Gastrointestinale Blutung

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Das Wichtigste verständlich

Gastrointestinale Blutung bedeutet Blutung im Magendarmtrakt. Häufige Quellen sind Geschwüre, Entzündungen und Tumore. Große Blutungen können zu einem Schock führen und lebensbedrohlich sein. Geringe, aber dauerhafte Blutungen führen zu einer Anämie und einem Eisenmangel. Blutungen im Magendarmkanal sollten in jedem Fall diagnostisch abgeklärt werden. (1)Semin Intervent Radiol. 2020 Mar;37(1):24-30. DOI: 10.1055/s-0039-3402017.

Die Blutung aus dem Magendarmtrakt (gastrointestinale Blutung) gehört zu den häufigsten Ursachen einer Blutarmut (Anämie). Sie macht sich durch blutigen oder besonders dunklen,  hell- oder dunkelroten oder schwarzen Stuhl (Teerstuhl) und durch Zeichen einer Blutarmut (wie besondere Müdigkeit und Abgeschlagenheit) oder gar einen Kreislaufkollaps bemerkbar. In einigen Fällen kann eine ungeklärte Anämie durch eine intensive Suche nach der  Ursache auf eine “okkulte Blutung” (verborgene Blutung) im Magendarmtrakt zurückgeführt werden.

Blutkoagel auf einem kleinen Geschwür im Bulbus des Zwölffingerdarms. Unter ihm ist ein weiterhin blutungsbereites Gefäß zu vermuten. Die stattgehabte Blutung war Ursache eines “aus heiterem Himmel” aufgetretenen Kreislaufschocks.

Die Diagnostik stützt sich in der Regeln auf eine direkte Besichtigung des Magens inklusive des oberen Teils des Zwölffingerdarms durch eine Spiegelung (Gastroskopie) sowie auf eine Spiegelung des Dickdarms (Koloskopie). In seltenen Fällen muss auch der Dünndarm nach einer Blutungsquelle abgesucht werden, was heute durch eine Kapselendoskopie relativ schonend erfolgen kann. In unklaren Fällen kann eine Szintigraphie (Untersuchung mit radioaktiv markierten roten Blutkörperchen) eine Blutungsquelle aufdecken.

Zu den Ursachen gehören in erster Linie Krampfadern der Speiseröhre (Ösophagusvarizen), Entzündungen der Schleimhaut (z. B. Gastritis, Kolitis), Geschwüre (z. B. Ulkus ventriculi oder duodeni), Darmpolypen und Speiseröhren-, Magen- oder Darmkrebs sowie Blutungsquellen am Darmausgang (z. B. Hämorrhoiden, Analfissur, Analkarzinom).

Die Therapie richtet sich nach der Intensität der Blutung, der Lokalisation und der Ursache. Die Spiegelung des Magens und Darms (Endoskopie) spielt auch hier eine zentrale Rolle; sie ermöglicht eine Blutstillung und gehört bei der großen gastrointestinalen Blutung zu den Notfallmaßnahmen.

Anämie – einfach erklärt

Symptomatik und Laborwerte

Die chronische gastrointestinale Blutung führt häufig unbemerkt zu einer Anämie. Sie führt zu einer ungewöhnlichen Konzentrationsschwäche und Müdigkeit und Abgeschlagenheit sowie zu einer Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit. Dies ist häufig Anlass für eine Diagnostik.

Die ersten Laborwerte umfassen i. d. R. ein Blutbild und zeigen eine hypochrome, mikrozytäre Anämie, deren Ursache ein Eisenmangel ist.

Die akute große gastrointestinale Blutung macht sich durch Kreislaufinstabilität bemerkbar. Der Blutdruck sinkt, die Herzfrequenz steigt reaktiv, es kommt zu Flimmern vor den Augen und Schweißausbruch, schließlich zum Kreislaufkollaps und Schock. Anfangs lässt sich die Blutarmut noch nicht aus dem Blutbild ablesen; dies ist erst möglich, wenn durch Verdünnung des Bluts (durch Nachströmen von Gewebeflüssigkeit oder eine Infusion) eine Verdünnung der Erythrozyten stattfindet.

Differenzialdiagnosen

Prinzipiell kann die Quelle einer intestinalen Blutung überall im Magendarmkanal zu finden sein. Auch kann eine  Nasenblutung (Epistaxis) oder Zahnfleischblutung zu Teerstuhl oder sogar einer Hämatochezie führen und eine endoskopische Diagnostik auslösen. Häufige Blutungslokalisationen sind folgende:

Blutungsquellen oberhalb des Ösophagus

Blutungen aus dem Mund- und HNO-Bereich können eine gastrointestinale Blutung vortäuschen. Auch Blutungen aus den Lungen mit Bluthusten führen zu Blutnachweis im Stuhl.

