Obstipation
Die Obstipation (Verstopfung) ist eine Entleerungsstörung des Darms, die zu Stuhlverhalt, Hartleibigkeit und einem zunehmend belastendem Gefühl im Abdomen führt. Sie wird je nach Ursache behandelt; manchmal sind jedoch auch falsche Stuhlgewohnheiten eingefahren, die nicht überwunden werden können. Eine differenzierte Diagnostik ist in jedem Fall erforderlich. 1)Dtsch Arztebl Int 2009; 106(25): 424-31 2)Dtsch Med Wochenschr 2004; 129: S82-S84
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Definition
Obstipation bedeutet Verstopfung. Früher galten verlängerte Retention des Koloninhalts und seltene Stuhlentleerung (< 3x pro Woche) als bezeichnend, neuerdings kommen zusätzliche Kriterien hinzu, wie Schwierigkeiten bei der der Stuhlentleerung (Schmerzen, starkes Drücken), sehr harte Stühle und das Gefühl der unvollständigen Entleerung. Die „Rom-Kriterien“ besagen, dass mindestens 2 der folgenden Beschwerden erfragbar sein sollen:
- heftiges Pressen in mindestens 25% der Stuhlgänge,
- sehr harte Stühle in mindestens 25% der Stuhlgänge,
- Gefühl der inkompletten Entleerung in mindestens 25% der Stuhlgänge,
- Gefühl der analen „Blockierung“ in mindestens 25% der Stuhlgänge,
- manuelle Ausräumung in mindestens 25% der Stuhlgänge,
- nicht mehr als 2 Entleerungen pro Woche.
Ursachen und Differenzialdiagnosen der Obstipation
Folgende Ursachen können bei einer Obstipation vorliegen :
- neurogen: autonome Neuropathie, Morbus Hirschsprung, intestinale Pseudoobstruktion, multiple Sklerose, Morbus Parkinson u. a.
- psychogen und durch falsches Verhalten bedingt: z. B. Reiseobstipation, falsche Stuhlgewohnheiten (unregelmäßige Toilettengänge, auf der Toilette lesen…)
- medikamentös: z.B. Antidepressiva, Anticholinergika, Opiate, Eisen, Kalziumantagonisten, Clonidin, Diuretika, Gestagene
- metabolisch: Hypokaliämie, Hyperkalzämie
- endokrin: Hypothyreose, Diabetes mellitus, Schwangerschaft
- mechanisch: Tumorobstruktion, Briden, Morbus Crohn
- proktogen (anorektale Funktionsstörung): verminderte Rektumsensibilität, innerer Rektumprolaps (Intussuszeption), Schmerzen beim Stuhlgang, Anismus bei Analfissur, DPS (deszendierendes Peroneum-Syndrom), funktionell wirksame Rektozele (siehe unter Proktologie)
Meist findet sich bei einer schwer behandelbaren Obstipation eine Kombination einzelner dieser Faktoren, manchmal verstärkt durch zu geringe Flüssigkeitszufuhr und durch mangelhafte körperliche Bewegung (z. B. im Alter oder bei körperlicher Behinderung).
Diagnostik der Obstipation
Anamnese: Dauer der Obstipation, Kost, Schmerzen bei der Defäkation, Gewichtsabnahme, Stuhlfrequenz, -farbe, -konsistenz, Blut, Medikamente, neurologische Krankheit, Diabetes mellitus
Digitale rektale Untersuchung: Sphinkterenge, Schmerz, Tumor
Koloskopie: Tumor, Stenose, Melanosis coli (Hinweis auf Laxantienabusus)
Spezialuntersuchungen: Bestimmung der Transitzeit mit röntgenpositiven Markern, Defäkographie, anale Sphinkter-Manometrie
Therapie der Obstipation
Nichtoperative Maßnahmen
Grundsätzlich von Bedeutung sind folgend Maßnahmen:
- Ursachenbeseitigung,
- ballaststoffreiche Kost,
- körperliche Bewegung,
- ausreichende Flüssigkeitszufuhr: in der Regel über 1,8 l/d (bei Hitze meist über 2,5 – 3 l/d), wenn wegen Herzinsuffizienz oder Hypertonie nicht kontraindiziert.
