Vorhofflimmern – einfach erklärt

Artikel aktualisiert am 16. Juni 2023

Vorhofflimmern ist eine Rhythmusstörung des Herzens, bei der sich die Vorhofmuskulatur besonders schnell, dabei aber ineffektiv kontrahiert. Sie „flimmert“ kann wegen ungenügender Zeit für die Systole (Kontraktionsphase) und für die Diastole (Erschlaffungsphase) nicht effektiv pumpen.


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Das Wichtigste

Kurzgefasst

Bei Vorhofflimmern schlagen die Vorhöfe des Herzens nicht mehr. Ihre Muskulatur „flimmert“. Die Herzkammern dagegen schlagen, allerdings völlig unregelmäßig; es kommt zur absoluten Arrhythmie.

Vorhofflimmern kann vorübergehend oder dauerhaft sein (intermittierendes oder persistierendes Vorhofflimmern). Betroffen sind vor allem ältere Menschen.

Vor allem im linken Vorhof, und dort im „Herzohr“, einer kleinen Aussackung, fehlt eine gute Blutdurchmischung. Dadurch können sich dort Blutgerinnsel bilden, die als Embolie abschwimmen und sich in anderen Organen festsetzen. Geschieht dies im Gehirn, so entsteht ein Schlaganfall.

Das Schlaganfallrisiko steigt bei einer absoluten Arrhythmie deutlich. Um es zu senken, wird in den meisten Fällen von Vorhofflimmern eine Vorbeugung mit einem Blutverdünner (Antikoagulation) empfohlen.

Zur Anatomie der Herzens siehe hier.


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Wie Vorhofflimmern zustande kommt

Vorhofflimmern entsteht meist auf dem Boden einer Herzkrankheit. Vielfach werden folgende Ursachen gefunden:

  • eine Herzschädigung durch Verkalkung der Herzkranzgefäße (Koronarsklerose),
  • eine Herzinsuffizienz infolge eines Bluthochdrucks (Hypertonie),
  • eine Schädigung des Herzens durch Alkohol bei Alkoholabusus; selbst ein kurzzeitiger Alkoholexzess (z. B. im Urlaub) kann zu Vorhofflimmern führen, welches dann jedoch häufig nur vorübergehend ist; dies wird im Amerikanischen als „holiday-heart-Syndrom“ bezeichnet,
  • eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis),
  • eine Erkrankung einer Herzklappe (z. B. eine Mitralstenose).

Menschen mit neu entdecktem Vorhofflimmern sollten sich daher einer genauen kardiologischen (auf das Herz bezogenen) Diagnostik unterziehen.

Vorhofflimmern kann auch durch Erkrankungen ausgelöst werden, die nicht primär das Herz betreffen. Beispiele sind:

Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass vielfach krankhafte zusätzliche Erregungszentren im linken Vorhof nahe den Einmündungsstellen der Lungenvenen Vorhofflimmern auslösen. Sie funken den durch den Sinusknoten koordinierten Vorhofkontraktionen dazwischen und lösen unkoordinierte Muskelzuckungen in den Vorhöfen aus. Diese Erkenntnis hat zu neuen Therapieansätzen geführt (siehe unten).

Welche Gefahren und Komplikationen von Vorhofflimmern ausgehen

Wegen des ungeordneten Flimmerns der Vorhofmuskulatur (auch als Faszikulieren und Fibrillieren bezeichnet) fehlt den Herzvorhöfen eine Pumpfunktion. Und die Herzkammern bekommen von den Vorhöfen nun kein rhythmisches Signal mehr für ihre Pumparbeit. Der Schlag der rechten wie der linken Herzkammer wird völlig unrhythmisch; es entsteht eine „absolute Arrhythmie“. Daraus resultiert eine verminderte Herzkraft, was sich besonders bei Belastung bemerkbar macht; es kann zu Belastungsatemnot (Belastungsdyspnoe) kommen.

