Die Hepatitis D (Syn.: Delta-Hepatitis) ist eine durch das Hepatitis-D-Virus (HDV) hervorgerufene Leberentzündung, die immer als Superinfektion bei einer Hepatitis-B-Infektion auftritt. Sie kann akut oder chronisch verlaufen und zu einer rasch progredienten Leberzirrhose und frühen Dekompensation der Leberfunktion führen. Sie gilt als schwerste Form einer Virushepatitis. (1). 2015 Jul; 5(7): a021576.doi:  [10.1101/cshperspect.a021576] Seine Entdeckung geht auf Rizzetto 1977 zurück, der das Delta-Antigen identifizierte. (2)Gut. 1977 Dec; 18(12):997-1003.


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Das Wichtigste


Kurzgefasst
Die Hepatitis D (HD) ist eine virusbedingte Entzündung der Leber, die einer bestehenden Hepatitis-B-Infektion als Voraussetzung bedarf. Das D-Virus benötigt für seine Infektiosität die Hülle des Hepatitis-B-Virus, das HBsAg. Patienten mit einer Hepatitis-D-Superinfektion sind ganz besonders gefährdet, eine Leberzirrhose und Leberkrebs zu bekommen!

Eine neue Auswertung von Studien besagt, dass weiterhin weltweit etwa 10% der Hepatitis-B-Patienten auch mit HD infiziert sind. Die Häufigkeit einer HD-Infektion steigt regional immer wieder an. Als Ursachen werden u. a. Zuwanderung und zunehmende Reisefreudigkeit anzuschuldigen sein. Die Erkrankung ist daher auch in Europa besonders zu beobachten. Wegen der Erfolge bei der Bekämpfung der Hepatitis B wird die Hepatitis D leicht vergessen.

Eine genügend wirksame Therapie ist derzeit nicht bekannt. Empfohlen wird PEG-Interferon; die Behandlungserfolge sind jedoch unzureichend.

Epidemiologie

Es wurde geschätzt, dass Ende der 1980er Jahre etwa 5% der HBsAg-positiven Menschen, d. h. 15-20 Millionen Menschen weltweit mit Hepatitis D infiziert waren. Seither ist die Inzidenz entsprechend dem Rückgang der Hepatitis B (durch Aufklärung, Impfung, Hygiene) deutlich gesunken. (3)Nat Rev Gastroenterol Hepatol. 2010 Jan; 7(1):31-40. In Italien wurde 1983 eine Anti-HD-Positivität von etwa 24% und  2006/2007 von etwa 8% der HBsAg-positiven Patienten gefunden. (4)Semin Liver Dis. 2012 Aug; 32(3):211-9.

Die Häufigkeit einer HDV-Infektion ist je nach Gebiet sehr unterschiedlich.In China beispielsweise lag um 2000 der Anti-HD-Anteil in Hong-Kong bei 0,15%, in der Shandong-Provinz bei 13.15% der Hepatitis-B-Patienten. (5)Ciancio A, Rizzetto M. 2002. Clinical patterns, epidemiology and disease burden of hepatitis D … Continue reading

Oft tritt die Gefahr einer Infektion durch Fortschritte in der Bekämpfung der Hepatitis B so weit in den Hintergrund, dass sie kaum mehr bedacht wird. So stieg sie bei HIV / HBV-koinfizierten Patienten in Taiwan laut einer Auswertung von 2014 seit 1992 zusammen mit Syphilis wieder signifikant an. (6) 2014 Jun;58(11):1625-33. doi: 10.1093/cid/ciu127. Auch in Süd-London wurde vorübergehend ein Anstieg verzeichnet. (7)J Med Virol. 2008 Feb; 80(2):277-82. Es wird darauf hingewiesen, dass Einwanderung in Europa zu einem Anstieg führt. (8)J Hepatol. 2009 May; 50(5):1043-50.

In Tunesien war die Hepatitis B in einer Auswertung von 2015 sehr selten; als Risikofaktor wurden lediglich vorangegangene Operationen ausgemacht. (9) 2015 Nov;72:126-32. doi: 10.1016/j.jcv.2015.10.002.

Eine Auswertung Studien kommt 2018 zum Schluss, dass weltweit 10.58% der HBsAg-Carrier (ohne Drogenabhängige und Menschen High-risk-Sexualverhalten) mit HDV koinfiziert sind. (10) 2018 Sep 18. pii: gutjnl-2018-316601. doi: 10.1136/gutjnl-2018-316601.

Übertragung

Die Übertragung erfolgt parenteral, im Wesentlichen sexuell durch direkten Körperkontakt (11) 1990 Jun;11(6):1057-61 und durch Kontakt mit infektiösem Blut, z. B. bei iv-Drogenabhängigen. 

Im Gegensatz zur Hepatitis B scheinen andere Übertragungswege, wie die vertikale Übertragung von der Mutter auf das Kind oder die homosexuelle Promiskuität keine besondere Bedeutung zu haben.

