Galaktosämie

Artikel aktualisiert am 1. September 2022

Galaktosämie bedeutet Galaktose im Blut. Die Galaktosämie ist eine seltene erbliche Stoffwechselkrankheit. Bereits in der Neugeborenenperiode ist sie mit einer hohen Mortalität verbunden, wenn die Ursache nicht erkannt und keine adäquate Therapie durch Vermeidung von Milch und Milchprodukten eingeleitet wird.


→ Auf facebook informieren wir Sie über Neues auf unseren Seiten!
→ Verstehen und verwalten Sie Ihre Laborwerte mit der
Labor-App Blutwerte PRO!



Allgemeines

Die Galaktosämie ist selten; die Prävalenz beträgt 1:40000. Weibliche und männlichhe Kinder sind etwa gleich häufig betroffen. Meist liegt eine Mutation des GALT-Gens zugrunde; es wurden eine Reihe wirksamer Muationen beschrieben. Meist liegt die Enzymaktivität unter 1% der Norm, seltener im Bereich unter 10%.

Nachweis bereits nach der Geburt: Die Symtomatik ist in etwa 80% bereits neonatal nachweisbar. In etwa 70% werden die Leberenzyme erhöht gefunden, in etwa 40% Bltungsanomalien, in 30% Zeichen einer zerebralen Störung, in 25% eine Katarakt (Linsentrübung).

Entstehung

Galaktose (Schleimzucker) ist ein Einfachzucker und kommt in Milchzucker (Laktose: Zweifachzucker aus Galaktose und Glukose) vor. Sie ist für einige wichtige Stoffwechselprozesse von Bedeutung, so vor allem für die Bildung der Myelinscheiden der Nervenverbindungen und für die Energieversorgung.

Als Ursachen der Galaktosämie sind enzymatische Mängel folgender Enzyme identifiziert worden: Galactose-1-Phosphat-Uridyltransferase (GALT)  (klassische Galactosämie), Galactokinase (GALK) und Galactose-6-Phosphat-Epimerase (GALE). Der GALT-Mangel ist am häufigsten. 

Wenn Galaktose nicht verwertet werden kann, sammeln sich der Zucker und seine toxischen Metabolite Gal-1-P, Galactitol und UDPgal im Körper an. Folge der Anreicherung in den Zellen sind eine Zellschwellung und Zelluntergang.

Im Gehirn kommt es bei der Ansammlung von Galaktose und ihren Metaboliten zu einer Hirnschwellung und zu kognitiven und motorischen Funktionsstörungen.

In den Ovarien interferieren die Metaboliten mit der Apoptose und mit den Gonadotropin-Signalwegen. Es kommt es zu einer ovarellen Unterfunktion mit der Folge eines hypergonadotrophen Hypogonadismus. (1)Reprod Toxicol. 2000 Sep-Oct;14(5):377-84. doi: 10.1016/s0890-6238(00)00096-4. PMID: 11020650. (2)Hum Reprod Update. 2006 Sep-Oct;12(5):573-84. doi: 10.1093/humupd/dml031. Epub 2006 Jul 11. PMID: … Continue reading

Das durch eine Aldosereduktase entstehende Galaktitol ist für die Linse impermeabel und Ursache für eine Linsentrübung.

Klinik

Klinische Folgen einer Galaktosämie sind vielfältig. (3)Orphanet J Rare Dis. 2019 Apr 27;14(1):86. DOI: 10.1186/s13023-019-1047-z. PMID: 31029175; PMCID: … Continue reading Sie umfassen beispielsweise

  • eine Linsentrübung (Katarakt),
  • eine Enzephalopatie mit mentaler Retardierung, kognitiven Störungen, Sprachproblemen und motorischen Störungen,
  • eine Aminosäureausscheidung über die Nieren (Aminoazidurie),
  • eine Neigung zu Knochenbrüchen bereits in jungen Jahren (Prävalenz etwa 10%) und
  • eine Lebererkrankung mit Hepatomegalie (Lebervergrößerung) und Übergang in eine Leberzirrhose.

Frühkindliche Symptomatik: Die Symptomatik kann sich direkt nach der Geburt in unterschiedlicher Ausprägung äußern. Häufig fallen früh Mangelerscheinungen, Gelbsucht und Milchunverträglichkeit auf. Es können bald eine Hepatomegalie und eine Gelbsucht auftreten. Eine Katarakt entwickelt sich erst über Wochen bis Monate, kann aber auch bereits postnatal erkennbar sein. Neurologische Auffälligkeiten, sowohl kognitive wie motorische, und Sprechprobleme inkl. verzögertem Sprechenlernen treten in der weiteren Entwicklung auf, später bei Mädchen in etwa 50% eine verzögerte Pubertät. Es besteht eine erhöhte Infektanfälligkeit.

