Appetitlosigkeit wird auch als Inappetenz bezeichnet. Sie ist ein vieldeutiges Symptom und tritt bei vielen Erkrankungen als führendes Symptom oder Begleitsymptom auf. Ursachen sind akute und chronische Erkrankungen sowie bösartige Tumore.
- Bei akuten Erkrankungen verschwindet die Appetitlosigkeit nach Gesundung wieder.
- Bei chronischen Erkrankungen hält die Inappetenz lange an und führt zu einer Gewichtsabnahme.
- Bei einem maligen Erkrankung kann die Inappetenz schon früh auftreten. Mangelnder Appetit und Gewichtsabnahme sind häufig Ursache einer Tumorsuche.
Da der Appetit im Körper dazu dient, das Körpergewicht konstant zu halten, wird er sehr fein reguliert. Dies geschieht ganz überwiegend über den Magendarmkanal und das Stammhirn. Insbesondere sind der ventrale Hippocampus und mediale septale Neurone in die Regulation eingebunden (1)Nat Commun. 2015 Dec 15;6:10188. doi: 10.1038/ncomms10188. (2)Proc Natl Acad Sci U S A. 2017 Dec 26;114(52):13816-13821. doi: 10.1073/pnas.1707228114. Epub 2017 … Continue reading. Appetitlosigkeit spricht für eine Störung dieser Regulation, wobei der Magen und der Darmkanal als Signalgeber und das Stammhirn als regulierendes Organ eine besondere Rolle spielen.
Inhaltsverzeichnis
Akut auftretende Appetitlosigkeit
Bei vielen akuten Erkrankungen des oberen Gastrointestinaltrakts findet sich eine ausgeprägte Appetitlosigkeit, vorwiegend bei akuten Erkrankungen des Magens, der Bauchspeicheldrüse und der Leber. Differenzialdiagnostisch kommen in Betracht:
- akute Gastritis: sie kann z. B. durch eine akute Infektion z. B. über verdorbene Nahrungsmittel, durch eine Helicobacter-Infektion, durch chemische Reizung (durch Chemikalien oder durch galligen Rückfluss aus dem Duodenum) oder durch Medikamente (z. B. ASS, NSAR, Interferon-alpha oder Antibiotika) bedingt sein,
- akute Pankreatitis: sie kann durch einen Diätfehler (u. a. bei Alkoholabusus) oder durch Gallensteine ausgelöst sein,
- akute Hepatitis: sie ist meist durch Viren ausgelöst (Virushepatitis), auch können Medikamente zu einer akuten Hepatitis führen,
- akute Cholangitis: sie kann durch eine Gallenkolik oder durch eine aufsteigende Infektion der Gallenwege z. B. nach Papillotomie ausgelöst sein,
- akute Enteritis: sie kann viral oder bakteriell ausgelöst sein,
- akuter Subileus oder Ileus: er kann im Rahmen einer akuten Enteritis auftreten, aber auch bei Einklemmung einer Hernie, einer akuten Appendizitis oder sonstigen akuten Erkrankungen des Bauchraums,
- akuter psychischer Stress: etwas „schlägt auf den Magen“.
Die akute Appetitlosigkeit ist oft mit anderen, weit hervorstechenderen Symptomen, wie Übelkeit, Brechreiz, Bauchschmerzen oder manchmal auch Diarrhö verbunden.
Lang anhaltende Appetitlosigkeit
Eine lang anhaltende Appetitlosigkeit führt immer auch zu einer Gewichtsabnahme.
Wenn das Körpergewicht nicht abnimmt, ist davon auszugehen, dass die geklagte Appetitstörung nicht sehr ausgeprägt ist oder sich nur auf bestimmte Situationen oder Speisen bezieht.
Eine anhaltende Appetitlosigkeit mit Gewichtsabnahme kann auf eine chronische Erkrankung des Magendarmkanals hinweisen, aber auch auf eine schwerwiegende sonstige Störung der körperlichen oder psychischen Gesundheit. Sie sollte daher immer genau abgeklärt werden.
