Tako-Tsubo-Kardiomyopathie

Allgemeines

Die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie ist Ursache einer stressbedingten heftigsten Schmerzattacke des Herzens, ohne Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit. Sie ist eine wichtige Differenzialdiagnose des akuten Koronarsyndroms. Der Verdacht kommt auf, wenn es sich um eine junge Frau ohne koronare Risiken mit akuter Angina pectoris-Symptomatik handelt. Bezeichnungen im Amerikanischen: transient left ventricular apical ballooning syndrome, takotsubo cardiomyopathy, broken heart syndrome.

Es handelt sich um eine akute schwere myokardiale Funktionsstörung mit heftigen pektanginösen Beschwerden ohne ursächliche Koronarstenose mit vorübergehenden Wandbewegungsstörungen im linken Ventrikel. Typisch sind eine im echokardiogramm sichtbare apikale Ballonierung (apical ballooning) und basale Hyperkontraktilität des linken Ventrikels in der Systole bei normalem Koronarangiogramm. (Genaue Definition siehe Mayo Kriterien. (1)Ann Intern Med 2004; 141: 858-865)

Die Symptomatik tritt in der Regel bei postmenopausalen Frauen auf und wird wahrscheinlich durch Vasospasmen und nicht durch eine Verengung der Herzkranzgefäße ausgelöst. Die Minderdurchblutung der Herzmuskulatur während des Anfalls kann zu Rhythmusstörungen und zu akutem Herztod führen.

Als Vorbeugung werden Beta-Blocker verwendet. (2)J Am Coll Cardiol. 2021 Feb 23;77(7):902-921. DOI: 10.1016/j.jacc.2020.10.060.

Es wurde auch von einem Kind mit Tako-Tsubo-Kardiomyopathie berichtet. (3)Congenit Heart Dis. 2012 Jan 10. doi: 10.1111/j.1747-0803.2011.00610.x

Entstehung

Vasospasmen: Die Entstehung der Tako-Tsubo-Kardiomyopathie ist weitgehend unklar. Vasospasmen können eine Rolle spielen. Möglicherweise handelt es sich auch um ein Phänomen gestörter Mikrozirkulation und / oder einer gestörten sympathischen Innervation. Ausgelöst wird ein solcher Herzanfall bei Stress verschiedener Ursache (u. a. bei psychischer und körperlicher Belastung, auch bei Stressechokardiographie). Auffällig ist eine Häufung bei Frauen mittleren bis höheren Alters mit starker emotionaler Stressbelastung („broken heart syndrome“).

Katecholamine: Bei der Messung von Katecholaminen (Norepinephrin) wurden deutlich höhere Werte im Koronarsinus als in der Aorta gemessen, so dass davon ausgegangen wird, dass eine im Herzen selbst stattfindende Katecholamin-Freisetzung zum „apical balooning“ beiträgt. (4)Circ J. 2008 Jan;72(1):106-8 Im Kardio-MRT ist eine ödematöse Auflockerung des myokardialen Gewebes im Dyskinesiebereich erkennbar. (5)J Radiol Case Rep. 2021 Jun 30;15(6):26-32. DOI: 10.3941/jrcr.v15i6.4138.

Stress und Sympathicus: Das „apical balooning“ bei der Tako-Tsubo-Kardiopathie kann durch psychischen und körperlichen Stress, d. h. durch Erhöhung des Sympathicotonus ausgelöst werden. Ähnlich steigert das Phäochromozytom (6)Endocr Pract. 2009 Sep-Oct;15(6):560-2 (7)Cardiol J. 2011;18(5):564-7 und die Thyreotoxikose (8)Postgrad Med. 2009 May;121(3):126-30 das Risiko. Es werden Fälle berichtet, in denen Serotonin/Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (z. B. das Antidepressivum und Anxiolyticum Venlafaxin) als Ursache verdächtigt werden. (9)Heart Lung Circ. 2012 Apr;21(4):203-5. DOI: 10.1016/j.hlc.2011.12.004 (10)Cureus. 2019 Jul 19;11(7):e5177. DOI: 10.7759/cureus.5177.

Entzündungsreaktion im Myokard: Entscheidend scheint eine chronische geringfügige Entzündungsreaktion im Myokard zu sein. Dies legen Untersuchungen nahe, bei denen entzündliche Myokard-Makrophagen und Veränderungen in der Verteilung von Monozyten-Untergruppen sowie eine Zunahme systemischer proinflammatorischer Zytokine gefunden wurden. (11) 2019 Mar 26;139(13):1581-1592. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.118.037975.

Chronobiologisches Muster

Aus unbekannten Gründen besteht eine Häufung der Tako-Tsubo-Anfälle in den Morgenstunden und im Sommer. (12)Intern Emerg Med. 2011 Jun;6(3):221-6 Wer im Monat November und anschließend im vierten Quartal diagnostiziert wurde, zeigte ein signifikant längeres QTc-Intervallsowie eine deutlich geringere Ereignisfreiheit über das folgende Jahr. (13)Front Cardiovasc Med. 2021 Aug 26;8:676950. DOI: 10.3389/fcvm.2021.676950.

