Allgemeines


Die Temperaturregulation des Körpers ist außerordentlich komplex. Sie ermöglicht gleichbleibende Bedingungen für die Funktionen des Körpers bei wechselnder eigener Wärmeproduktion und wechselnden Temperaturbedingungen der Umwelt. (1)Physiol Rev. 2022 Oct 1;102(4):1907-1989. doi: 10.1152/physrev.00047.2021 Sie ist ein Paradebeispiel eines kybernetischen Regulationsprozesses, bei dem der Istwert der Körpertemperatur durch Fühler gemessen, mit einem zentral vorgegebenen Sollwert verglichen und je nach Abweichung über Stellglieder nachreguliert wird. Rückkopplungsprozesse gewährleisten, dass die Regelgröße „Körpertemperatur“ konstant gehalten wird. Das Steuerungszentrum liegt im Hypothalamus des Gehirns.

Aufgabe des Regulationsprozesses zur Konstanthaltung der Körpertemperatur ist es, die Stoffwechselvorgänge innerhalb des Körpers unabhängig von inneren und äußeren Temperaturschwankungen zu machen. In der Evolution erbrachte diese Erfindung einen erheblichen Vorteil bezüglich Mobilität und allen Verhaltensweisen, die von der Kröpertemperatur beeinflusst werden. Wechselwarme Tiere sind bei kühleren Temperaturen bezüglich Nahrungssuche und Verteidigung deutlich im Nachteil und müssen sich bei zu großer Hitze sehr viel früher in den Schatten zurückziehen.

Fieber


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Grundzüge der Temperaturregulation

Wärmeempfindliche Neuronen sind im peripheren und zentralen Nervensystem weit verteilt und senden ihre Informationen an das Gehirn. Peripher sind die Axone dieser Neuronen nicht myelinisierte C-Fasern.

Die Temperaturregulation des Körpers erfolgt je nach Erfordernis durch gesteigerte Wärmeproduktion oder gesteigerte Wärmeabfuhr. Die wichtigsten Mechanismen dafür, nämlich

  • Wärmezittern,
  • Stoffwechselanregung, Hautdurchblutung,
  • Schwitzen,
  • Hecheln und
  • Sträuben der Haare (des Fells)

werden durch das Zentralnervensystem koordiniert eingesetzt, so dass der vorgegebene Sollwert von 37 Grad Celsius konstant bleibt. Ist bei einer zu hohen Wärmeabfuhr die Gegenregulation unzureichend, kommt es zu einer Unterkühlung, die unter 35 Grad lebensbedrohlich wird. Ist bei einer zu hohen Wärmezufuhr von außen die gegenregulatorische Erhöhung der Mechanismen der Wärmeabfuhr unzureichend, so kommt es zu einer Überwärmung, die über 39,5 – 40 Grad ebenfalls lebensbedrohlich werden kann.  Fieber ist eine Sollwerterhöhung des Temperaturzentrums, die durch Mediatoren bewirkt wird und der Abwehr von Infektionserregern dient (siehe hier). (2)Physiol Rev. 2022 Oct 1;102(4):1907-1989. DOI: 10.1152/physrev.00047.2021

Der Regelkreis der Temperaturregulation des Körpers besteht aus einem afferenten Schenkel, einer Schaltzentrale und einem efferenten Schenkel.

  • Eingehende Signale: Der afferente Schenkel führt dem Schaltzentrum die Informationen aus dem Körper (von Haut, Rückenmark und Gehirn) über die aktuelle Körpertemperatur und den Erfolg der bisherigen Maßnahmen zu.
  • Schaltzentrum: Das Schaltzentrum im Zwischenhirn vergleicht die durch die Fühler im Körper gemessene Temperatur mit einem vorgegebenen Sollwert, berechnet die Abweichung und gibt Befehle an die Peripherie zur Minimierung der Abweichung.
  • Ausgehende Signale: Der efferente Schenkel leitet diese Befehle an die Erfolgsorgane (Haut, Muskulatur, Herz, braunes Fett) weiter. Der gesamte Regelkreis ist inzwischen weitgehend aufgeklärt (3)American Journal of Physiology – Regulatory, Integrative and Comparative Physiology Published … Continue reading.

Temperaturzentrum im Gehirn

Das thermoregulatorische Zentrum des Gehirns, die Schaltzentrale des Regelkreises, ist im präoptischen Areal (POA) am vorderen Pol des Hypothalamus lokalisiert. Es erhält alle eingehenden Signale, die zur Thermoregulation erforderlich sind, integriert und verarbeitet sie und generiert Korrektursignale, die der Justierung der Temperatur des Körpers an den Sollwert dienen. Innerhalb des POA existieren verschiedene Areale mit unterschiedlichen Funktionen; sie sind inzwischen gut untersucht und weitgehend bekannt.