Am linken Vorhof befindet sich eine kleine Ausstülpung, das linke Herzohr. Bei Vorhofflimmern bleibt das Blut dort wegen der fehlenden rhythmischen Kontraktion unbewegt stehen. Folge ist, dass sich dort leicht Blutgerinnsel (Thromben) bilden. Das Risiko eines gefürchteten Vorhofthrombus steigt vor allem bei älteren Menschen stark an. Wenn sich solch ein Gerinnsel loslöst, wird es als Embolus bezeichnet. Er gelangt mit dem Blutstrom in den großen Kreislauf und führt zur Verstopfung von Blutgefäßen in der Peripherie des großen Kreislaufs, was als Embolie bezeichnet wird. Gefürchtet ist vor allem solch ein vom Herzen stammendes Blutgerinnsel, das im Gehirn stecken bleibt und einen Schlaganfall auslöst.

Auswirkungen einer Embolie

Ein Blutgerinnsel, das vom Herzen kommend in einem Ast des arteriellen Gefäßsystems stecken bleibt und die nachfolgenden Stromgebiete von der Durchblutung abschneidet, verursacht je nach Größe und Lokalisation ganz unterschiedliche Komplikationen.

Gehirn: Gelangt ein abgelöstes Gerinnsel aus dem linken Vorhof (Embolus) ins Gehirn, kommt es zum akuten Schlaganfall. Menschen mit absoluter Arrhythmie sind Schlaganfall-gefährdet! Dieses ist das größte Risiko bei dauerhaftem Vorhofflimmern.

Darm: Gelangt ein Embolus in die Schlagadern (Arterien), die zum Darm führen, so folgt eine sehr schmerzhafte Darmlähmung, die notfallmäßig operiert werden muss. Operativ erkennt man einen mehr oder weniger ausgeprägten Darmabschnitt mit völlig fehlender Durchblutung (Darmischämie).

Milz: Gelangt ein Embolus in die Milz, so kommt es zu plötzlichen starken Schmerzen in der linken Flanke. In der CT– oder MRT-Untersuchung mit Kontrastmittel erkennt man einen oft keilförmigen Bezirk, der nicht durchblutet ist (Milzinfarkt).

Niere: Gelangt ein Embolus in eine Niere, so kommt es zu plötzlichen heftigen Schmerzen in der betreffenden Lende. Eine bildgebende Diagnostik kann wiederum die fehlende Durchblutung eines Nierenbezirks nachweisen (Niereninfarkt).

Bein und Arm: Gelangt ein Embolus in eine Beinarterie, so kann es je nach seiner Größe zum Absterben der nachfolgenden Abschnitte (Zehen, Fuß, Unterschenkel) kommen. Ähnlich ist es bei der Embolie einer Armarterie. Allerdings kann eine solche Embolie wegen der Versorgung der Zehen und Finger über zwei Blutwege auch harmlos ablaufen.

Vielfach machen sich kleinere aus dem Herzen abschwimmende Blutgerinnsel nicht bemerkbar, weil Blutgefäße im Körper oft miteinander verbunden sind (kommunizieren), so dass der Verschluss einer kleinen Arterie durch die Blutzufuhr einer anderen Arterie ausgeglichen (kompensiert) wird.

Welche Symptome verspürt werden

Manchmal wird ein plötzlich unregelmäßig gewordener Herzschlag vom Patienten als unruhiges Herzklopfen verspürt, gelegentlich auch als ein dumpfes ungutes Gefühl in der Herzgegend. Er kann jedoch auch unbemerkt entstehen und nur durch Zufall, beispielsweise durch ein Routine-EKG, erkannt werden.

Vielfach werden Symptome verspürt, die sich nicht primär auf das Herz beziehen lassen und vieldeutig sind. Zu ihnen gehören Abgeschlagenheit, Atemnot, Schwindel, Konzentrationsschwäche und allgemeine Leistungsabnahme.

Selten ist das erste Symptom einer absoluten Arrhythmie ein Schlaganfall.

Wie man Vorhofflimmern erkennt

Eine Arrhythmie des Herzens kann auf Vorhofflimmern beruhen, sie kann aber auch durch viele Sonderschläge (Extrasystolen) bedingt sein. Dies zu unterscheiden ist oft nur durch eine Herzstromableitung (Elektrokardiogramm, EKG) möglich.
Eine Ultraschalluntersuchung des Herzens („Herzecho„) ist aus mehreren Gründen wichtig: sie klärt,

  • ob sich bereits ein Blutgerinnsel im Herzohr des linken Vorhofs gebildet hat,
  • ob eine Herzklappenerkrankung als Ursache in Frage kommt,
  • ob eine Vergrößerung des linken Vorhofs über 5,5 cm Durchmesser vorliegt, was bedeutet, dass eine Rhythmisierung des Herzens kaum noch gelingen wird.

