Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste verständlich
Kurzgefasst |
Das offene Cushing-Syndrom ist eine schwerwiegende Erkrankung des Hormonsystems, bei der in der Nebenniere (genauer der Nebennierenrinde) unkontrolliert Cortisol gebildet wird. Die Folgen sind vielfältig und die Mortalität deutlich erhöht. Zwei Formen lassen sich unterscheiden,
Selten kommen ektope hormonproduzierende Tumoren vor, die ein Cushing-Syndrom zur Folge haben. Die Diagnose gründet sich auf einem frühen Verdacht. Auffällige klinische Zeichen sind ein rundes, volles Gesicht (“Vollmondgesicht”), später ein “Stiernacken” (wegen dortiger Fettmassen) und manchmal eine vermehrte Behaarung (Hirsutismus). Gesichert wird die Diagnose durch die Bestimmung von Cortisol im Blut und im Urin sowie durch Nachweis der Ursache. Die Lokalisation des auslösenden Tumors erfolgt durch bildgebende Verfahren. Die Symptome und Folgekrankheiten müssen erkannt und therapiert werden. Zu den Folgen gehören in erster Linie ein Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), eine Osteoporose und Störungen des Immunsystems. Die ursächliche Behandlung besteht in einer Resektion des Hormon produzierenden Tumors und sollte möglichst früh durchgeführt werden. (1)J Physiol. 2015 Feb 1;593(3):493-506. DOI: 10.1113/jphysiol.2014.282871 Zudem sind die Folgekrankheiten zu behandeln. |
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Entstehung
Das Cushing-Syndrom wird durch eine autonome (nicht in einem Regelkreis eingebundene) Überproduktion des Nebennierenhormons Cortisol hervorgerufen. Als Ursachen kommen in Frage:
- Hypophysenvorderlappenadenom: es ist mit etwa 70 % die häufigste Ursache eines Cushing-Syndroms (Morbus Cushing im engeren Sinn). Seine vermehrte ACTH-Produktion regt ständig die Nebenniere zur Bildung von Nebennierenhormonen, insbesondere von Kortison und seinen Derivaten, an.
- Nebennierentumor (20 %): es ist ein Adenom oder Karzinom der Nebenniere mit vermehrter Cortisolproduktion. Die hohe unkontrollierte Produktion von Nebennierenhormonen führt zur Unterdrückung der Bildung von ACTH in der Hypophyse.
- ACTH-produzierender Tumor (10%): Einige Tumore sind endokrin aktiv und produzieren paraneoplastisch ACTH (adrenocorticotropes Hormon, das normalerweise nur in der Hypophyse gebildet wird). So kann z. B. das kleinzellige Bronchialkarzinom Symptome hervorrufen, die über ACTH auf Cortisol zurückzuführen sind. In solch einem Fall bildet sich das ACTH-produzierende Gewebe der Hypophyse zurück (Atrophie). Dadurch lässt die Reaktionsbereitschaft der Hypophyse auf den von Zwischenhirn ankommenden Stimulus durch CRH (Corticotropin releasing hormone) deutlich nach. Dies kann in einem CRH-Stimulationstest nachgewiesen werden.
Eine iatrogene (durch Medikamente hervorgerufene) Auslösung der Symptomatik sollte ausgeschlossen werden.
Klinik und Symptomatik
Folgende Symptome können auftreten:
- rundes Gesicht,
- Stammfettsucht,
- Stiernacken, Akne,
- Striae (Streifen an der Bauchhaut, meist rot unterlaufen, rubrae),
- Virilisierung und Amenorrhoe bei Frauen,
- Osteoporose (mit den typischen Symptomen und Folgezuständen),
- Muskelschwäche (Adynamie),
- papierdünne Haut mit Ekchymosen,
- Diabetes mellitus,
- akute Pankreatitis (sehr selten) (2)Ann Med Surg (Lond). 2021 Mar 29;65:102260. DOI: 10.1016/j.amsu.2021.102260. PMID: 33898033; … Continue reading
Auswirkungen auf das Immunsystem
Das Cusching-Syndrom wirkt sich auf das Immun- und Abwehrsystem des Körpers aus. Das Risiko einer Sepsis und von opportunistischen Infektionen ist erhöht. Bei einer anhaltend erhöhten Cortisol-Produktion kommt es dauerhaft zu einer vermehrten Bildung entzündlicher Mediatostoffe, wie von Interleukin-1 (IL-1), Interleukin-6 (IL-6) und Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α). Dies führt zu einem chronischen Entzündungszustand im Körper.
