DPP4-Hemmer

Artikel aktualisiert am 31. März 2024

DPP4-Hemmer sind Medikamente gegen eine gestörte Regulation des Blutzuckers und werden bei Prädiabetes und frühem Diabetes Typ 2 eingesetzt. Sie sind Hemmer eines besonderen Enzyms, der Dipeptidyl-peptidase IV (engl.: dipeptidyl peptidase 4 (DPP4) inhibitors) und stellen eine eigene Klasse von Antidiabetika zur Behandlung des Typ-2-Diabetes dar. Eine weitere bedeutende Wirkung richtet sich gegen die Entstehung einer Arteriosklerose. (1)Curr Opin Drug Discov Devel. 2008 Jul;11(4):512-32 (2)Endocr Rev. 2014 Dec;35(6):992-1019. DOI: 10.1210/er.2014-1035


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Biologische Wirkungen

DPP-4-Hemmer hemmen ein Enzym, die Dipeptidyl-peptidase IV, welches spezifisch Dipeptide von Proteinen und Peptiden abspaltet und sind am Abbau von Peptidhormonen, Neuropeptiden und Cytokinen beteiligt.

Die Dipeptidylpeptidase 4 (DPP4) ist eine Protease, die praktisch überall im Körper gefunden wird, so in Lunge, Niere, Bauchspeicheldrüse, Gebärmutter, Prostata, Blutgefäßen, Gehirn, Thymusdrüse, Knochen, Lymphknoten und Milz. Durch die Abspaltung von einer Transmembrandomäne wird eine lösliche Form des Enzyms ins Blutplasma freigesetzt. (3)Atherosclerosis. 2013;226:305–314 DAs Enzym inaktiviert verschiedene Substrate wie Chemokine, Wachstumsfaktoren, Fibronektin, Neuropeptide wie Neuropeptid Y (NPY) und Substanz P, sowie die Inkretinhormone glukoseabhängiges insulinotropes Polypeptid (GIP)] und Glucagon spaltendes Peptid-1 (GLP-1) und regulieren dadurch deren Funktion. (4)J Clin Med. 2023 Jul 12;12(14):4632. doi: 10.3390/jcm12144632

DPP4-Hemmer werden als Reaktion auf eine Nahrungsaufnahme im Dünndarm gebildet und steigern durch Hemmung des Abbaus der Inkretine GLP-1 (glucagon like peptide-1) und GIP (glucose dependent insulinotropic polypeptide) die Insulinproduktion. Sie bewirken damit eine Senkung der postprandialen (nach Malzeiten auftretenden) Blutzuckerspitzen, haben aber eine nur sehr kurze Halbwertszeit von 2 – 3 Minuten. DPP4-Hemmer verlängern ihre Wirkzeit, was zu einer Verlängerung der Insulinreaktion auf die mahlzeitenabhängige Blutzuckererhöhung, d. h. zu einer verbesserten „postprandialen Glukosehomöostase“ führt.

DPP4-Inhibitoren spielen eine relevante Rolle bei der MSC-Differenzierung in Osteoblasten oder Adipozyten. Sie wirken laut Laborversuchen direkt antiatherosklerotisch, indem sie die Dysfunktion der Endothelzellen verbessern, die zirkulierenden endothelialen Vorläuferzellen (EPCs) und die Aktivität der mononukleären Makrophagen und glatten Muskelzellen erhöhen, gegen oxidativem Stress wirken und Entzündungen hemmen. Sie wirken einer Instabilität arteriosklerotischer Plaques entgegen. (5)Eur J Pharmacol. 2020 May 15;875:173037. doi: 10.1016/j.ejphar.2020.173037