Differenzialdiagnosen
Folgende Ursachen einer lang anhaltenden Inappetenz können infrage kommen:
- chronische Gastritis
- chronische Erkrankung des Dünndarms, z. B. bakterielle Überwucherung des Dünndarms, Stenose im Dünndarmbereich (z. B. bei Morbus Crohn)
- chronische Lebererkrankung, z. B. Leberzirrhose oder chronische Cholangitis,
- chronische Bauchspeicheldrüsenerkrankung, z. B. chronische Pankreatitis,
- Tumorerkrankung: Appetitlosigkeit kommt paraneolastisch (vermittelt über Cytokine und Neuropeptide (3)Curr Opin Clin Nutr Metab Care. 2004 Jul;7(4):427-34 ) vor, so z. B. beim Magenkarzinom oder Pankreaskarzinom, auch in fortgeschrittenen Stadien extraintestinaler Tumore; die Appetitlosigkeit bei einer Krebserkrankung kann zur Kachexie führen,
- Endstadium einer HIV-Infektion,
- endokrine Erkrankung, z. B. Hyperparathyreoidismus
- Medikamentennebenwirkung am Magendarmtrakt, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und das verursachende Medikament weiter verabreicht wird,
- Folge einer Operation, z. B. nach Dünndarmresektion (z. B. wegen Mesenterialinfarkt oder Dünndarmvolvulus, siehe unter Kurzdarmsyndrom), Magenresektion (so auch nach bariatrischer Operation)
- anhaltender psychischer Stress, Burn-out-Syndrom und psychische Depression,
- physiologische Vorgänge beim Altern. (4)Interdiscip Top Gerontol. 2010;37:37-50
Tumor bedingte Inappetenz
Inappetenz ist neben Mediatorstoffen (proinflammatorise Zytokine) ein wesentlicher Grund für den Muskelabbau und den Gewichtsverlust bei Krebs. (5)Life Sci. 2017 Feb 1;170:56-63. DOI: 10.1016/j.lfs.2016.11.033. Epub 2016 Dec 3. PMID: 27919820. Tumorzellen fördern aktiv Gewebeuntergang durch Produktion von Mediatoren und spezifischen Faktoren. Von Bedeutung ist insbesondere ein Parathormon-verwandtes Protein, welches eine Anorexie fördert. (6)Psychoneuroendocrinology. 2010 Sep;35(8):1178-86. doi: 10.1016/j.psyneuen.2010.02.003. Epub 2010 … Continue reading Auch Mikro-RNAs sind in dieser Beziehung wirksam. (7)Mediators Inflamm. 2015;2015:367561. doi: 10.1155/2015/367561. Epub 2015 Oct 4.. Das Verständnis der molekularen und metabolischen Mediatoren der tumorbedingten Kachexie ist noch weitgehend unklar. Ein Verständnis der Zusammenhänge wird sowohl die Behandlung der Inappetenz voranbringen, als auch die Lebensqualität der Patienten verbessern. (8)Oncogenesis. 2016 Feb 22;5:e200. doi: 10.1038/oncsis.2016.3.
Therapie
Die Behandlung des Appetitverlusts richtet sich nach seiner Ursache. Die Behandlung der Grunderkrankung führt meist zu einer Normalisierung des Appetits.
Besonders schwierig ist der Appetitmangel bei einer fortgeschrittenen Tumorkrankheit zu therapieren. Eine Behandlung mit in Entwicklung befindlichen Melanocortin-Receptor-Antagonisten und Ghrelin-Mimetica scheint neue Perspektiven zu eröffnen (9)Curr Opin Support Palliat Care. 2010 Dec;4(4):266-71. doi: 10.1097/SPC.0b013e32833e48e7.. Eine Verstärkung des Ghrelin-Signalwegs vermindert die Appetitlosigkeit und verbessert die Lebensqualität bei Krebs. (10)Transl Psychiatry. 2011 Jul 26;1:e23. doi: 10.1038/tp.2011.25.
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Verweise
Patienteninfos
Literatur