Chronisch obstruktive Lungenkrankheit
Artikel aktualisiert am 26. Oktober 2023
Die chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COLD: chronic obstructive lung disease, auch COPD: chronic obstructive pulmonary disease) ist eine Erkrankung der Atemwege, die vorwiegend durch Tabakqualm entsteht, chronisch-fortschreitend ist und zu Luftnot durch eine Ateminsuffizienz bei Atemwegsobstruktion (Verengung der Atemwege) und Lungenemphysem führt. Eine frühzeitige Diagnose ist nötig, um auch frühzeitig und intensiv genug auf die Notwendigkeit, mit dem Rauchen aufzuhören, hinweisen zu können.
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Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Von zentraler Bedeutung für die Entstehung einer COPD ist eine Störung der Epithelzellen der Bronchialschleimhaut. Ursache ist in den weitaus meisten Fällen Rauch. Die Selbstreinigung durch die Zilien der Schleimhautzellen (siehe hier) nimmt ab, der sezernierte Schleim (Mukus) ist zäh und verbleibt lange und bietet Bakterien einen Nährboden. Die Schleimhaut wehrt sich durch Entzündungsvorgänge. Die Geschädigten Zellen werden abgeräumt, was Mikrowunden und das Eindringen von Bakterien in die Schleimhaut fördert. Die chronisch entzündliche Zerstörung der Schleimhautzellen verstärkt wiederum die Entzündungsreaktion, an der Abräumzellen (Makrophagen) und Entzündungsvermittler (eine Reihe von Mediatorstoffen, wie TNF-alpha, IL-8 und Leukotriene) beteiligt sind. Eine erhöhte Empfindlichkeit (Reagibilität) der Bronchialmuskulatur führt zu Verkrampfungen und Verengungen mit verminderter Ventilation der Lungen, insbesondere einer erschwerten Ausatmung (Exspiration). Folge ist die allmähliche Entwicklung eines Emphysems. Daran beteiligt sind Alveolarmakrophagen mit ihren Mediatorstoffen, Proteasen und Elastasen sowie eine erhöhte ROS-Produktion (Bildung von reaktivem Sauerstoff) in Mitochondrien, die zu erhöhtem oxidativem Stress der Zellen führt. (1)Saudi Pharm J . 2021 Dec;29(12):1361-1373. DOI: 10.1016/j.jsps.2021.10.008. Epub 2021 Oct 29.
An der COPD-Entstehung sind auch Mikro-RNA beteiligt: miR-218-5p wurde bei Zigarettenrauchern erniedrigt gefunden, und zwar streng assoziiert mit der Ausprägung der Obstruktion (Verengung) der Atemwege. (2)Am J Respir Crit Care Med . 2017 Jan 1;195(1):43-56. DOI: 10.1164/rccm.201506-1182OC.
Sowohl die Behinderung der Ventilation als auch das Emphysem führen zu einer zunehmenden Gasaustauschstörung. Eine dadurch bedingte ständige Sauerstoffuntersättigung des Bluts veranlasst eine vermehrten Bildung roter Blutkörperchen (Polyglobulie), die wiederum eine Bluteindickung und eine erhöhte Thrombosebereitschaft zur Folge hat. Das Emphysem führt zudem zu einer zunehmenden Rechtsherzbelastung.
Genetische Faktoren
Nicht jeder Raucher bekommt eine COPD. Es findet sich eine familiäre Häufung. Förderlich sind bestimmte genetische Faktoren. (3)Annu Rev Physiol. 2020 Feb 10;82:413-431. DOI: 10.1146/annurev-physiol-021317-121224. Epub 2019 … Continue reading PMID: 31730394; PMCID: PMC7193187. Genetische Assoziationsstudien haben einige Gene erkennen lassen, die eine Rolle spielen können. Dazu gehören beispielsweise auch die Gene eines alpha-1-Antitrypsinmangels oder des Elastins, die zur Schwächung der Lungenflexibilität führt. (4)Am. J. Respir. Cell Mol. Biol. 2005;33:355–362 (5)BMC Med Genet. 2018 Aug 1;19(1):134. DOI: 10.1186/s12881-018-0656-z. PMID: 30068317; PMCID: … Continue reading
Auch epigenetische Veränderungen, die durch Rauchen ausgelöst werden, spielen eine Rolle und können zur Perpetuierung der Entzündungsreaktionen in der Bronchialschleimhaut beitragen. (6)Am J Respir Crit Care Med. 2012 Feb 15;185(4):373-81. doi: 10.1164/rccm.201108-1382OC. Epub 2011 … Continue reading (7)Respir Res. 2019 Dec 2;20(1):268. DOI: 10.1186/s12931-019-1222-8. PMID: 31791327; PMCID: … Continue reading Auch Gene, die die Alterung des Bronchialepithels beeinflussen, werden epigenetisch verändert. (8)Respir Res. 2019 Nov 4;20(1):243. DOI: 10.1186/s12931-019-1215-7. PMID: 31684967; PMCID: … Continue reading
Diagnostik
Ständiger Husten und eine Raucheranamnese lassen an eine COPD denken. Gelegentlich muss zum Ausschluss einer anderen Ursache des Hustens eine Bronchoskopie durchgeführt werden, vor allem wenn aufgrund von Blut im Sputum oder einem auffälligen Befund im Röntgenbild ein Bronchialkarzinom in Frage kommt.