Diagnostik

Die Diagnose einer Galaktosämie wird durch eine Enzymuntersuchung (Galaktose-1-Phosphat-Uridyl-Transferase, GALT) in roten Blutkörperchen Erythrozyten gesichert. Ist der Nachweis negativ, können die selteneren Formen durch Nachweis von GALK und GALE erkannt werden.

Es wurde vorgeschlagen, alle Kinder, die in den ersten Lebensmonaten in bestimmter Weise auffällig sind, auf eine Galaktosämie zu testen. Als Indikation wurden folgende Auffälligkeiten angesehen: Gedeihstörungen, Gelbsucht, Hepatomegalie, Splenomegalie, schlechte Ernährung, Erbrechen, Lethargie, Hypoglykämie, Krämpfe, volle Fontanelle (erhöhter Hirndruck!), Katarakt, Neigung zu Blutergüssen und laborchemisch eine renale tubuläre Azidose. (4)Berry G.T., Walter G.H. Disorders of galactose metabolism. In: Saudubray J.M., Van den Berghe G., … Continue reading

In Deutschlang gilt eine Leitlinie zur Testung (Screening) Neugeborener auf angeborene Stoffwechselstörungen. (siehe hier). Eine Fachinfo der Universität Heidelberg zum Screening Neugeborener ist hier zu finden

Bei erheblicher neurologisch-psychiatrischer Beteiligung kann ein Hirnödem vorliegen, das in den ersten Lebensmonaten durch eine prominete Fontanelle klinisch erkennbar, ansonsten in der Computertomographie nachweisbar ist. (5)Pediatrics. 1986 Oct;78(4):606-9. PMID: 3763268. (6)Childs Nerv Syst. 2017 Nov;33(11):1879-1880. doi: 10.1007/s00381-017-3594-8. Epub 2017 Sep 12. … Continue reading

Therapie

Die Therapie besteht in galaktosefreier Diät. Eine laktosefreie Diät kann jedoch einigen Langzeitfolgen nicht völlig vorbeugen. Insbesondere die Langzeitfolgen bezüglich der Gehirnentwicklung und der weiblichen Gonaden sind ein Risiko, das das bei Kontrolluntersuchungen berücksichtigt werden muss. (7)Metabolism. 2018 Jun;83:188-196. DOI: 10.1016/j.metabol.2018.01.025. Epub 2018 Jan 31. PMID: … Continue reading

Es wird nach neuen Therapiemöglichkeiten gesucht, die auch die Langzeitfolgen abdecken kann. Eine bislang nur theoretische Option, der nachgegangen wird, ist die Entwicklung geeigneter „Chaperone“. Pharmakologische Chaperone (PC)  sind kleine Moleküle, die die Faltung fehlgefalteter Proteine korrigieren. Sie könnten in ausgewählten Fällen die Enzymfunktion wiederherstellen und so alle Kurz- und Langzeitfolgen verhindern. Bisher jedoch wurden keine Chaperone mit diesen Eigenschaften identifiziert. (8)J Pers Med. 2021 Feb 7;11(2):106. doi: 10.3390/jpm11020106. PMID: 33562227; PMCID: PMC7914515.

Verweise


Literatur

Literatur
1Reprod Toxicol. 2000 Sep-Oct;14(5):377-84. doi: 10.1016/s0890-6238(00)00096-4. PMID: 11020650.
2Hum Reprod Update. 2006 Sep-Oct;12(5):573-84. doi: 10.1093/humupd/dml031. Epub 2006 Jul 11. PMID: 16835432.
3Orphanet J Rare Dis. 2019 Apr 27;14(1):86. DOI: 10.1186/s13023-019-1047-z. PMID: 31029175; PMCID: PMC6486996.
4Berry G.T., Walter G.H. Disorders of galactose metabolism. In: Saudubray J.M., Van den Berghe G., Walter J.H., editors. Inborn Metabolic Diseases. 5th ed. Springer; Berlin, Germany: 2012. pp. 141–150.
5Pediatrics. 1986 Oct;78(4):606-9. PMID: 3763268.
6Childs Nerv Syst. 2017 Nov;33(11):1879-1880. doi: 10.1007/s00381-017-3594-8. Epub 2017 Sep 12. PMID: 28900716.
7Metabolism. 2018 Jun;83:188-196. DOI: 10.1016/j.metabol.2018.01.025. Epub 2018 Jan 31. PMID: 29409891.
8J Pers Med. 2021 Feb 7;11(2):106. doi: 10.3390/jpm11020106. PMID: 33562227; PMCID: PMC7914515.