Eine große Ulkusblutung im Zwölffingerdarm kann lebensbedrohlich sein, da hier große Arterien benachbart sind. Der hier dargestellte Fall zeigt, wie dramatisch sie verlaufen kann.

Ereignis


Ein 46-jähriger Mann bricht bei Antritt einer Dienstreise auf einem Bahnsteig zusammen und wird vom Notarzt erstversorgt. Er ist ansprechbar, aber offenbar kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren. Der Arzt registriert kalten Schweiß und eine flache, rasche Atmung. Der Puls lässt sich am Handgelenk nicht ertasten, an der Halsschlagader fliegt er. Er legt umgehend eine Infusion an und lagert die Beine hoch; der Kreislauf und die Bewusstseinslage verbessern sich. Die Herzaktion liegt nun bei 130/Min, der Blutdruck systolisch bei 70 mm Hg. Der Mann ist ängstlich agitiert; er gibt keine Schmerzen an. Bei einigermaßen stabilen Blutdruckwerten um 90 systolisch erfolgt der Transport ins nächstgelegene Krankenhaus.

Diagnostik in der Klinik

In der Notaufnahmestation werden die Kreislauf stabilisierenden Maßnahmen fortgeführt und eine Diagnostik eingeleitet. Die erste Anamnese ergibt keine ernstlichen Vorerkrankungen, keine Allergien, keine Thromboseneigung, einen Nikotinabusus und starken beruflicher Stress. Es besteht eine auffällige Blässe; die Halsvenen sind nicht gestaut, eher leer; sonst ist der körperliche Untersuchungsbefund unauffällig. Unter den Notfalllaborwerten zeigt das Blutbild eine mäßige Anämie mit einem Hämoglobinwert um 11 g/dl, wobei die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) normal groß sind und einen normalen Hämoglobingehalt aufweisen. Die weiteren Werte sind unauffällig. Der pulsoximetrisch gemessene Dauerstoffpartialdruck liegt unter Sauerstoff, der über eine Nasensonde gegeben wird, bei 94 %.

Sicherung der Diagnose und erste Therapie

Als Ursache des Kreislaufschocks wird eine frische große innerliche Blutung, vermutlich im Magendarmkanal, angenommen, vermutlich eine Ulkusblutung. Weniger wahrscheinlich erscheinen den behandelnden Ärzten eine Lungenembolie, ein anaphylaktischer Schock und eine Sepsis, denn es bestehen weder eine Thromboseneigung, eine Halsveneneinflussstauung, eine allergische Veranlagung noch Fieber. Ein Herzanfall wird wegen der Schmerzlosigkeit und der zwar raschen, aber regelmäßigen Herzaktion als eher unwahrscheinlich angesehen. Es werden Blutkonserven angefordert.

Als diagnostische Maßnahme wird bei nun stabilisierten Kreislaufverhältnissen eine sofortige endoskopische Diagnostik geplant, wobei zuerst eine Duodenogastroskopie und nachfolgend ggf. eine Koloskopie (nach Einlauf) stattfinden soll. Bei der Gastroskopie wird im Magen sowie im Duodenum und oberen Ileum Blut gefunden. An der kleinen Kurvatur des Bulbus duodeni findet sich ein wandadhärentes frisches Koagel. Unter ihm wird in einem kleinen Geschwür der Stumpf eines größeren Blutgefäßes vermutet, wahrscheinlich eines Seitenastes der Arteria gastroduodenalis. Der diensthabende Chirurg wird hinzugezogen und der Entschluss zur Clippung des Gefäßes gefasst. Es werden erfolgreich und komplikationslos 2 Hämoclips gesetzt. Eine untere Endoskopie wird als verzichtbar angesehen.

Duodenalgeschwür mit frischem Blutkoagel nach großer Blutung. ÖGD.
Das Geschwür unter dem Koagel wurde erfolgreich mit zwei Clips verschlossen.