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Wie man Vorhofflimmern behandelt

Die Behandlung von Vorhofflimmern beruht auf folgenden Prinzipien:

  • Rhythmisierung des Herzens ,
  • Vorbeugung einer vom Herzen ausgehenden Embolie,
  • Einstellung der Herzfrequenz – sofern ein zu schneller oder zu langsamer Herzschlag mit dem Vorhofflimmern verbunden ist – und
  • Behandlung der Ursache.

Die Wiederherstellung eines geordneten Herzrhythmus

Eine Rhythmisierung des Herzens ist Erfolg versprechend

  • bei jüngeren Menschen,
  • wenn das Vorhofflimmern nicht länger als 6 Monate besteht und
  • wenn der Durchmesser des linken Vorhofs nicht größer als 5,5 cm beträgt.

Rhythmisierung durch Kardioversion

Die Wiederherstellung eines geordneten Herzrhythmus erfolgt meist durch eine Kardioversion: dabei handelt es sich um eine Elektroschock-Behandlung, die zu Ziel hat, die Tätigkeit der sich ungeordnet kontrahierenden Muskelstränge des Herzens wieder zu synchronisieren. Solch eine Rhythmisierung sollte jedoch nur dann erfolgen,

  • wenn die Aussicht auf einen bleibenden Sinusrhythmus hoch ist, und
  • wenn das Risiko einer durch die Rhythmisierung ausgelösten Schlaganfalls gering ist. Dies ist der Fall, wenn im linken Vorhof kein Blutgerinnsel nachweisbar ist, oder bei Nachweisbarkeit eines Blutgerinnsels eine ausreichende Blutgerinnungshemmung für bereits mindestens 3 Wochen eingeleitet worden ist.

Eine Rhythmisierung kann auch durch Medikamente erfolgen, wobei besonders Chinidin oft erfolgreich ist.

Nach erfolgreicher Rhythmisierung ist natürlich für die Aufrechterhaltung des Sinusrhythmus zu sorgen, was durch bestimmte Medikamente, den Antiarrhythmika, meist erreicht werden kann; Betablocker spielen dabei oft eine günstige Rolle.

Das Risiko, wieder in die absolute Arrhythmie zurückzuspringen, wird jedoch mit zunehmendem Alter immer höher. Im Fall eines fortgeschrittenen Alters ist die Indikation für eine Rhythmisierung daher strenger zu stellen. Beim Rückfall ins Vorhofflimmern nach vorangegangener Rhythmisierung muss individuell überlegt werden, ob ein zweiter Versuch durchgeführt werden soll. Unter Umständen ist die Beibehaltung des Vorhofflimmerns unter einer lebenslangen Blutverdünnung (Antikoagulation) und Frequenzkontrolle vorzuziehen. Die Vorteile und Nachteile der einen oder der anderen Strategie müssen individuell zwischen Arzt und Patient geklärt werden.

Weitere Möglichkeiten einer Rhythmisierung

Heute kommt bei manchen Menschen eine Unterbrechung kreisender Erregungen im Herzen durch „Radiofrequenzablation“ bzw. „Katheterablation“ in Betracht. Die Methode der „Pulmonalvenenisolation“ ist solch eine erfolgversprechende Entwicklung. Die Erfahrungen zeigen, dass bei guter Auswahl der infrage kommenden Patienten eine gute Erfolgsquote erreicht werden kann. Voraussetzung ist jedoch eine vorherige Analyse der Erregungswege und -abläufe durch eine spezielle Katheteruntersuchung. Eine operative Maßnahme zur Rhythmisierung spielt heute kaum eine Rolle.

