Nahrungsmittelunverträglichkeit

Unter Nahrungsmittelunverträglichkeit (Nahrungsmittelintoleranz) werden körperliche Missempfindungen nach Aufnahme bestimmter Nahrungsmittel verstanden, wobei die Lebensmittel selbst oder die Zusatzstoffe für die Reaktion des Körpers verantwortlich sein können. Die Unverträglichkeitsreaktionen können den Darm mit Übelkeit, Durchfall und Darmkrämpfen betreffen, aber auch den gesamten Körper beeinträchtigen; “Fernsymptome” sind beispielsweise plötzliche Hautrötung (Flush), Blutdruckabfall und Tachykardie (schneller Herzschlag).


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Häufigkeit

Etwa 20% der westlichen Welt-Bevölkerung leidet an einer Art der Nahrungsmittelintoleranz, aber nur 1-2% an Nahrungsmittelallergie. (1)Nutrients. 2019;11:1684. doi: 10.3390/nu11071684.

Einteilung

  • Allergisch vermittelte Nahrungsmittelunverträglichkeit (Nahrungsmittelallergie): Unverträglichkeit, die durch das Immunsystem vermittelt werden.
  • Nicht allergisch vermittelte Nahrungsmittelunverträglichkeit: hierunter fallen verschiedene Formen von Intoleranzen: metabolisch, pharmakologisch oder toxisch ausgelöst, und auch die pseudoallergischen Unverträglichkeiten, die ohne immunologische Auslösung zu einer Histaminausschüttung führen.

(Dazu siehe unter Allergie und Überempfindlichkeitsreaktionen des Körpers.)

Allergische Nahrungsmittelintoleranz

Nahrungsmittel-vermittelte Allergien kommen über das darmassoziierte Immunsystem (GALT) im Bereich des Darmkanals zustande. Sie können sich allerdings an allen Schleimhäuten manifestieren, da die mukosa-assoziierten lymphatischen Gewebe (MALT), zu denen das GALT gehört, untereinander in funktioneller Verbindung stehen. Es kommen dabei auch Fernwirkungen im Körper zustande, so dass auch systemische Reaktionen ausgelöst werden können.

Siehe auch unter Nahrungsmittelallergie.

Bedeutung des Immunsystems

Eine allergisch bedingte Nahrungsmittelunverträglichkeit wird durch immunologische Reaktionen gegen Nahrungsbestandteile hervorgerufen. Solch eine Reaktion ist sehr spezifisch auf das auslösende Allergen gerichtet (beispielsweise auf bestimmte Substanzen in Erdbeeren – Erdbeerallergene). Sie bewirkt in einem zweiten Schritt eine Bildung von Vermittlersubstanzen des Körpers (Mediatoren), so von Histamin und Bradykinin, die die eigentlichen Gefäß- und Schockreaktionen bewirken.

Ein für eine echte Nahrungsmittelallergie typischer Befund ist der Nachweis von vermehrt IgE-produzierenden Plasmazellen, die im gesamten Darmtrakt vorkommen.

Es gibt verschiedene immunologische Reaktionstypen:

  • Typ-III-Reaktionen: Sie finden sich bei extraintestinalen (außerhalb des Magendarmkanals gelegenen) allergischen Effekten, die durch Nahrungsmittel ausgelöst werden.
  • Typ-IV-Reaktion: Sie findet sich vermutlich bei der Sprue.

Zu den Reaktionstypen siehe hier.

Antikörper des IgG- oder IgM-Typs allein sind nicht unbedingt Ausdruck einer Nahrungsmittelallergie, da sie auch beim Gesunden vorkommen. Auch IgA-Antikörper gegen Nahrungsmittelantigene gibt es unter nicht krankhaften Bedingungen (sie sind “physiologisch”).

Manifestationen im Magen-Darm-Kanal

  • In Mund und Ösophagus können Schwellungen, Rötungen, schmerzhafte kleine Schleimhautdefekte (aphthöse Läsionen) und Schleimhautunterblutungen auftreten.
  • Im Magen können erosive Veränderungen, eine chronisch-erosive oder eine varioliforme Gastritis mit Gewebseosinophilie und Vermehrung IgE-haltiger Zellen auftreten.
  • Im Dickdarm (Kolon) kann eine eosinophile Kolitis auftreten, bei der auch vermehrt IgE-haltige Zellen gefunden werden.