Klinische Bedeutung

Gliptine bei frühem Diabetes Typ 2

DPP4-Hemmer verbessern in klinischen Studien an Typ-2-Diabetikern die postprandiale Blutzuckerkontrolle mit geringem Hypoglykämie-Risiko. Sie kommen besonders beim Prädiabetes und in den frühen Phasen der Diabetes-Entwicklung in Betracht, in denen noch eine ausreichende Inselzell-Kompetenz vorliegt. Gliptine werden als Zusatzmedikamente zu Metformin oder zu Glitazonen verwendet. Die DPP4-Hemmer bewirken keine Gewichtszunahme, sondern eher eine Abnahme. In einer Studie führte Linagliptin zu einer Abnahme des HbA1c um -2,53 %, zusammen mit Metformin um -3,37 %.  (6)Postgrad Med. 2016 Nov;128(8):747-754. DOI: 10.1080/00325481.2016.1238280.

Verglichen mit Placebo führten Sitagliptin und Vildagliptin dagegen laut frühen Untersuchungen nur zu einer HbA1c-Reduktion von etwa 0,7 % und 0,6 % (nach einer Cochrane-Auswertung der Studien (7)Cochrane Database Syst Rev. 2008 Apr 16;(2):CD006739 ). Sie werden als „add-on´s“ zu anderer oraler Therapie angesehen.

Gliptine zur Verhinderung eines Diabetes

In Studien an Patienten mit gestörter Glukosetoleranz (Prädiabetes), die nicht ausreichend auf Metformin reagierten, hatte der Zusatz von Linagliptin den Glukosestoffwechsel deutlich verbessert (gemessen am OGGT). Die Verbesserung der ß-Zell-Funktion war anhaltend. (8)ci Rep. 2021 Apr 22;11(1):8750. DOI: 10.1038/s41598-021-88108-8. (9)Metabolism. 2020 Mar;104:154054. DOI: 10.1016/j.metabol.2019.154054.

DPP4-Hemmer gegen Arteriosklerose

DPP4-Hemmer beugen einer vorzeitigen Arteriosklerose vor. Zusätzlich zu ihrer Blutzucker senkenden Wirkung senken sie atherosklerotische Risikofaktoren, indem sie die Blutfette regulieren und den Blutdruck senken.  Sie üben anti-atherosklerotische Wirkungen auch direkt aus, und zwar über mehrere Mechanismen, darunter über eine Verbesserung der Endothelzellfunktion, eine Erhöhung zirkulierender endothelialer Vorläuferzellen (EPCs), über die Regulierung von Makrophagen (Fresszellen) und der glatten Muskelzellen der Arterienwände, über eine antientzündliche und antioxidative Wirkung. Wenn arteriosklerotische Plaques vorliegen, helfen sie, deren Instabilität zu verhindern. (10)Eur J Pharmacol. 2020 May 15;875:173037. DOI: 10.1016/j.ejphar.2020.173037. Über diese Wirkungen wirken DPP4-Hemmer einer Alterung von Blutgefäßen entgegen. (11)Front Endocrinol (Lausanne). 2021 Aug 17;12:731273. DOI: 10.3389/fendo.2021.731273.

DPP4-Hemmer gegen diabetische Nierenschädigung

Oxidativer Stress ist einer der nierenschädigenden Faktoren im diabetischen Spätsyndrom. In einer Untersuchung wurde gezeigt, dass Linagliptin bei Patienten mit Typ-2-Diabetes die Marker von oxidativem Stress senken und die tubuläre Nierenfunktion vor einer weiteren Verschlechterung schützen konnte. (12)Diabetol Int. 2018 Sep 28;10(2):148-152. DOI: 10.1007/s13340-018-0376-9.