Bei einer wirksamen Behandlung des Cushing-Syndroms kann es zu einem Rebound-Phänomen kommen, das neue klinische Komplikationen nach sich zieht, inkl. einer übermäßigen Immunreagibilität und Autoimmunität. (3)Trends Endocrinol Metab. 2020 Sep;31(9):655-669. DOI: 10.1016/j.tem.2020.04.004
Verlauf und Prognose
Das Cushing-Syndrom ist mit einem deutlich erhöhten Risiko für Osteoporose, Diabetes und Hypertonie, sowie für vorzeitigen Tod (erhöhte Mortalität) durch kardiovaskuläre Ereignisse (z. B. Herzinfarkt) verbunden. Daher sollte eine frühzeitige Diagnostik und Therapie eingeleitet werden. (4)Ann Endocrinol (Paris). 2018 Jun;79(3):149-152. DOI: 10.1016/j.ando.2018.03.005. Epub 2018 Mar 30. … Continue reading (5)Endocrinol Metab Clin North Am. 2019 Dec;48(4):717-725. DOI: 10.1016/j.ecl.2019.08.005. Epub 2019 … Continue reading
Diagnostik
Frühzeichen eines Cushing-Syndroms können ein nicht erklärlicher Bluthochdruck (6)J Hypertens. 2015 Jan;33(1):44-60. DOI: 10.1097/HJH.0000000000000415 , eine zufällig entdeckte Hypokaliämie (7)Endocrinol Diabetes Metab Case Rep. 2021 May 1;2021:21-0038. DOI: 10.1530/EDM-21-0038. oder eine diabetische Stoffwechsellage sein.
Wenn erst einmal die klassischen Aspekte von rundem Gesicht, Stammfettsucht und Stiernacken eingetreten sind, besteht das Cushing-Syndrom mit dem zugrunde liegenden Hormon produzierenden Tumor schon länger.
Die Diagnostik stützt sich auf den Nachweis erhöhter Cortisolwerte im Urin und dem Nachweis eines Nebenieren- oder Hypophysentumors bzw. eines ektop lokalisierten hormonproduzierenden Tumors. Oft lässt sich durch bildgebende Verfahren eine Vergrößerung einer oder beider Nebennieren nachweisen. Einseitig bedeutet peripherer Cushing; beidseitig legt eine Arbeitshypertrophie bei ACTH-Überproduktion der Hypophyse (zentraler Cushing) nahe.
Labor
Ausscheidung von 17-OH-Kortikoiden im 24-Stundenurin. Cortisoltagesprofil (erhöhte Werte und aufgehobener Tag-Nacht-Rhythmus, auch nachts hohe Werte). Die ACTH-Bestimmung lässt zwischen der zentralen (hypophysären) und der adrenalen Form unterscheiden.
Dexamethason-Hemmtest: Dexamethason unterdrückt die ACTH-Bildung und damit auch die ACTH-abhängige Cortisol-Bildung in den Nebennieren. Beim zentralen Cushing-Syndrom wird ACTH nicht unterdrückt; beim peripheren Cushing-Syndrom wird ACTH unterdrückt, nicht aber die Kortisolproduktion. Der Test wird durch Medikamente, die Cytochrom P450 3A4 (CYP3A4) beeinflussen, ebenfalls beeinflusst. (8)Exp Clin Endocrinol Diabetes. 2020 Oct;128(10):667-671. doi: 10.1055/a-1017-3217. Epub 2019 Oct 25. … Continue reading
Nächtliche Messung des Speichel-Cortisols: Sie ist eine verlässliche Methode, unblutig einen Verlust der zirkadianen Cortisol-Produktion (Tag-Nacht-Variation) zu erkennen. (9)Eur J Endocrinol. 2020 Feb;182(2):207-217. DOI: 10.1530/EJE-19-0695. PMID: 31804965; PMCID: … Continue reading
Lokalisationsdiagnostik
Folgende Untersuchungsmethoden werden zur Tumorlokalisation eingesetzt: Sella-Spezialaufnahme, Sonographie der Nebennieren, CT der Nebennieren und der Sella turcica. Wenn die Untersuchungen keinen Tumornachweis ergeben, wird die Suche nach ektopen Tumoren mit bildgebenden Verfahren und einer PET-Diagnostik fortgesetzt. (10)Endocrine. 2015 Nov;50(2):297-305. DOI: 10.1007/s12020-015-0689-4
Therapie
Die Behandlung richtet sich nach der Ursache. (11)Best Pract Res Clin Endocrinol Metab. 2020 Mar;34(2):101381. DOI: 10.1016/j.beem.2020.101381. … Continue reading
Operative Sanierung, wenn möglich: Adrenalektomie, transsphenoidale Adenomektomie. Sie ist eine Möglichkeit zur Heilung. Ein Review empfiehlt: Nicht operabel sind Tumore der Nebenniere, die größer als 6-8 cm sind und die nachweislich invasiv wachsen. Gutarige Tumore können laparoskopisch operiert werden; bösartige sollten offen operiert werden. (12)J Med Life. 2016 Oct-Dec;9(4):334-341. PMID: 27928434; PMCID: PMC5141390.