Eingehende Signale, die das Temperaturzentrum erreichen, stammen von

  • der Temperaturmessung im Körper, die durch
    • Thermorezeptoren der Haut (somatosensorische C-Fasern)
    • thermosensorische Fasern im Bauchraum durch sowie
    • thermosensitive Neurone im Gehirn und im Rückenmark erfolgt.
  • pyrogenen Mediatoren. Dies sind Signalstoffe, die beispielsweise durch Infektionserreger, Immunreaktionen oder bösartige Tumore produziert und in die Blutbahn abgegeben werden. Sie wirken als Sollwertversteller im Temperaturzentrum des Gehirns und verursachen Fieber (Beispiele: Sepsis und Tumorfieber). Zu den Auslösern gehören bakterielle Endotoxine, die die Bildung von Prostaglandin PGE2 in Endothelzellen der Gefäße der Peripherie und des Gehirns und in Makrophagen hervorrufen, welches wiederum für die Fiebererzeugung ausschlaggebend ist.
  • psychologische Stressreaktionen, die durch Aufregung entstehen und über den Sympathicus vermittelt werden.

Ausgehende Signale erreichen die peripheren Effektoren über neuronale und neuroendokrine Wege. Die angesteuerten Effektoren sind

  • das braune Fett: es spielt insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern eine Rolle bei der Temperaturregulation des Körpers. Beim Erwachsenen verschwindet es weitgehend. Bei einigen jedocht bleibt braunes Fett nachweisbar. Braunes Fett ist vorwiegend in Hals- und Brustbereich (oberhalb der Schlüsselbeine) lokalisiert. Bei Kälte wird in ihm über den Sympathicus der thermogenetische Stoffwechsel angeregt, der durch Wirkung von Entkopplern lediglich Wärme (und nicht ATP) produziert. Dazu siehe hier.
  • beige Fettzellen: sie sind auch beim Erwachsenen diffus im subkutanen Fettgewebe vorhanden und können sich bei ihrer Aktivierung in braune Fettzellen wandeln, die thermogenetisch aktiv sind. Die „Bräunung“ des weißen Fetts ist ein wichtiger Mechanismus zur Anhebung der Körpertemperatur bei länger anhaltender Kälte (siehe hier).
  • das Gefäßgebiet der Haut: die Hautdurchblutung wird zur Wärmeeinsparung durch Vasokonstriktion eingeschränkt und zur Wärmeabfuhr durch Vasodilatation erhöht.
  • die Schweißdrüsen der Haut: sie werden zur Wärmeabfuhr durch den Sympathicus angeregt. Psychischer Stress kann Schweißproduktion auslösen.
  • das Herz: die Herzfrequenz wird bei Sympathikusaktivierung begleitend beschleunigt, was einer Beschleunigung der Wärmeverteilung und der Energiezufuhr im Körper dient.
  • die Muskulatur: sie wird zur Wärmeerzeugung in Muskelzittern versetzt (vermittelt über cholinerge Neurone).

Leitung der Temperaturmesswerte: Die Temperaturmesswerte der Haut gelangen über die Hinterhörner ins Rückenmark und über die spinothalamischen Bahnen in den Thalamus (Teil des Zwischenhirns, siehe hier). Die bewusste Wahrnehmung von Kälte und Wärme erfolgt über eine Weiterleitung zur Hirnrinde. Ein Defekt dieser Bahn oder der betreffenden Hirnrinde unterbricht die bewusste Wahrnehmung von Kälte und Wärme, aber nicht die autonome Thermoregulation. Diese erfolgt durch den Nucleus paraopticus im Hypothalamus (ebenfalls zum Zwischenhirn gehörig), der einen direkten Input durch thermosensorische Neurone des Hinterhorns des Rückenmarks erhält.

Thermogenese

Die Temperaturregulation des Körpers erfolgt durch eine Integration sowohl von Informationen „innerer“ (tiefe Körpergewebe, einschließlich des Gehirns) als auch der „äußerer“ (Haut) Temperatursensoren.

  • Bei Kälte: Zu den Regulationsmaßnahmen des Körpers auf Kälte oder Untertemperatur gehören die Einschränkung der Hautdurchblutung durch Gefäßkontraktion, und Wärme produzierende Maßnahmen. Eine Kühlung der Haut führt in einer ersten Reaktion, noch bevor die Körperkerntemperatur sinkt, zu einer durch den Sympathicus vermittelten Verminderung der Hautdurchblutung. Gleichzeitig wird eine gegenregulatorische Thermogenese eingeleitet, deren Effekt jedoch erst nach etwa einer ½ – ¾ Stunde einsetzt. Dafür wesentlich sind eine allgemein erhöhte Stoffwechselaktivität und speziell eine erhöhte Stoffwechselaktivität in braunem Fett, Muskelzittern, und eine erhöhte Herzfrequenz, die zur erhöhten Energiebereitstellung und Wärmeverteilung erforderlich ist. Alle Kälte-abwehrenden Reaktionen, die im medianen präoptischen Nukleus (GABAerge Signalübertragung) koordiniert und ausgelöst werden, werden aufgehoben durch Hemmung bestimmter Neurone im vorderen Hypothalamus des Gehirns (der LPBel-Neurone: Neurone im lateralen parabrachialen Kern) durch einen GABA(A)-Rezeptorantagonist (wie Muscimol). Ihre Wirkungen werden auch aufgehoben durch Blockade der dortigen (im medianen präoptischen Kern gelegenen) neuronalen Glutamatrezeptoren. Eine Stimulation dieser Rezeptoren führt zur gleichen Reaktionen wie ein Kältereiz der Haut. Bei länger anhaltender Kälte werden beige Fettzellen des Unterhautfettgewebes aktiviert (ebenfalls über Fasern des Sympathicus); sie erhöhen ihre Mitochondrienzahl erheblich, was zur „Bräunung“ des weißen Fetts führt, und werden thermogenetisch wirksam (siehe hier).
  • Bei Wärme: Zu den Regulationsmaßnahmen des Körpers bei erhöhter Körpertemperatur gehören Maßnahmen zur gesteigerten Wärmeabfuhr, wie Schwitzen und Hecheln und eine vermehrte Hautdurchblutung. Eine konvektive Wärmeabgabe über die Atmung trägt bei warmen Außentemperaturen nur einen kleineren Teil zur Temperaturregulation bei. (4)Respir Physiol 79: 145–150, 1990