Symptomatik

Die Beschwerden der Tako-Tsubo-Kardiomyopathie sind die eines akuten Koronarsyndroms mit heftiger plötzlicher Angina pectoris, sodass meistens die Indikation zu einer sofortigen Echokardiographie und oft auch Koronarangiographie gestellt wird.

In einer kleinen Serie waren 60 % Frauen, und in 70 % fanden sich ST-Hebungen im EKG. (14)Int J Cardiol. 2009 Apr 3;133(2):272-5

Diagnostik

  • Die Symptome gleichen denen einer akuten Myokardischämie (akutes Koronarsyndrom).
  • Im EKG treten Repolarisationsstörungen auf, die einem akuten Koronarsyndrom entsprechen.
  • In der Echokardiographie (Herzecho) können Wandbewegungsstörungen (meist apikal) im linken Ventrikel erkannt werden.
  • Im Labor können Marker für eine Myokardischämie (Creatinkinase (CK), Troponin) positiv sein.
  • Im akuten Stadium findet man bei der Herzkatheteruntersuchung keine relevante Koronarstenose. In der Lävokardiographie zeigt sich eine isolierte myokardiale Dysfunktion mit apikaler Ballonierung (röntgenologisches Bild wie ein Tintenfisch, daher der japanische Name). Es können Varianten der Dyskinesie-Lokalisation auftreten inklusive mittventrikulärer und auch basaler Dyskinesie. (15)Am J Cardiol. 2007 May 15;99(10):1451-3
  • Ein Kardio-MRT führt meist nicht-invasiv zur Diagnose und wird, so verfügbar, oft als Methode der Wahl angesehen. (16)J Radiol Case Rep. 2021 Jun 30;15(6):26-32. DOI: 10.3941/jrcr.v15i6.4138.

Verlauf und Prognose

Die Dyskinesie erholt sich in der Regel innerhalb von wenigen (etwa 2 – 6) Wochen. Wiederholungen sind möglich, treten jedoch nur in unter 10% der Fälle auf. (17)Am Heart J. 2008 Mar;155(3):408-17

Akute Komplikationen: Im Rahmen der Tako-Tsubo-Kardiomyopathie kann es zu einer Thrombenbildung an der Spitze des linken Ventrikels und zu einer schweren Mitralinsuffizienz kommen. Es sind Rhythmusstörungen zu gewärtigen, die in seltenen Fällen zum Tode führen können. Auch ein Riss der Herzwand (kardiale Ruptur) ist im akuten Stadium möglich und angeblich häufiger als vermutet. (18)Clin Cardiol. 2011 Nov;34(11):672-6. DOI: 10.1002/clc.20957. Ein akuter Tako-Tsubo-Anfall kann tödlich ausgehen; er ist vermutlich einer der Ursachen für ungeklärte plötzliche Todesfälle.

Langfristige Folgen können anhaltenden funktionelle subklinische Herzfunktionsstörung sein. Sie können damit eine diskrete Herzinsuffizienz entwickeln. (19)Circulation. 2018 Mar 6;137(10):1039-1048. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.117.031841.

Therapie

Im akuten Anfall wird eine gewisse Verbesserung der kritischen Situation einer Herzinsuffizienz von Levosimendan, einem Kalzium-Sensitizer, berichtet. (20)Cardiovasc Ther. 2013;31:e133-e137 Die Behandlung steht nicht überall zur Verfügung. Im Prinzip sind bei einer Obstruktion der linksventrikulären Ausflussbahn inotrope Substanzen kontrindiziert und können den Schock verstärken. Daher wird eine symptomatische Behandlung unter Intensiv-Kontrolle mit Flüssigkeitszufuhr und kurzwirksamen Beta-Blockern vorgeschlagen. Allerdings wird in einer Studie keine Auswirkung einer frühen Betablocker-Behandlung und der Mortalität während des Krankenhausaufenthalts gefunden. (21)Heart. 2016 Jul 1;102(13):1029-35. DOI: 10.1136/heartjnl-2015-308712. Die Abwägung der therapeutischen Maßnahmen kann kritisch sein. Wegen der Bereitschaft einer intrakardialen Thrombenbildung wird eine Antikoagulation empfohlen. (22)Clin Med Insights Cardiol. 2022 Jan 4;16:11795468211065782. DOI: 10.1177/11795468211065782

 

Beta-Blocker sollen das Herz schützen, scheinen jedoch nicht in jedem Falle zu wirken. Auch ACE-Hemmer werden als Therapieoption empfohlen. (23)Ann Pharmacother. 2010 Mar;44(3):590-3 Blutdruck erhöhende Medikamente sollten wegen der starken Katecholaminausschüttung im Anfall vermieden werden. (24)Am J Health Syst Pharm. 2009 Mar 15;66(6):562-6

Einer Untersuchung zufolge wird häufig mit Gerinnungshemmern und Medikamente gegen Herzinsuffizienz bis zu zwölf Monate lang behandelt. Es wird konstatiert, dass sich die linksventrikuläre Funktion und das Myokardödem innerhalb der ersten zwei Monate erholen. Die Anfälle werden meist überlebt. Zumindest in den ersten zwei Monaten sollen die Patienten von einer antithrombotischen und herzstärkenden Therapie profitieren können. (25)BMC Cardiovasc Disord. 2017 Aug 17;17(1):225. doi: 10.1186/s12872-017-0661-8.


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Verweise

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