Medikamentöse Therapie: Bei Inoperabilität kommt eine symptomatische Behandlung in Betracht. Erreicht wird sie durch Unterdrückung der Cortisolproduktion durch Metyrapone, Osilodrostat oder Ketoconazol, bei einem paraneoplastischen Cushing-Syndrom ggf. auch durch eine Radiotherapie eines externen hormonbildenden Tumors.
Metyrapone ist eine Hemmer der 11ß-Hydroxylase und senkt die Kortisol-Sekretion über 50%. In einer Beobachtungsstudie normalisierte das Medikament in 70% die Kortisolausscheidung im 24-Stundenurin bzw. in 37% den zirkadianen Cortisol-Rhythmus (Speichel-Test, s. o.). (13)Endocrine. 2018 Dec;62(3):701-711. DOI: 10.1007/s12020-018-1675-4. Epub 2018 Jul 16. PMID: … Continue reading
Ketokonazol führte in einer Studie zu ähnlichen Verbesserungen. (14)Lancet Diabetes Endocrinol. 2019 Nov;7(11):855-865. DOI: 10.1016/S2213-8587(19)30313-4. Epub 2019 … Continue reading
Osilodrostat ist ein Hemmer der 11ß-Hydroxylase und damit der Cortisolproduktion. Er wirkt, wie die anderen Hemmer, sowohl beim zentralen wie beim peripheren Cushing-Syndrom. Laut einer Vergleichsstudie ist er etwas wirksamer bezüglich Reduktion der renalen Cortisolausscheidung (über 50%) und der Senkung des Blutdrucks als Metyrapone. (15)Front Endocrinol (Lausanne). 2022 Jun 13;13:903545. DOI: 10.3389/fendo.2022.903545
Eine Einzelfallbeschreibung berichtet über das günstige Zusammenwirken von zwei Steroidogenese-Inhibitoren, Etomidat und Osilodrostat, bei einer 32-jährigen Frau mit einem Hypophysentumor. (16)Hormones (Athens). 2022 Sep 21. DOI: 10.1007/s42000-022-00397-4 .
Zum Behandlungskonzept gehört die Berücksichtigung der Komplikationen und Folgen des Hyperkortizismus, wie eine Osteoporosetherapie oder die Einstellung des Blutzuckers bei Cushing-Diabetes.
Sonderform: Ektopisches ACTH-Syndrom
Das ektopische ACTH-Syndrom ist eine seltene Ursache des Cushing-Syndroms. Bei ihm finden sich ACTH-produzierende Zellen außerhalb der Hypophyse. Eine Paraneoplasie (ACTH-Bildung durch Tumorzellen, s. o.) kann das gleiche Bild hervorrufen.
Mögliche Lokalisationen: Lungen, Thymus, Schilddrüse, Pankreas, Nebennierenmark.
Diagnostik: beidseitige Katheterisierung des Sinus petrosus inferior, CRH-Applikation und Messung einer ACTH-Antwort. Sie fehlt bei ektopem ACTH-Syndrom oder ist nur schwach ausgeprägt (wegen Atrophie, da ständig genügend ACTH gebildet wird).
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Verweise
Literatur