Die Vorbeugung einer vom Herzen ausgehenden Embolie

Um die Gefahr der Bildung eines Blutgerinnsels im Vorhof des linken Herzens zu senken, wird in der Regel eine Blutverdünnung durchgeführt. Auf sie kann man in einigen Fällen bei jüngeren Menschen mit erst kurz bestehendem Vorhofflimmern verzichten. Die Medikamente, die zur Gerinnungshemmung ausgewählt werden, steigern gleichzeitig die Blutungsbereitschaft, so dass die verschiedenen Risiken gegeneinander abgewogen werden müssen. Dies ist bei erhöhtem Unfallrisiko, z. B. bei hohem Sturzrisiko im Alter, sowie bei inneren Erkrankungen mit Blutungsneigung, wenn z. B. ein Magengeschwür oder eine Colitis ulcerosa vorliegt, besonders schwierig.

Wenn ein Coumarin-Präparat gewählt wird (beispielsweise Marcumar oder Falithrom), wie es meist geschieht, so wird die Gerinnungshemmung so eingestellt, dass der INR-Wert zur Überprüfung der Gerinnbarkeit in der Regel zwischen 2 und 3 liegt. Neuere Medikamente, wie Apixaban, Dabigatran oder Rivaroxaban, bedürfen keiner gehäuften Gerinnungsuntersuchungen, wie die Coumarinpräparate, und können individuell in Frage kommen, wenn die Verletzungsgefährdung gering ist.

Die Einstellung der Herzfrequenz

Bei Vorhofflimmern ist der Puls gelegentlich viel zu schnell oder zu langsam. Damit arbeitet das Herz nicht effektiv. Um die Leistungsfähigkeit zu steigern und einem kritischen Kreislaufkollaps vorzubeugen, wird der Herzschlag in einen normalen Frequenzbereich einreguliert. Um die richtige Therapie zu wählen, wird in der Regel ein Speicher-EKG angefertigt, welches zu schnelle oder zu langsame Phasen (tachykarde oder bradykarde Phasen) objektiviert. Eine zu hohe Frequenz in Ruhe oder unter Belastung ist meist durch Betablocker gut zu beherrschen. Soll auch gleich die Herzkraft gesteigert werden, können Digitalisglykoside (Digitoxin oder Digoxin) gewählt werden. Ist dagegen die Herzfrequenz zu langsam oder wird sie unter der Behandlung zu langsam, so kann vorübergehend Atropin oder Ipatropium den Puls anheben; ansonsten ist ein Herzschrittmacher zu diskutieren.

Die Behandlung der Ursache

Die Behandlung der Ursache einer absoluten Arrhythmie kann, aber muss nicht das Vorhofflimmern beseitigen. In jedem Fall jedoch ist sie angebracht, wenn es für sie eine Therapiemöglichkeit gibt.

  • Beruht das Vorhofflimmern auf einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose), so ist eine Normalisierung der Schilddrüsenhormone anzustreben; dies allein führt oft bereits zu einer Normalisierung des Herzrhythmus. Es kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht, beispielsweise eine Operation oder eine Radiojod-Therapie, wenn es sich um einen Hormon produzierenden Knoten in der Schilddrüse handelt, oder eine Behandlung mit Medikamenten wie Thiamazol, wenn es sich um eine diffuse Überaktivität der Schilddrüse handelt (siehe hier).
  • Bei einer im Herzen gelegenen Ursache kann man unter Umständen ebenfalls eine Besserung erzielen.
    • Wenn dem Vorhofflimmern eine Minderdurchblutung der Herzmuskulatur zugrunde liegt, wie es bei einer Verkalkung und Verengung der Herzkranzgefäße (Koronarsklerose) der Fall ist, kann eine Aufweitung des betreffenden Blutgefäßes durch einen Herzkatheter die Chancen einer Rhythmusumwandlung verbessern.
    • Liegt ihr eine Erkrankung der Herzmuskulatur zugrunde, beispielsweise eine „Myokarditis“ (Herzmuskelentzündung), so müssen Maßnahmen zu ihrer Ausheilung ergriffen werden.
    • Wenn eine Herzklappenerkrankung (z. B. Mitralstenose, Mitralinsuffizienz, Aortenstenose) vorliegt, ist möglicherweise eine Operation indiziert.
  • Wenn eine Herzbelastung durch Bluthochdruck vorliegt, so können die Vorbedingungen für eine Rhythmisierung des Herzens durch eine Entlastung (z. B. durch ACE-Hemmer und/oder Diuretika) verbessert werden.

Was sonst von Interesse ist

Fachinfos

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).