Stuhlinkontinenz, auch als Mastdarmschwäche bezeichnet, bedeutet Undichtigkeit des Darmausgangs. Sie ist ein verschwiegenes Leiden, bei dem unwillkürlich Stuhl abgeht, kann zu einer sozialen Isolierung führen und belastet die Betroffenen erheblich. Ursache ist eine unzureichende Funktion des Schließmuskels (Sphincterinsuffizienz). Der Proktologe (Spezialist für Enddarmkrankheiten) kann in vielen Fällen die Ursache finden und helfen.

Stuhlgang


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Symptome


Das Kardinalsymptom ist der unwillkürliche Stuhlabgang, speziell beim Pressen, Niesen, Husten, Heben, Hüpfen etc. Der Stuhl muss dabei nicht auffällig sein. Insbesondere bei dünnem, schleimigem oder wässrigem Stuhl entwickelt sich häufig eine perianale Dermatitis, ein chronisches Hautekzem oder ein perianaler Abszess, die sekundär durch perianalen Juckreiz und Schmerzen auffallen. Bei Stuhlinkontinenz kommt es gehäuft durch die Nachbarschaftsbeziehung zur Harnröhre (besonders bei Frauen) zu aufsteigenden Harnwegsinfekten.

Einteilung

  • Grad 1: Unkontrollierter Abgang von Winden
  • Grad 2: Unkontrollierter Abgang von breiigem / flüssigem Stuhl
  • Grad 3: Unkontrollierter Abgang von festem / geformtem Stuhl

Ursachen

  • Meist liegt eine Sphinkterinsuffizienz (Schließmuskelschwäche) bei allgemeiner Muskel- und Bindegewebsschwäche vor. Bei Frauen wird die Stuhlinkontinenz durch eine Beckenbodensenkung, die ebenfalls Ausdruck einer Gewebeschwäche ist, gefördert. Gelegentlich ist paradoxerweise der willkürliche Stuhlgang durch das DPS (descending perineum syndrome) erschwert.
  • Ein Kotstein (verhärteter Stuhlpfropf im Rektum, der sich bei Obstipation bildet), führt durch Verflüssigung des davor liegenden Stuhls (durch Schleimproduktion der Mukosa), sodass er an dem Hindernis vorbei flutschen kann. Der verflüssigte Stuhl kann jedoch schlecht gehalten werden und schmiert in die Unterwäsche oder Windel.
  • Ein stenosierender tief sitzender Tumor führt ebenfalls zu einer Verflüssigung des sich vor der Enge stauenden Stuhls; der flüssige Stuhl, der den Darmausgang erreicht, kann schlecht gehalten werden.
  • Gelegentlich ist eine Gefühlsstörung (Sensibilitätsstörung) bei einer Neuropathie (z. B. bei einer diabetischen Neuropathie) oder ein sonstiges Nervenleiden die Ursache.
  • Eine Erkrankung des Sphinkterapparats (z. B. Entzündung, Fistelbildung etc.) führt oft zu einem Abgang von Stuhl und/oder Schleim, s. u.
  • Eine Entzündung des Rektums (Enddarm) (Proktitis) führt meist zu einem Abgang von Schleim und gelegentlich auch Blut (z. B. bei der Proctitis ulcerosa, s. u.).

Besondere Formen

  • Stuhlinkontinenz durch Störung der Innervation z. B. nach Schlaganfall, bei Multipler Sklerose, bei Cauda-equina-Syndrom, bei Spinalkanalstenose, bei diabetischer Neuropathie, aber auch bei einer alkoholischen, medikamentös bedingten oder paraneoplastischen Neuropathie, wobei sowohl
    • eine fehlende Empfindung für den Darmausgang als auch
    • eine motorische Innervationsstörung vorherrschen kann.
  • Akute oder chronische anale Reizung bei Proktitis und / oder Anitis, z. B.
    • infektiös bedingte Proktitis oder Anitis,
    • bei Proctitis ulcerosa,
    • Proctitis nach Strahlentherapie (Strahlenproktitis),
  • Anale Sphinkterschwäche
    • nach Verletzungen (z. B. Pfählungsverletzung),
    • nach Dammschnitt (bei einer Geburt),
    • bei analen oder perianalen Abszessen oder Fisteln oder
    • nach operativen Eingriffen am Damm oder in Analbereich (selten auch nach Hämorrhoiden-Operation möglich).
  • Analer Reizung bei paradoxer Diarrhö / Inkontinenz bei raumforderndem Prozess im Rektum oder unterem Sigma (z. B. durch ein Rektumkarzinom) mit Stuhlverdünnung (führt zu analer Reizung und Inkontinenz).

Häufigkeit, Vorkommen

Von der Stuhlinkontinenz sind Frauen etwa 9-mal häufiger betroffen als Männer. Die Inzidenz nimmt mit dem Alter stark zu. In Pflegeheimen sind oft weit über 60 % der Bewohner inkontinent. Bei etwa 20 % von ihnen liegt eine Überlaufinkontinenz vor.