Blutungsquellen im Ösophagus

Blutungsquellen im Magen

Blutungsquellen im Duodenalbereich

Blutungsquellen im Dünndarm

  • Angiodysplasie, Gefäßmalformation, Morbus Osler
  • hämorrhagische Entzündung
  • Dünndarmtumor (selten)

Blutungsquellen im Kolon / Rektum

Blutungsquellen im Analkanal

Ablauf der Diagnostik bei einer GI-Blutung

Anamnese

  • Bei blutigem Stuhl Nachfrage: Blut aufgelagert oder Stuhl mit Blut durchmischt? Reiner Blutstuhl? Teerstuhl? Teerschwarz besagt, dass Blut durch Kontakt mit Magensäure hämatinisiert worden ist.

Endoskopie

Die Suche nach der Blutungsquelle wird in der Regel mit einer ÖGD (Ösophagogastroduodenoskopie, kurz Gastroskopie) begonnen. Bei negativem Ergebnis folgt die Koloskopie.

Wenn beide Methoden keine Blutungsquelle nachweisen lassen und die Wahrscheinlichkeit für eine Blutungsquelle im Dünndarm steigt (was sehr selten ist), dann kann durch eine Pushenteroskopie, eine Ballonenteroskopie oder eine Kapselendoskopie versucht werden, die Blutungsquelle zu lokalisieren.

Wenn die Blutungsquelle nicht lokalisiert werden kann …

Ist die Blutungsquelle endoskopisch nicht zu sichern und treten immer wieder plötzlich Blutverluste mit Hb-Abfall auf, dann muss an seltene Ursachen wie ein Ulcus Dieulafoy oder eine Hämobilie gedacht werden. Auch ist an eine Blutungsquelle im Mund- und HNO-Bereich sowie an eine Blutung aus Lunge und Tracheobronchialsystem zu denken, deren Blut in den Magendarmkanal gelangt und somit als erstes auf die falsche Fährte einer Magendarmblutung führt (siehe auch unter Bluthusten).

Eine extraintestinale Ursache eines Hb-Abfalls (Hämolyse, Hämoptysen, Nasenbluten) sollte ausgeschlossen werden.

In der Phase einer aktiven Blutung kann u. U. eine Angiographie (röntgenologische Darstellung der Blutgefäße des Darmkanals mit Kontrastmittel) oder eine Erythrozytenszintigraphie hilfreich sein.

Die Erythrozytenszintigraphie mit 99mTc-markierten Erythrozyten ist eine diagnostische Möglichkeit zum Nachweis einer diskreten oder sporadischen Blutung. Sie kann selbst dann noch erfolgreich sein, wenn die herkömmliche Endoskopie und eine Kapselendoskopie die Blutungsquelle nicht hat nachweisen können, was bei intermittierenden Blutungen der Fall sein kann. Ihre Empfindlichkeit ist sehr hoch und lässt noch Blutungsraten von 0,05 – 0,1 ml pro Minute nachweisen (2)Am J Roentgenol 1987; 148: 869-874; die anatomische Zuordnung der erfassten Blutungsquelle ist gut (3)Ann Surg. 1996 Jul;224(1):29-36. Thrombosen können jedoch zu Fehlinterpretationen führen (4)J Radiol Case Rep. 2012 Feb;6(2):23-8 (5)Nucl Med Mol Imaging. 2016 Jun;50(2):178-9.


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Erythrozytenszintigraphie (dunkle Flecken im Fadenkreuz, rechte Bilder) bei Ulkus Dieulafoy, links zur besseren Organzuordnung der Blutung gleichzeitig erstellte CT-Bilder.

Therapie

Kleinere Blutungen kommen meist von selbst zum Stehen. blutverdünnende Maßnahmen (z. B. ASS, Clopidogrel, Heparin, Marcumar bzw. Falithrom) müssen bei großen Blutungen (und sollten bei kleineren Blutungen wenn möglich vorübergehend) sistiert (oder zumindest in ihrer Dosis reduziert) werden. Eine Abwägung ist im Einzelfall (z. B. bei künstlichen Herzklappen) erforderlich! Magenschutz mit Protonenpumpenblockern (PPI).

