Anti-Ro (SS-A) (siehe auch unter Progressive Systemsklerose), Antikörper gegen Blutplättchen oder gegen rote Blutkörperchen (mit der Folge einer Hämolyse), die zu Schwierigkeiten der Krankheitszuordnung führen können.

Eine Anämie im Rahmen eines Lupus erythematodes kann paraentzündlich bedingt sein; davon abzugrenzen ist eine Lupus-bedingte hämolytische Ursache (autoimmunhämolytische Anämie).

Symptomatik und Klinik

Schmetterlingserythem im Gesicht bei Lupus erythematodes

Die folgenden Symptome und Befunde sind Hinweise auf die mögliche Manifestation eines SLE. Die Erkrankung kann monosymptomatisch beginnen, manchmal noch ohne deutliche Erhöhung der ANA, und demaskiert sich erst im Laufe der Entwicklung. Die SLE-Parameter müssen daher immer wieder kontrolliert werden.

  • Allgemeinsymptome: Müdigkeit, Fieber, Inappetenz und Gewichtsverlust
  • Stütz- und Bewegungssystem : Arthritis (Polyarthritis, DD zur rheumatoiden Arthritis, in ca. 10% deformierend als Jaccoud-Arthitis verlaufend), Myopathie (Muskelbefall),
  • Haut: Schmetterlingserythem, vaskulitische Veränderungen (Haut-Biopsie), Alopezie, Photosensitivität, beim „Diskoiden Lupus erythematodes“ (chronische kutane Verlaufsform) erythematöse Plaques besonders an lichtexponierten Stellen,
  • Niere: Nephritis mit nephrotischem Syndrom (Erythrozyturie, Proteinurie, Niereninsuffizienz),
  • Herz: Myokarditis,
  • Lungen: Lupuspneumonitis, Serositis mit Pleuraergüssen, interstitielle Lungenfibrose mit pulmonaler Hypertonie und respiratorischer Insuffizienz,
  • Verdauungstrakt: Veränderungen durch Vaskulitis in der Schleimhaut, (Ulkus, gastrointestinale Blutungen), Aszites (im Rahmen eine Polyserositis),
  • Leber: erhöhte Leberwerte finden sich zwar in etwa 50-60%,  eine Leberbeteiligung im Rahmen des SLE als Lupushepatitis ist jedoch relativ selten (9)Am J Med Sci. 2017 Apr;353(4):329-335. doi: 10.1016/j.amjms.2016.10.014.. Sie muss abgegrenzt werden von einem medikamententoxischen Leberschaden (bedingt durch Medikamente, die zur SLE-Behandlung eingesetzt werden), und von einer eigenständigen Autoimmunhepatitis (10)World J Gastroenterol. 2014 Sep 21;20(35):12662-7. doi: 10.3748/wjg.v20.i35.12662..  Zudem gibt es ein „Autoimmunhepatitis-SLE-Overlapsyndrom“, was die Diagnosestellung erhöhter Leberwerte bei SLE kompliziert.
  • Gerinnung: Thrombophilie (bei Lupus-Antikoagulans, Anti-Phospolipid-Antikörper) mit Neigung zu Thrombose und Lungenembolie,
  • Nervensystem: kognitive Dysfunktionen, Psychosen, Schlaganfall-ähnliches Bild, Kopfschmerzen,
  • Auge: Sehstörungen (bei Vaskulitis der Retina), Conjunktivitis, trockene Augen (bei Sicca-Syndrom),
  • Blutsystem: Leukopenie (< 4000/ul), Thrombopenie (< 100.000/ul), Splenomegalie, Lymphknotenvergrößerungen.

Eine Sonderform des SLE ist die Kikuchi-Fujimoto-Krankheit, bei der schmerzhafte Halslymphknoten und Fieber im Vordergrund stehen.

Therapie

Die Behandlung des sLE hat sich gewandelt. (11)Ther Clin Risk Manag. 2014 Oct 1;10:775-86. doi: 10.2147/TCRM.S56063.

NSAID: Bei mildem Verlauf ist oft eine immunsuppressive Therapie nicht erforderlich. Häufig reichen nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAR; NSAID) zur Beschwerdefreiheit aus. Dabei sollten jedoch die Leberwerte und Nierenwerte gut kontrolliert werden. Wenn sich die Werte verschlechtern, ist eine Immunsuppression ins Auge zu fassen.