Eine Röntgenaufnahme der Lungen und ggf. eine Computertomographie der Lungen gehören an den Beginn der Diagnostik. Sie werden im Verlauf meist wiederholt erforderlich.
Wesentliche Bestandteile einer Diagnostik sind erneute Überprüfungen der Lungenfunktion, speziell der Einsekundenkapazität (FEV1), die auf einfache Weise eine Aussage zur Behinderung der Atmung durch Verengung der Atemwege zulässt.
Bei Atemwegsinfekten wird immer wieder eine Sputumdiagnostik auf Krankheitserreger erforderlich.
Klinischer Befund und Stadien
Klinisch stehen Husten und Auswurf im Vordergrund. Je nach Stadium kommt eine zunehmende Reduktion des FEV1 (Einsekundenkapazität in der Lungenfunktionsprüfung) hinzu.
Schweregrad | FEV1 | Symptome |
Grad 1 (leicht) | über 80% des Sollwerts | mit / ohne Husten u. Auswurf |
Grad 2 (mittel) | zwischen 50 und 80% des Sollwerts | mit / ohne Husten u. Auswurf |
Grad 3 (schwer) | zwischen 30 und 50% des Sollwerts | mit / ohne Husten u. Auswurf |
Grad 4 (sehr schwer) | unter 30% des Sollwerts | andauernde Atemnot |
Mit zunehmendem Stadium sinkt die FEV1, das Luftvolumen, das nach maximaler Einatmung mit Kraft innerhalb einer Sekunde ausgeatmet werden kann (die Einsekundenkapazität).
Im Spätstadium kommt es zu subjektiver Atemnot, einer Ateminsuffizienz schon bei leichter Belastung (Belastungsdyspnoe) und bei weiterem Fortschreiten auch in Ruhe (Ruhedyspnoe). Der Patient hat gestaute Halsvenen und sieht zyanotisch aus.
Folgen einer COPD
Die COPD ist ein „Wegbereiter“ für bakterielle Superinfektionen. Häufig im Verlauf entwickeln sich Bronchitiden oder eine Bronchopneumonie. Die häufigen bakteriellen Infekte der Atemwege führen zu wiederholten Klinikaufenthalten und steigern das Risiko einer Resistenzentwicklung von pathogenen Keimen.
Die COPD führt zu einem Lungenemphysem und einer Rechtsherzinsuffizienz mit pulmonaler Hypertonie.
Schließlich tritt eine respiratorische Insuffizienz mit Abhängigkeit von intermittierender und schließlich ständiger Sauerstoffzufuhr ein.
Therapie
Die Therapie beinhaltet eine strikte Vermeidung von Rauch und Stäuben. Es sollte auf eine jährliche Auffrischung der Grippeimpfung geachtet werden.
Im Stadium I der COPD bedarf es bei gelegentliche Atemnotanfällen kurz wirksamer Bronchodilatatoren, im Stadium II zusätzlich lang wirksamer Bronchodilatatoren, im Stadium III zusätzlich inhaltativen Glukokortikoiden und im Stadium IV einer zusätzlichen Sauerstofftherapie.
Kortikoide werden meist mit Skepsis betrachtet, da sie das Risiko einer Pneumonie erhöhen könnten. Dies ist nach einer japanischen Studie nicht der Fall. (9)Int J Chron Obstruct Pulmon Dis. 2018 Oct 23;13:3503-3509. doi: 10.2147/COPD.S180349.