Größere Blutungen können in der Regel mit Hilfe endoskopischer Verfahren gestillt werden (Clip, Unterspritzung, Laserkoagulation etc.). Eine große Blutung, die nicht gestillt werden kann, führt rasch zum Blutungsschock und muss operiert werden. Eine große Blutung aus einem Hinterwandulkus im Bulbus duodeni sollte umgehend operiert werden. Ein vorheriger Versuch einer endoskopischen Blutstillung ist heute mit Aussicht auf Erfolg möglich. Misslingt er jedoch, muss umgehend operiert werden. Wenn eine Operation nicht in Frage kommt, kann u. U. eine angiographische Embolisation des zuführenden Gefäßes zielführend sein. Meist wird der Verbrauch von 4 und mehr Blutkonserven zur Aufrechterhaltung des Kreislaufs als Operations-Indikation gesehen.

Der Blatchford Risc Score gibt einen Hinweis darauf, welche Patienten mit oberer gastrointestinaler Blutung, die nachts oder wochenends in die Klinik eingeliefert werden, nicht unbedingt notfallmäßig endoskopiert werden müssen (6)Arch Intern Med. 2007;167:265-270 (7)Am J Emerg Med. 2007 Sep;25(7):774-9. Verwendet werden

Scores von 0, 1 und 2 hatten Interventionsraten von 1.8%, 5.6%, and 11.5%. Beispielsweise ergibt ein

  • Abfall des Hämoglobins auf unter 12 g/dl bei Männern und unter 10 g/dl bei Frauen plus ein Blutdruck unter 100 mmHg

bereits mindestens 3 Punkte und damit ein hohes Risiko einer notwendig werdenden Intervention. Ein systolischer Blutdruckwert von unter 90 mmHg sowie eine Lebererkrankung und eine Herzerkrankung schlagen jeweils bereits mit 2 Punkten zu Buche.

Hemospray: Hemospray istein anorganisches Puder, das bei Kontakt mit der Blutungsstelle als mechanische Barriere wirkt. Zudem erhöht es die lokale Konzentration von Gerinnungsfaktoren und verstärkt die Gerinnselbildung. (8)J Med Life. 2013 Jun 15;6(2):117-9. Epub 2013 Jun 25. PMID: 23904868; PMCID: PMC3725433. Es ist eine berührungslose Methode zur Behandlung von Blutungen im oberen Gastrointestinaltrakt (UGIB). Eine Studienzustammenstellung zeigt, dass sie in 93% zu einer sofortigen Blutstillung führt; in 14,4% kam es zu einer erneuten Blutung. In der Untergruppe der Tumorblutungen waren die Werte 95,3% und 21,9%, bei einer Varizenblutung 92,7% und 3,1%. (9)J Gastrointestin Liver Dis. 2020 Mar 13;29(1):69-76. DOI: 10.15403/jgld-660. Hemospray verringert nach einer anderen Auswertung nicht die Nachblutung oder die Mortalität. (10)J Clin Gastroenterol. 2021 Jul 1;55(6):492-498. DOI: 10.1097/MCG.0000000000001564

Vorbeugung

Bei schwerkranken Patienten wird ein Säureblocker zum Schutz des Magens vor einer Blutung wegen Stressgeschwüre gegeben. Eine Europäische Multicenter-Studie besagt jedoch, dass bei Intensivpatienten Pantoprazol die 90-Tage-Sterblichkeit und die Zahl klinisch relevanter Komplikationen gegenüber Placebo nicht senkt. (11)N Engl J Med 2018; 379:2199-2208 DOI: 10.1056/NEJMoa1714919 Eine Säureblockade sollte daher individuell (z. B. gemäß Blutungsvorgeschichte oder Magenanamnese) und nicht unbedingt routinemäßig angewendet werden.

Rezidivierende Blutungen

Manche Blutungen rezidivieren häufig. Ursache ist meist eine Veranlagung zu einer Angiodysplasie (Gefäßmissbildung, siehe unter Morbus Osler). Laut einer Studie reduziert Thalidomid die Blutungsepisoden. Es wurden orale Tagesdosen von 100 oder 50 mg gegen Placebo für 4 Monate verabreicht und der Erfolg über mindestens 1 Jahr verfolgt. Ein wirksames Ansprechen (definiert als Reduktion der Blutungsepisoden > 50%) fand sich in 68,6 %, 51,0 % und 16,0 %. Thalidomid wirkt antientzündlich, antitumorös und antiangiogenetisch. (12)N Engl J Med. 2023 Nov 2;389(18):1649-1659. doi: 10.1056/NEJMoa2303706.

Verweise

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