Immunsuppression: Bei progredientem Verlauf wird immunsuppressiv behandelt. Die Therapie  beinhaltet in der Regel Prednisolon und Cyclophosphamid oder – weniger wirksam – Azathioprin, bei lebensbedrohlichen Zuständen hohe Glukokortikoid-Dosen bis zu 1-2 g. Die Nebenwirkungen müssen bedacht werden (Toxizität der einzelnen Medikamente, z. B. Knochenmarksuppression, Infektionsanfälligkeit, Kortison-Effekte).

Gerinnungshemmer: Eine Gerinnungshemmung ist bei Thrombophilie mit positiven Antiphospholipid-Antikörpern erforderlich.

Körperliche Bewegung: Körperliche Bewegung ist eine recht erfolgreiche Maßnahme gegen die beim sLE häufig auftretende Müdigkeit. Bei leichter Krankheitsaktivität wird vorgeschlagen, mit einer moderaten Intensität für mindestens 20 Minuten an 3 Tagen pro Woche zu beginnen. (12)Worldviews Evid Based Nurs. 2017 Aug;14(4):306-315. doi: 10.1111/wvn.12221.

Therapie mit Biologica

Belimumab (Benlysta®): Belimumab ist ein Antikörper gegen den löslichen B-Lymphozyten-Stimulator. Er führt in hohem Prozentsatz zu guter und lang anhaltender Verbesserung des Symptomatik ohne wesentliche Nebenwirkungen. (13) 2018 Mar;78(3):355-366. doi: 10.1007/s40265-018-0872-z.

Rituximab (RTX): In der EXPLORER-Studie (2010)  wurden bei mittelschwerem und schwerem SLE keine Unterschiede zwischen Placebo und Rituximab festgestellt. (14)Arthritis Rheum. 2010 Jan;62(1):222-33. doi: 10.1002/art.27233 Das wurde in einer weiteren Studie bestätigt. (15)Lupus. 2013 Dec;22(14):1489-503. doi: 10.1177/0961203313509295. Nach einer Empfehlung wird RTX derzeit nur off-label verwendet, und zwar bei Patienten mit schwerer renaler, hämatologischer und neuropsychiatrischer Erkrankung, die gegen andere Immunsuppressiva und/oder Belimumab resistent ist. Mehr als ein immunsuppressives Medikament sollte versagt haben, bevor RTX in die Wahl gezogen werden kann. (16)Cureus. 2023 Aug 18;15(8):e43725. DOI: 10.7759/cureus.43725 In der Praxis wird laut einer spanischen Erhebung Rituximab in der Regel Patienten mit hämatologischer, neuropsychiatrischer und renaler Beteiligung verabreicht, Belimumab dagegen eher bei Arthritis. (17)Medicina (Kaunas). 2023 Jul 25;59(8):1362. doi: 10.3390/medicina59081362

Iberdomid ist ein Medikament, welches die Überaktivität eines Transkriptionsfaktors hemmt, der das Immunsystem beeinflusst. Es führt zu einer deutlichen Abnahme der Krankheitsaktivität. Nebenwirkungen sind vor allem gehäufte Lungen- und Harnwegsinfekte. (18)N Engl J Med 2022; 386:1034-1045 DOI: 10.1056/NEJMoa2106535

Anifrolumab: Anifrolumab ist ein Antikörper gegen den Interferon-I-Rezeptor. Er wirkt sich positiv auf den Verlauf des SLE aus. Unter den Patienten mit einer hohen Interferon-Gen-Expression wurde ein Ansprechen von 48,0 % vs. 30,7 % in der Placebo-Gruppe beobachtet, ohne die Interferon-Überexpression 47,8 % vs. 31,5 %. Als Nebenwirkung trat häufiger ein Herpes zoster (Gürtelrose) auf. (19)N Engl J Med. 2020 Jan 16;382(3):211-221. doi: 10.1056/NEJMoa1912196 Auch bei Langzeitanwendung wurde ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil festgestellt. (20)Arthritis Rheumatol. 2023 Feb;75(2):253-265. DOI: 10.1002/art.42392

Blockierung der Anti-dsDNA-Autoantikörper: Es wurden synthetische Peptide (hCDR1, pCONs, DWEYS, FISLE-412 und ALW) entwickelt, die Anti-dsDNA-Autoantikörper direkt blockieren. Erste Untersuchungen zeigen, dass sie den Autoantikörpertiter senken, die Ablagerung renaler Autoantikörper verringern und den SLE-Verlauf günstig beeinflussen. (21)Clin Rev Allergy Immunol. 2022 Oct;63(2):152-165. doi: 10.1007/s12016-021-08898-7


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Verweise

Literatur[+]