Diagnostik

Es kommt das gesamte diagnostische Spektrum der Proktologie zum Einsatz (siehe dort).

  • Wenn die Inspektion des Anus Hämorrhoiden Grad 3 oder 4 oder einen Analprolaps erkennen lässt, liegt meist auch eine Sphinkterinsuffizienz vor.
  • Die digitale Austastung lässt einen reduzierten Ruhetonus des Schließmuskels und einen reduzierten Kneifdruck erkennen.
  • Die Endosonographie des Analkanals lässt einen Defekt des Schließmuskels erkennen. Sie wird auch zur Untersuchung von tief sitzenden Tumoren eingesetzt, die zu einer paradoxen Diarrhö und bei schwachem Sphincter zu Stuhlschmieren führen können.
  • Die anale Manometrie zeigt eine Störung des Sphinktertonus in Ruhe und beim Kneifversuch auf.
  • Die Defäkographie lässt eine Intussuszeption und die Ausbildung und Verstärkung einer vorderen Rektozele bei der Stuhlentleerung erkennen. Sie ist zur Planung einer operativen Behandlung hilfreich.

Einteilung der Stuhlinkontinenz

Es gibt verschiedene Scores, nach denen der Schweregrad der Stuhlinkontinenz bemessen werden kann. Sie sind zur Verlaufsbeobachtung und als Hilfe für die Indikationsstellung für eine Operation hilfreich. Beispiele:

  • Der Cleveland Clinic Incontinence Score: er belegt die Angaben zu Abgang von Gas, flüssigem Stuhl, festem Stuhl und den Vorlagenwechsel je nach deren Häufigkeit mit einer Punktezahl. Die Summe der Punkte ergibt eine Gradeinteilung von perfekter Kontinenz bis hin zu totaler Inkontinenz.
  • Der Wexner Score benutzt dieselben Angaben ebenfalls für eine Punktevergabe, berücksichtigt zudem jedoch noch den Grad der sozialen Einschränkung.

Therapie

Die Behandlung umfasst je nach Ausprägung unterschiedliche Maßnahmen:

  • Windeln und Vorlagen können über das Gröbste hinweghelfen; die Geruchsbildung und das Hygieneproblem bleiben u. U. ein kaum lösbares Problem.
  • Manuelle Ausräumung: Bei einer Überlaufinkontinenz durch einen Kotstein hilft meist eine manuelle Ausräumung des Enddarms. Anschließend muss jedoch für regelmäßigen Stuhlgang gesorgt werden, wozu eine genügende Flüssigkeitsaufnahme gehört – sofern Herz und Kreislauf dies vertragen. Wenn alle diätetischen Maßnahmen nicht helfen, kann zu einer regelmäßigen, z. B. alle 2 Tage durchgeführten rektale Irrigation (Enddarmspülung) zurückgegriffen werden.
  • eine Darmmassage (Kolonmassage) kann bei trägem Darm zu Stuhldrang und Stuhlgang führen und die Bildung eines Kotsteins vermeiden helfen,
  • eine Stuhlgangsregulierung (Quellstoffe); konsistenter, gut geformter Stuhl hilft, die Symptome der Stuhlinkontinenz zu minimieren,
  • Analtampons: sie sollen den Darmausgang von innen abdichten. Nach peranalem Einführen quellen sie vor dem inneren Eingang des Analkanals auf und stoppen den Stuhl ab. Sie werden oft als Fremdkörper empfunden, der selbst Stuhldrang auslöst, und entsprechend nicht gut toleriert. Analtampons sollten im Einzelfall ausprobiert werden.
  • ein Biofeedback-Training über Wochen wirkt bei Innervationsstörungen des Schließmuskelapparats relativ häufig,
  • operative Maßnahmen,
    • Stapler-Operation nach Longo bzw. STARR-Operation z. B. bei Intussuszeption und vorderer Rektozele, Ulcus recti simplex, Intussuszeption und / oder Hämorrhoiden Grad 3 und 4
    • Sphincter-Repair-Operationen (z. B. nach Verletzungen)
    • anteriore Raffung des Beckenbodens (z. B. bei neurogener Stuhlinkontinenz)
    • Adaptation der Puborectalisschlinge
    • dynamische Gracilisplastik (Muskel vom Oberschenkel, Stimulation durch Schrittmacher, der selbst ein- und ausgeschaltet werden muss (ausgeschaltet: Weg frei für die Defäkation)
  • perianale Hauthygiene mit Reinigung und Schutz durch rückfettende Creme.
  • spezifische Maßnahmen (z.B. Therapie einer Proktitis etc.).
  • bei ausgeprägter Inkontinenz kann in Einzelfällen auch die Anlage eines Anus praeter in Betracht kommen.

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Verweise

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