Inhalative ß2-Mimetika: Sie sind wirksam, aber Vorsicht! In einer Untersuchung wurde festgestellt, dass NT-proBNP nach stationärer Aufnahme wegen einer COPD-Exazerbationen weiter ansteigt, seltener auch die kardialen Troponine. Zurückgeführt wurde dies auf eine Behandlung mit Beta2-Agonisten. Hohe Dosen dieser inhalativen Medikamente können u. U. eine Herzfunktionsstörung bei COPD verschlimmern. (10)Respir Med. 2018 Dec;145:192-199. doi: 10.1016/j.rmed.2018.11.008. Auch wurde festgestellt, dass höhere Dosen kurz wirksamer ß-2-Mimetika geringeren Dosen nicht überlegen, jedoch ihre Nebenwirkungen höher waren. (11)Syst Rev. 2018 Nov 29;7(1):213. doi: 10.1186/s13643-018-0860-0.
Antimuskarinerge Medikamente mit langer Wirkzeit „Long-acting muscarinic receptor antagonist, LAMA) werden als Inhalativa verwendet. Revefenacin, ein lungenselektives inhalatives Medikament dieser Gruppe, zeigte bei einmal täglicher Anwendung ähnliche Verbesserungen beim FEV1-Test (Forciertes exspiratorisches Volumen in 1 Sekunde, Einsekundenkapazität) wie lang wirksame Beta-Mimetika (long-acting β-agonist, LABA) und bietet sich ebenso zur Kombination mit inhalativen Kortikosteroiden an. (12)Ther Adv Respir Dis . Jan-Dec 2020;14:1753466620905278. DOI: 10.1177/1753466620905278 (13)Chronic Obstr Pulm Dis . 2019 Apr 9;6(2):154-165. doi: 10.15326/jcopdf.6.2.2018.0152. Epub 2019 Apr … Continue reading LAMA werden i. A. gut vertragen, sie erhöhen das Risiko kardiovaskulärer Komplikationen oder Nebenwirkungen nicht und senken die Frequenz der akuten Exacerbationen (Verschlechterungen) deutlich. (14)J Investig Med . 2021 Dec;69(8):1391-1398. DOI: 10.1136/jim-2021-001931 . Epub 2021 Aug 6.
Antibiotika werden bei bakteriellen Infekten frühzeitig eingesetzt. Wegen der Häufigkeit respiratorischer Infektionen und der daher notwendigen häufigen Antibiose besteht ein hohes Risiko für eine Besiedlung mit multiresistenten Keimen (u. a. eine MRSA-Besiedlung).
Roflumilast (Daxas®) ist eine neue Therapieoption für die COPD. Es ist ein spezifischer Phospodiesterase-Hemmer, der oral appliziert wird und zusammen mit Bronchodilatatoren die Lungenfunktion, speziell die Einsekundenkapazität FEV1 verbessert. Roflumilast scheint einer akuten Exacerbation bei schwerer COPD vorzubeugen zu können. Der Stellenwert in der Behandlung der COPD speziell im Vergleich zu Glukokortikoiden steht zu ermitteln. (15)Consult Pharm. 2012 Mar;27(3):189-93 (16)Clin Ther. 2012 Jan;34(1):56-66
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Verweise
Patienteninfos
- Chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD) – einfach erklärt
- Asthma – einfach erklärt
- Lungenemphysem – einfach erklärt
- Die Lunge
- Atemnot
- Das Herz
Literatur
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↑2 | Am J Respir Crit Care Med . 2017 Jan 1;195(1):43-56. DOI: 10.1164/rccm.201506-1182OC. |
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↑5 | BMC Med Genet. 2018 Aug 1;19(1):134. DOI: 10.1186/s12881-018-0656-z. PMID: 30068317; PMCID: PMC6090900. |
↑6 | Am J Respir Crit Care Med. 2012 Feb 15;185(4):373-81. doi: 10.1164/rccm.201108-1382OC. Epub 2011 Dec 8. PMID: 22161163; PMCID: PMC3297093. |
↑7 | Respir Res. 2019 Dec 2;20(1):268. DOI: 10.1186/s12931-019-1222-8. PMID: 31791327; PMCID: PMC6889726. |
↑8 | Respir Res. 2019 Nov 4;20(1):243. DOI: 10.1186/s12931-019-1215-7. PMID: 31684967; PMCID: PMC6829949. |
↑9 | Int J Chron Obstruct Pulmon Dis. 2018 Oct 23;13:3503-3509. doi: 10.2147/COPD.S180349. |
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↑15 | Consult Pharm. 2012 Mar;27(3):189-93 |
↑16 | Clin Ther. 2012 Jan;34(1):56-66 |