Einfluss weiterer Körperinformationen: Die Neurone des Temperaturzentrums im vorderen Hypothalamus, speziell im LPB (lateraler parabrachialer Nukleus in der präoptischen Area, POA, des vorderen Hypothalamus), beziehen nicht nur direkte Temperatursignale aus dem Körper sondern zudem Informationen aus dem Gastrointestinaltrakt (so z. B. von der Magendehnung), von Geschmack, Durst und Blutdruck. Es wird angenommen, dass alle diese Funktionen des Körpers in dieser hypothalamischen Hirnregion miteinander interagieren. Auch üben noradrenerge Neurone aus dem Locus coeruleus einen modulatorischen Einfluss auf die Temperaturregulation im POA aus.

Effekt von Stress auf die Thermogenese: Eingebunden in die Reaktion auf Kältereize der Haut sind Neurone des dorsomedialen hypothalamischen Kerngebiets. Sie sind möglicherweise von Bedeutung bei der Verknüpfung von Stress mit Thermogenese und Hautdurchblutung. Durch Stress kann eine Wärmeentwicklung bis hin zu einer Hyperthermie verursacht werden. So kann z. B. durch psychische Traumata psychogenes Fieber entstehen. Diese Reaktion lässt sich im Tierversuch nicht nur durch Sedativa wie Diazepam unterbinden, sondern auch durch systemische Injektion von Antagonisten des ß3-Adrenorezeptors. Dieser Rezeptor-Subtyp wird auch besonders in braunem Fett gefunden, so dass eine Aktivierung des braunen Fetts durch den Sympathicus bei der Stress-bedingten Thermogenese eine bedeutende Rolle spielt.

Die Kerngebiete des präoptischen Areals (POA), die die Reaktionen zur Temperaturkonstanz des Körpers regulieren, liegen in direkter Nachbarschaft zum Nucleus paraventricularis, von dem die hypothalamisch-hypophysäre Achse ausgeht und über die eine Verbindung zur Sekretion von Hypophysenhormonen besteht. Die Wirkung einer experimentellen Applikation von Prostaglandin E2 (PGE2) im präoptischen Kerngebiet (POA) führt über Verbindungen zum Nucleus paraventricularis zur Erhöhung der hypophysären Bildung von ACTH, einem Stresshormon, welches die Kortisonbildung anregt.

Beeinflussung der Temperaturregulation des Körpers

Der Körper reguliert seine Temperatur selbst sehr effektiv.

Bei erheblicher und lebensbedrohlicher Untertemperatur kann die Gegenregulation durch Wärmedecken unterstützt werden. Dies kann beispielsweise auch während und nach einer Narkose, bei der die Temperaturregulation des Körpers (z. B. durch Unterdrückung des Muskelzitterns) gestört wird, erforderlich werden.

Bei hohem Fieber (z. B. über 39 Grad Celsius) sollten Temperatur senkende Maßnahmen, wie nasskalte Wadenwickel und geeignete Medikamente (siehe hier) ergriffen werden, um eine Schädigung des Gehirns (Hirnschwellung, Fieberkrämpfe) zu vermeiden.

Normale Körperemperaturen

Die zentrale Körpertemperatur, die beispielsweise im Herzen und im Gehirn messbar sind, liegen normalerweise zwischen 36 und 38 Grad Celsius. Sie erhöht sich je nach körperlicher und geistiger Anstrengung bis 40 Grad. Darüber hinaus steigt die Gefahr von Hitzeschäden. Erste Denaturierungen von Proteinen finden im Bereich von 40 – 45 Grad statt. Allerdings können vorübergehende Spitzentemperaturen von Ausdauersportlern zwischen 41,1 und 41,9 Grad ohne schwerere Schäden erreicht werden. Wiederholte Hyperthermie-Episoden während des Trainings können zu einer Thermotoleranz führen, die auf der Induktion von Hitzeschockproteinen beruht. (5)J Appl Physiol 103: 1196–1204, 2007. doi: 10.1152/japplphysiol.00242.2007


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Verweise

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