Weitere Behandlung

Die weitere Behandlung erfolgt für 3 Tage auf der Intensivstation unter Kreislaufüberwachung. Es werden 2 Blutkonserven (gewaschene Erythrozyten) verabreicht. Der Hämoglobinwert liegt anschließend bei etwa 10 g/dl. Medikamentös werden Säureblocker (PPI) und wegen der ängstlichen Agitiertheit vorübergehend ein leichtes Sedativum verabreicht. Der weitere Verlauf ist komplikationslos.

Bei einer Kontrolle nach 3 Wochen ist das Ulkus verheilt.

Bei der endoskopischen Kontrolle nach 3 Tagen sitzen die Clips regelrecht; Magen und Duodenum sind blutfrei. Eine Biopsie der Magenschleimhaut ergibt einen Befall mit Helicobacter pylori. Eine herkömmliche Eradikationsherapie wird eingeleitet. Die nun nachgeholten weiteren Untersuchungen verlaufen unauffällig. Der Patient wird nach 6 Tagen entlassen. Ambulant wird zur Förderung der Blutbildung eine Eisensubstitution eingeleitet. Dem Patienten wird mitgeteilt, dass der zu erwartende schwarze Stuhl durch das zugeführte Eisen und nicht durch Blut bedingt sein wird. Sollte eine neuerliche Blutung auftreten, würde er das am ehesten durch unnatürlich raschen Puls (Tachykardie) und Kreislaufprobleme (durch Blutdruckabfall) merken; er solle sich dann umgehend melden. Bei einer endoskopischen Kontrolle nach 3 Wochen ist das Ulkus verheilt; die Clips sind abgefallen.

Bewertung

Es handelt sich hier um eine akute große Ulkusblutung im Zwölffingerdarm aus einem Ast der Arteria gastroduodenalis. Eine Blutung an dieser Stelle ist mit einer hohen Letalität behaftet. In diesem Fall kam es zum Glück des Patienten zu einer spontanen Blutstillung, wohl noch auf dem Bahnsteig, sodass Kreislaufstabilisierung und Transportfähigkeit relativ rasch erreicht werden konnten.

In der Klinik wurden die verschiedenen Differenzialdiagnosen in der Weise gewichtet, dass eine innerliche Blutung als die wahrscheinlichste Ursache angesehen und eine endoskopische Diagnostik veranlasst wurde. Die Blutungsquelle war, wie die obere Endoskopie (ÖGD) zeigte, inzwischen durch ein Koagel verschlossen, wozu der im Schock stark erniedrigte Blutdruck beigetragen haben mag.

Als Prädisposition (Veranlagung, Vorbedingung) kann der Zigarettenkonsum und der Befall der Schleimhaut mit Helicobacter pylori angesehen werden. Belastender Stress (Dysstress) verstärkte das Risiko.

Jede Manipulation am Koagel ist in solch einer Situation höchst gefährlich, da sie zu einer neuerlichen Blutung führen kann und der entstehende Blutsee eine endoskopische Stillung praktisch unmöglich macht. Eine Absprache des Endoskopikers mit dem Chirurgen ist in solch einem Fall bei im Notfall sofort erforderlicher Operation unbedingt empfehlenswert. Hier wurde eine Absicherung des gefährdeten Blutgefäßstumpfs durch einen Metallclip abgesprochen und durchgeführt. Glücklicherweise saß bereits der erste Clip perfekt, sodass es zu keiner Blutung kam. Ein zweiter Clip wurde sicherheitshalber daneben platziert.

Das Risiko einer Rezidivblutung ist innerhalb der ersten 3 Tage am größten, sodass ein Kreislaufmonitoring über diesen Zeitraum indiziert ist. Die medikamentöse Behandlung zielt auf eine Unterdrückung der Säureproduktion des Magens durch Säureblocker (PPI) und eine Ausmerzung der Magenkeime (Eradikation von Helicobacter pylori). Auf Rauchen sollte natürlich auf Dauer verzichtet und der Stress besser bewältigt und abgebaut werden.


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Verweise