Bullöses Pemphigoid als seltene Nebenwirkung

In seltenen Fällen kann als Komplikation von DPP4-Hemmern ein bullöses Pemphigoid, eine schwere Hautkrankheit mit Blasenbildungen, auftreten. Die mittlere Zeit bis zum Auftreten betrug 9 MonateAm häufigsten trat sie bei Vildagliptin auf (52,63 %), seltener bei Linagliptin (27,19 %) und Sitagliptin (17,54 %). Bei 64,06 % der Patienten war der Autoantikörper BP180, bei 58,97 % BP180NC16a und bei 31,25 % BP230 positiv. In der Histologie einer Hautprobe fanden sich Infiltrationen mit Eosinophilen bei 93,85 % und mit Lymphozyten bei 56,93 %. Eine vollständige Remission wurde bei 83,64 % der Patienten nach Absetzen von DPP4i innerhalb von 4 Monaten erreicht. (13)Ann Pharmacother. 2022 Feb;56(2):205-212

Substanz-Entwicklung

Orale Medikamente sind beispielsweise Sitagliptin (Januvia ® ), Vildagliptin (Galvus ®, in Kombination mit anderen Antidiabetika) und Linagliptin, Saxagliptin und Alogliptin. Linagliptin (Trajenta®) wirkt selektiver und hat eine längere Wirksamkeit als die Hemmer der ersten Generation. (14)Curr Diabetes Rev. 2011 Sep;7(5):325-35. DOI: 10.2174/157339911797415648.

Als Herausforderung bei den Entwicklungen gilt eine genügende Spezifität der Hemmer bezüglich DPP4, sodass andere Peptide wie DPP8 und DPP9 nicht mitbeeinflusst werden. Vildagliptin beispielsweise ist kein spezifischer DPP4-Inhibitor und hemmt außerdem DPP8/9, welches am Energiestoffwechsel und der Immunregulation beteiligt ist. Eine unspezifische Hemmung der Dipeptidylpeptidasen 8/9 durch DPP4-Inhibitoren wirkt sich negativ auf die Differenzierung mesenchymaler Stammzellen aus (15)J Clin Med. 2023 Jul 12;12(14):4632. doi: 10.3390/jcm12144632.

Substanzen, die eine ähnliche Wirkung wie DPP-4-Hemmer aufweisen, sind die Inkretin-Mimetika. Diese sind Analoga der natürlicherweise im Dünndarm auf Glukosereiz hin gebildete Inkretine (wie das GLP-1), die von der Dipeptidylpeptidase 4 nicht oder langsamer als die natürlichen Inkretine abgebaut werden. Sie werden wegen günstigerer Eigenschaften vielfach den DPP4-Hemmern der ersten Generation bevorzugt.

Verweise

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Literatur

Literatur
1Curr Opin Drug Discov Devel. 2008 Jul;11(4):512-32
2Endocr Rev. 2014 Dec;35(6):992-1019. DOI: 10.1210/er.2014-1035
3Atherosclerosis. 2013;226:305–314
4J Clin Med. 2023 Jul 12;12(14):4632. doi: 10.3390/jcm12144632
5Eur J Pharmacol. 2020 May 15;875:173037. doi: 10.1016/j.ejphar.2020.173037
6Postgrad Med. 2016 Nov;128(8):747-754. DOI: 10.1080/00325481.2016.1238280.
7Cochrane Database Syst Rev. 2008 Apr 16;(2):CD006739
8ci Rep. 2021 Apr 22;11(1):8750. DOI: 10.1038/s41598-021-88108-8.
9Metabolism. 2020 Mar;104:154054. DOI: 10.1016/j.metabol.2019.154054.
10Eur J Pharmacol. 2020 May 15;875:173037. DOI: 10.1016/j.ejphar.2020.173037.
11Front Endocrinol (Lausanne). 2021 Aug 17;12:731273. DOI: 10.3389/fendo.2021.731273.
12Diabetol Int. 2018 Sep 28;10(2):148-152. DOI: 10.1007/s13340-018-0376-9.
13Ann Pharmacother. 2022 Feb;56(2):205-212
14Curr Diabetes Rev. 2011 Sep;7(5):325-35. DOI: 10.2174/157339911797415648.
15J Clin Med. 2023 Jul 12;12(14):4632. doi: 10.3390/jcm12144632