Symptomatik

Eine Nahrungsmittelunverträglichkeit kann sich durch folgende Symptome bemerkbar machen:

Nicht-allergische Nahrungsmittelintoleranz

Angeborene Stoffwechselstörungen

Unverträglichkeit durch medikamentenartige Wirkung von Nahrungsbestandteilen

Hierunter fallen viele Bestandteile oder Zusatzstoffe von Nahrungsmitteln, die pharmakologisch aktive Substanzen enthalten und bei empfindlichen Menschen zu ausgeprägten allgemeinen Nebenwirkungen führen. Dazu gehören z.B.

Giftartige Wirkungen von Nahrungsbestandteilen

Nahrungsmittel enthalten viele Zusatzstoffe (Konservierungsstoffe, Antibiotika, Pestizide etc.), die toxisch (giftartig) wirken und verschiedenste Nebenwirkungen auslösen können. Die Antibiotika-assoziierte Diarrhö ist am bekanntesten. Vielfach werden unbestimmte Einschränkungen des Allgemeinbefindens wie Abgeschlagenheit oder eine ungeklärte Kopfschmerzneigung vielleicht durch solche Substanzen hervorgerufen. In der Praxis sind sie jedoch oft nicht exakt einer solchen Substanz zuzuordnen. Die Beweisführung ist schwierig; eine Eingrenzung gelingt jedoch durch Auslass- und Reexpositionsversuche, wenn sie vertretbar sind (s. u.).

Diagnostik

Das plötzlich Aufreten der Symptomatik nach Nahrungsaufnahme und ihr spontanes Verschwinden innerhalb weniger Stunden lässt eine Nahrungsmittelunverträglichkeit wahrscheinlich werden. Organische Krankheiten (Magen, Duodenum, Kolon, Pankreas, Leber und Gallenwege, endokrines System, Virologie, Bakteriologie etc.) sollten dennoch diagnostisch berücksichtigt und weitgehend ausgeschlossen werden. Pragmatisch kann dann folgendermaßen vorgegangen werden:

  • Weglassen verdächtigter Nahrungsbestandteile bis hin zur Ernährung mit einer Elementardiät über einige Tage und Beobachtung der Symptomentwicklung. Anschließend allmählicher schrittweiser Kostaufbau unter Beobachtung der Bestandteile, die wieder zu einer Symptomatik führen.
  • Bestimmung von Immunglobulin E (IgE) und ggf. Durchführung eines RAST-Tests auf Nahrungsmittelallergene (negative Befunde schließen eine allergische Genese nicht aus)
  • Intramukosale Injektion von Allergenzubereitungen in die Dickdarmschleimhaut und Beobachtung einer lokalen Reaktion (wegen der dazu notwendigen Koloskopie nicht routinemäßig anwendbar).

Vielfach lassen sich die Auslöser einer Nahrungsmittelintoleranz nicht eruieren, so dass man auch therapeutisch “ausprobieren” muß. Häufig bleibt eine funktionelle Dyspepsie bzw. ein Reizdarm als am wahrscheinlichsten übrig.

Differenzialdiagnosen

Wichtige Differenzialdiagnosen der Nahrungsmittelunverträglichkeit sind:

Besonderheit: Milchunverträglichkeit

Bei der relativ häufigen Milchunverträglichkeit ist nicht immer von einer Laktoseintoleranz auszugehen. Es ist zu unterscheiden zwischen

  • Unverträglichkeit von Laktose (siehe hier) und der
  • Unverträglichkeit von Milcheiweißen (z. B. Allergie gegen Kuhmilcheiweiße).

Ob nach Ausschluss einer Laktoseintoleranz (z. B. durch einen H2-Atemtest) eine Kuheiweißallergie vorliegt, kann ein Allergologe durch einen Prick-Test herausfinden.

Bei Brustmilchkindern kommt eine nicht zu seltene Unverträglichkeit von Substanzen hinzu, die in der Nahrung der Mutter vorkommen und in minimalen Mengen in die Muttermilch übergehen. Sie können bei empfindlichen Kindern zu erheblichen Blähungen und Bauchschmerzen führen. Mütter solcher Kinder sind gezwungen, sich mit ihrer Ernährung darauf einzustellen (vgl. Stillen mit Muttermilch).


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Verweise

Patienteninfos

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 

Literatur[+]