Allgemeines


Eine „liquid biopsy“ ist eine nicht-invasive und sehr aussagekräftige Methode der medizinischen Diagnostik, bei der aus einer Blutprobe Zellen isoliert, identifiziert und untersucht werden, die für bestimmte Krankheiten typisch sind. Sie wird hauptsächlich zu Diagnostik und Überwachung von Krebserkrankungen eingesetzt. Ihre Aussagekraft wird durch neue Forschung ständig verbessert.

Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Die „Liquid Biopsy“ ist eine diagnostische Methode, die aus Blut und Körperflüssigkeiten patientenschonend Informationen gewinnen kann, ob eine bösartige Wucherung oder eine sonstige spezielle Krankheit im Körper vorliegt.

Bezüglich einer bösartigen Erkrankung liefert sie auch Informationen über ihren genetischen oder molekularen Status, was für eine zielgerichtete, individualisierte Therapie erforderlich ist.

Dazu benötigt man eine Probe von Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin oder Zerebrospinalflüssigkeit (Liquor). Eine herkömmliche Biopsie dagegen bedarf einer invasiven Entnahme einer Gewebeproben direkt aus dem Tumor, was u. U. schmerzhaft und mit einem erhöhten Komplikationsrisiko verbunden ist.

Die liquid biopsy verbessert damit die Patientenversorgung. Sie hat zudem das Potenzial, die klinische Forschung zu beschleunigen, da sie eine einfache und wiederholbare Möglichkeit bietet, Biomarker in großen Patientenkohorten zu untersuchen. (1)J Hematol Oncol. 2022 Sep 12;15(1):131. DOI: 10.1186/s13045-022-01351-y

Krebs
Tumorsuche


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Was untersucht wird

Bei einer liquid biopsy werden verschiedene Arten von Biomarkern analysiert, die aus dem Tumor oder den tumorassoziierten Zellen freigesetzt werden. Zu ihnen gehören zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA), zirkulierende Tumor-RNA (ctRNA), zirkulierende Tumor-Zellen (CTCs) und extrazelluläre Mikrovesikel (Exosomen). Diese Marker enthalten genetische Informationen oder Moleküle, die auf Veränderungen oder Anomalien im Zusammenhang mit Tumoren oder bestimmten Krankheiten hinweisen können. (2)Mol Cancer. 2022 Mar 18;21(1):79. DOI: 10.1186/s12943-022-01543-7

Anwendungen in Klinik und Praxis

Die liquid biopsy wird bereits in verschiedenen Bereichen der medizinische Diagnostik und Überwachung, insbesondere in der Präzisionsonkologie, angewendet: (3)J Hematol Oncol. 2022 Sep 12;15(1):131. DOI: 10.1186/s13045-022-01351-y Da sie eine Organbiopsie, eine Knochenmarkbiopsie oder eine Liquorpunktion oft entbehrlich macht, hat sie eine hohe Akzeptanz bei Patienten. In der Gastroenterologie lässt sich möglicherweise auch die Prozedur einer endoskopischen Vorsorgeuntersuchung vermeiden und bietet damit erstmals die Möglichkeit, eine Darmkrebsvorsorge breitflächig anzubieten. (4)Mol Cancer. 2022 Mar 18;21(1):79. DOI: 10.1186/s12943-022-01543-7

  1. Präzisionsmedizin in der Onkologie: Eine liquid biopsy kann genetische Veränderungen oder Mutationen in einem Tumor identifizieren, die für die Wahl einer gezielten Therapie relevant sind. Dies ermöglicht eine personalisierte Behandlung, bei der Medikamente gezielt auf die spezifischen Mutationen des Tumors abgestimmt werden.
    1. Krebsdiagnose: Durch die Analyse von zirkulierender Tumor-DNA oder anderen Biomarkern im Blut können genetische Veränderungen oder Mutationen identifiziert werden, die auf das Vorhandensein eines Tumors hinweisen. Dies ermöglicht eine nicht-invasive Überwachung von Krebserkrankungen und kann bei der Wahl der individuell geeigneten Therapie helfen. (5)J Pers Med. 2023 Apr 20;13(4):694. doi: 10.3390/jpm13040694 In der klinischen Praxis wird die liquid biopsy derzeit bereits bei Blutkrebs, Lungenkrebs, Brustkrebs, Darmkrebs und Prostatakrebs eingesetzt.
    2. Prognose und Therapieüberwachung: Eine liquid biopsy kann verwendet werden, um den Verlauf einer Krebserkrankung zu überwachen und die Wirksamkeit einer laufenden Therapie zu beurteilen. Durch die regelmäßige Analyse von Biomarkern im Blut kann festgestellt werden, ob der Tumor auf eine Behandlung anspricht, ob Resistenzen gegen die verwendeten Medikamente auftreten oder ob ein Rückfall droht. Die liquid biopsy ermöglicht jetzt bereits eine nicht-invasive Überwachung von Tumoren, eine frühere Erkennung von Rückfällen oder Metastasen, eine personalisierte Therapieauswahl und eine Reduzierung der Notwendigkeit invasiver Gewebeentnahmen.
  2. Überwachung von Organtransplantationen: Bei Organtransplantationen kann eine liquid biopsy eingesetzt werden, um die Auswahl der Spenderorgane sicherer zu machen und bei transplantierten Organen eine Abstoßungsreaktion oder andere Komplikationen ohne dass eine Gewebeentnahme zu erkennen. Durch die Analyse von Biomarkern im Blut kann der Zustand des transplantierten Organs überwacht werden. (6)J Clin Pathol. 2020 Aug;73(8):507-510. doi: 10.1136/jclinpath-2019-205926 (7)PLoS One. 2023 Feb 24;18(2):e0282332. DOI: 10.1371/journal.pone.0282332 (8)Nat Rev Nephrol. 2021 Sep;17(9):591-603. DOI: 10.1038/s41581-021-00428-0
  3. Erkrankungen des Gehirns: Extrazelluläre Blutbläschen (EVs,  z. B. Exosomen) sind von Zellen abgeleitete Vesikel, die auch aus Gehirn und Rückenmark ins Blut abgegeben werden. Sie enthalten Biomarker, die Hirnkrankheiten anzeigen können. In geeigneten Fällen ist damit eine  Liquorpunktion zur Diagnostik vermeidbar. Eine Blutprobe kann reichen, um neurodegenerative Krankheiten zu differenzieren. Die Diagnostik geeigneter Marker im Blut macht erhebliche Fortschritte. (9)Front Aging Neurosci. 2022 Aug 5;14:977999. doi: 10.3389/fnagi.2022.977999.
    (10)Front Mol Neurosci. 2022 Nov 24;15:1061076. DOI: 10.3389/fnmol.2022.1061076

 Weitere Entwicklung

Die Technologie befindet sich in einer raschen Entwicklung bezüglich Anwendbarkeit, Empfindlichkeit und Spezifität der Nachweismethoden sowie neuer Biomarker in Körperflüssigkeiten und der Interpretation der Ergebnisse. Die laufende Forschung und Entwicklungen bezieht zunehmend Anwendungen der liquid biopsy auf andere Krankheitsbereiche wie neurologische Erkrankungen und Infektionskrankheiten ein. Fortschritte werden vor allem bei Methoden der Genomanalyse von Einzelzellen und bei Bioinformatik-Tools erzielt. (11)Cancers (Basel). 2023 Apr 13;15(8):2275. DOI: 10.3390/cancers15082275

Verweise

Literatur[+]