Im Einzelfall sollte entschieden werden, ob Stuhlregulantien und Abführmittel (Laxantien) nötig sind. Dazu stehen folgende Substanzgruppen zur Verfügung :
- Gleitmittel (z.B. Paraffinöl): sie können harten Stuhl gleitfähig machen und dadurch die Stuhlentleerung fördern. Sie sind nicht zu einer längerdauernden Verabreichung geeignet, sondern können eine akute Obstipation beheben helfen.
- Quellmittel (z. B. gemahlene Kleie, Leinsamen, Flohsamen): sie wirken durch Vergrößerung des Stuhlvolumens (prokinetischer Anreiz) und haben zusätzlich den guten Effekt, Gallensäuren zu binden und auf lange Frist den Cholesterinspiegel zu senken.
- Osmotisch wirkende Mittel (z.B. Magnesiumsulfat oder Sorbit): sie werden als rasch wirkende Abführmittel eingesetzt.
- Darm umstimmende Mittel: dazu gehört speziell Laktulose; sie wirkt osmotisch, aber zusätzlich durch Veränderung des pH´s im Darmlumen und dadurch der bakteriellen Flora.
- Darmirritierende Mittel (Drastika wie Anthranoide und Diphenolmethane): sie können die Darmschleimhaut auf Dauer schädigen (Melanosis coli, erhöhtes Krebsrisiko) und sind in einzelnen Ländern verboten.
- Prokinetika wie Prucaloprid (die Vorläufersubstanz Cisaprid wurde wegen kardialer Nebenwirkungen vom Markt genommen): sie wirken bei Darmträgheit.
Mehr zu Abführmitteln siehe hier.
Operative Verfahren
Operative Verfahren können bei proktogener Obstipation indiziert sein, so z. B. bei Morbus Hirschsprung, Beckenbodensenkung (DPS, Descending-peroneum-Syndrom), Tumorobstruktion, Rektozele, Enterozele, Invaginationen, innerem Rektumprolaps, Briden, Crohn-Stenosen.
Differenzielle Therapie
- Patienten mit einer normalen oder verlängerten oroanalen Transitzeit (>60 Stunden): Erhöhung des Ballaststoffgehalts der Nahrung. Bei unzureichender Wirkung kommen Laxantien in Betracht.
- Bei Patienten mit lang dauernder Obstipation, bei denen Laxantien unzureichend wirken, kann das Prokinetikum Prucaloprid in Frage kommen.
- Patienten mit anorektaler Funktionsstörung: Versuch über Biofeedback-Therapie, ggf. Operations-Indikation prüfen.
- Patienten mit zu geringer Flüssigkeitsaufnahme und hartem Stuhl: Normalisierung des Flüssigkeitshaushalts.
- Patienten mit medikamentös bedingter Obstipation (speziell Morpine, Opioide, Psychopharmaka, Diuretika): Überprüfung der Medikation bzw. Erkennung und Beseitigung eines Abusus (unter Elektrolytkontrolle), ggf. Ballaststoffe, Quellmittel (s. o.).
Umstellung der Lebensgewohnheiten
Bei habitueller Obstipation hilft manchmal eine Umstellung der Lebensführung: mehr Ballaststoffe, mehr Flüssigkeit, mehr körperliche Bewegung, zusätzlich Hausmittel wie Backpflaumen, Kleie oder Leinsamen in Flüssigkeit oder Sauerkraut (was wirkt, muss ausprobiert werden).
Verweise
Fachinfos
- Ursachen einer Verstopfung
- Laxantien
- Prucaloprid
- Chronische intestinale Pseudoobstruktion
- Akute intestinale Pseudoobstruktion (Ogilvie Syndrom)
- Obstipation bei Megakolon (Differenzialdiagnosen)
- Obstruktive Defäkationsstörung
Patienteninfos
Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).
Literatur