Allgemeines

  • HDV ist ein zirkuläres RNA-Virus, das mit etwa 1700 Basenpaaren das kleinste bekannte infektiöse Agens beim Menschen ist. Es sind 8 Genotypen bekannt. In der westlichen Welt und Nordafrika herrschen Genotyp 1 vor (12)Emerg Infect Dis. 2006 Sep; 12(9):1447-50.
  • HDV ist ein defektes RNA-Virus, welches seine Hülle nicht selbst kodiert, sondern die Hülle des Hepatitis-B-Virus, das HBsAg, für seine Infektiosität benutzt. Daher ist es, wie auch das Hepatitis-B-Virus, hepatotrop (es befällt die Leber). Die HDV-Replikation ist jedoch völlig unabhängig von der HBV-Replikation. Wenn eine HBV- und HDV-Koinfektion stattfindet, ist die Leberentzündung meist – wie bei der HBV-Infektion – akut und limitiert.
  • Das HDV-Genom produziert das Delta-Antigen, ein Polypeptid, das RNA bindet und im Kern der Wirtszellen akkumuliert. Sein Nachweis im Kern oder im Serum ist diagnoseweisend.
  • Das Virus schädigt die Leberzellen direkt; es ist zytopathogen.
  • Eine HBV/HDV-Doppelinfektion bei HIV-Infizierten führt zu einer schwereren Verlaufsform der Hepatitis als bei HIV-Seronegativen.
  • Eine HDV-Infektion supprimiert die HBV-Replikation. Daher kann die HBsAg-Expression bei Superinfektion vorübergehend unter der Nachweisbarkeitsgrenze liegen.

Verläufe

  • Koinfektion mit HBV: Wenn eine gleichzeitige Infektion sowohl mit HBV als auch mit HDV vorliegt, ist die Ausheilungsrate mit ca. 95% hoch; und es kommt relativ selten zu einer Chronifizierung (ca. 5%). Bei primärer Koinfektion ist HBsAg immer nachweisbar.
  • Superinfektion mit HBV: Besteht bereits ein Hepatitis-B-Infektion und kommt erst später eine HDV-Infektion hinzu, so ist die Ausheilungsrate mit ca. 5% gering; es besteht eine hohe Chronifizierungsrate (ca. 95%). Bei einer solchen Superinfektion kann HBsAg vorübergehend nicht nachweisbar sein.
  • Fulminanter Verlauf: In der akuten Infektionsphase kommt es jeweils zu 10-20% fulminanten Verläufen.

Klinische Befunde

Eine HDV-Infektion verursacht keine spezifischen Symptome. Die Symptomatik entspricht der anerer virusbedingter Leberentzündungen und besteht meist aus ungewöhnlicher Müdigkeit, Abgeschlagenheit, grippeähnlichem Gefühl, unbestimmtem Druck im Oberbauch und gegegentlich einer Gelbsucht (siehe hier).

An Hepatitis D muß bei einer chronischen B-Hepatitis mit HBsAg-Peristenz und plötzlicher unerklärter Verschlechterung gedacht werden.

Risiko bezüglich Leberzirrhose und Leberkrebs

Wenn das HD-Virus (HDV) auf einen chronischen HBsAg-Träger trifft (HBV-DNA positiv oder negativ), resultiert in 70-90% eine chronische Hepatitis D mit dem besonders hohen Risiko einer Leberzirrhose: in 70% kommt es zu einer langsam fortschreitenden Zirrhose, in 15% zu  einer rasch fortschreitenden Zirrhose, in 15% zu einer spontanen Remission (Heilung).

Eine HDV-Infektion erhöht das Risiko von Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom, HCC).

Diagnostik

An eine HDV-Infektion sollte man denken

  • bei besonders schwerem Verlauf,
  • bei biphasischem Verlauf einer Hepatitis B. Eine unerwartete Verschlechterung kann durch eine HDV-Superinfektion bedingt sein.

Serologie

Niedrige Titer an IgM, später auch IgG gegen das Delta-Antigen (Anti-HDV, oft auch als Anti-HD abgekürzt) sind während der akuten Krankheitsphase nachweisbar und verschwinden nach ca. 1/2 Jahr, so daß eine durchgemachte Infektion danach nicht mehr erkennbar ist.

Der Nachweis von Delta-Antigen im Serum durch RIA ist unzuverlässig (2-80% positiv).

Chronisch HDV-Infizierte haben meist hohe Titer von Anti-HDV (sowohl IgM als auch IgG). Antikörper besagen nicht, dass die Krankheit überwunden ist.

Histologie

Die Erkrankung kann im Lebergewebe durch Nachweis von HDV mittels Immunfluoreszenz direkt nachgewiesen werden.

Oft findet sich eine azidophile Degeneration der Hepatozyten, die nicht von entzündlichen Infiltraten umgeben sind. Dies gilt als Hinweis auf eine direkt zytopathogene Wirkung des HDV (ähnlich der C-Hepatitis, jedoch anders als bei der HBV-Infektion!).

Eine Immunfluoreszenznachweis von Delta-Antigen besonders in den Zellkernen der Hepatozyten (Leberzellen) ist beweiskräftig.

Keine HDV-Infektion bei gesunden HBsAg-Trägern

Es gilt als unwahrscheinlich, dass gesunde Menschen mit einem inaktiven HBsAg-Trägerstatus mit Hepatitis D superinfiziert sind. Denn es ist anzunehmen, dass eine HDV-Superinfektion zu einer chronischen Lebererkrankung geführt hätte. (13). 2015 Jul; 5(7): a021576. doi:  [10.1101/cshperspect.a021576

Therapie

Alpha-Interferon hat einen direkten Einfluß auf die Virusreplikation und damit auf den zytopathogenen Effekt des HDV. Zudem verbessert es die Grundbedingung der HBV-Infektion (wenn nicht ein HBsAg-Carrierstatus vorliegt). Derzeit ist Peginterferon alpha die einzige einigermaßen wirksame (und von der FDA empfohlene) Therapie. Da die Behandlungserfolge jedoch unbefriedigend sind, wird nach neuen Medikamenten gesucht. (14)Gastroenterology 2018; DOI: https://doi.org/10.1053/j.gastro.2018.09.058


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Verweise

Literatur[+]