[vc_row][vc_column][vc_column_text]Das Wolff-Parkinson-White-Syndrom (WPW-Syndrom) ist eine seltene Rhythmusstörung des Herzens, die durch kreisende Erregungen zwischen Vorhöfen und Kammern zustande kommt und zu wiederholtem Herzjagen (Tachykardie) führt. Die Anfälle beginnen in der Regel schon in Kindheit und Jugend, können aber in jedem Alter zum ersten Mal auftreten. Sie können harmlos, aber auch lebensbedrohlich verlaufen.

Herzrhythmusstörung
Das Herz


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Das Wichtigste verständlich


Kurzgefasst
Das WPW-Syndrom ist eine Herzrhythmusstörung, bei der es immer wieder zu anfallsartigem Herzrasen kommen kann. Ursache ist eine zwischen Vorhöfen und Kammern kreisende Erregung, die durch zusätzliche Leitungsbahnen ermöglicht und aufrecht erhalten wird. Erkrankungen der Herzmuskulatur können die Bereitschaft zu Herzrasen erhöhen.

Eine wenig beachtete Folge der aberranten Kammererregungen ist die Entwicklung einer Umorientierung der Herzmuskelfasern (Remodeling), die mit einer Herzschwächung einhergeht. Es entwickelt sich auf Dauer eine Kardiomyopathie.

Die Rhythmusstörungen sistieren oft spontan, verlaufen jedoch nicht selten auch schwerwiegend. Sie können Ursache von plötzlichen Bewusstlosigkeiten (Synkopen) sein und zu plötzlichem Herztod führen. Daher bedürfen sie einer raschen und sorgfältigen elektrophysiologischen Diagnostik und einer angemessenen Therapie. Auch Menschen mit WPW-Syndrom ohne bisherige Beschwerden sollten untersucht und behandelt werden.

Therapeutisch kann man selbst die Phase des Herzjagens manchmal durch „Pressen“ (Valsalva-Manöver) abkürzen. Ein Carotis-Druckversuch kann ebenfalls abkürzen; allerdings sollte das nur ein Arzt erwägen. Ansonsten kommt eine Kathetertherapie (Ablation der Kurzschlussverbindung zwischen Vorhöfen und Kammer) infrage.

Paroxysmale Tachykardie

Häufigkeit

Die Häufigkeit des WPW-Syndroms in der Bevölkerung beträgt 1-3 pro 1000. In einer Auswertung von 30 Studien wurden unter 100.000 asymptomatischen Kindern 136 mit WPW-Syndrom gefunden. Es ist in bedeutendem Maß Ursache von plötzlichem kardial bedingtem Kindstod. (1)Pediatrics. 2012 Apr;129(4):e999-1010

Pathophysiologie

Das WPW-Syndrom zählt (ebenso wie das LGL-Syndrom) zu den Präexzitationssyndromen, bei denen die Erregung über akzessorische Erregungsleitungsbahnen zwischen Vorhöfen und Herzkammern zu raschen Kammerkontraktionen führt. Akzessorische Leitungsbahnen werden gehäuft bei der Ebstein-Anomalie des Herzens (fehlgestaltete Trikuspidalsegel) gefunden.

  • Kent’sches Bündel: Am häufigsten findet sich ein „Kent’sches Bündel“, das eine direkte Leitungsbahn zwischen rechtem bzw. linkem Vorhof und rechter bzw. linker Kammer darstellt.
  • Maheim-Bündel (M-Bündel): direkte Verbindung vom His’schen Bündel (verschiedene Höhen möglich) zur Muskulatur des rechten oder linken Ventrikels unter Umgehung der rechten und linken Schenkel des His-Bündels und der Purkinje-Fasern.

Das Kent’sche und das M-Bündel führen zu einer vorzeitigen Erregung kleinerer Bezirke der Kammermuskulatur, von wo sich die Erregung in den Kammern weiter ausbreitet. Diese Erregung führt zur Delta-Welle, die der normalen Kammererregung, die parallel dazu über av-Knoten, das His’sches Bündel mit seinen Schenkeln und den Purkinje-Fasern von der Herzspitze aus startet, vorausgeht. Über weitere akzessorische Bahnen können die Vorhöfe von den Kammern retrograd erregt werden, was zur vorzeitigen Erregung der Vorhöfe und damit zur Tachykardie führt.

Neben diesen beiden Bündeln gibt es selten ein James-Bündel (J-Bündel), das Ursache des LGL-Syndroms ist: Dies ist eine Verbindung von der Vorhofmuskulatur zum His’schen Bündel unter Umgehung des oberen av-Knotens. Auch hier kommen paroxysmale Tachykardien auf. Eine direkte Verbindung zur Kammermuskulatur und damit eine Delta-Welle fehlen jedoch (siehe hier).

In einigen Fällen kann eine „antidrome“ Reentrytachykardie auftreten, bei der die retrograde Erregung der Vorhöfe über den av-Weg zustande kommt und die akzessorischen Bündel zwischen Vorhöfen und Kammern orthograd leiten, was im EKG zu einem breiten (statt sonst schmalen) Kammerkomplex führt.

Folge: Dilatative Kardiomyopathie

Die dilatative Kardiomyopathie (DCM), die sich bei einem WPW-Syndrom entwickeln kann, wurde lange Zeit als Auswirkung lang anhaltender Tachykardien angesehen. Eine abnormale Erregungsausbreitung in den Kammern führt jedoch auch ohne tachykarde Phasen zu einer Umorientierung der Muskelzüge (remodeling) und dadurch zu einer DCM mit einem Abfall der Herzleistungsfähigkeit. (2)Eur J Pediatr. 2013 Nov;172(11):1491-500 Die Schwere der ventrikulären Dysfunktion hängt von der Lokalisation der akzessorischen Leitungsbahnen ab: solche im rechten Herzen sind besonders schwerwiegend, da die Erregung des linken Ventrikels nun überwiegend vom rechten Ventrikel aus zustande kommt, was ein besonders ausgeprägtes Remodeling zur Folge hat. (3)J Electrocardiol. 2010 Mar-Apr;43(2):146-54 WPW-Syndrome dieser Art werden häufig verkannt, das das EKG einen Linsschenkelblock vortäuscht. (4)Ann Pediatr Cardiol. 2013 Jan;6(1):77-9

Folgen: Absolute Arrhythmie und plötzlicher Herztod

In einigen Fällen kann die retrograde Erregung der Vorhöfe von den Kammern aus zur Entwicklung von Vorhofflimmern führen, was potentiell bedrohlich ist; gefährdet dafür sind vor allem bereits vorgeschädigte Herzen. Vorhofflimmern kann bei WPW zu plötzlichem Kammerflimmern mit Todesfolge führen. (5) N Engl J Med. 1979; 301: 1080–1085

Formen

Es werden zwei Formen des WPW-Syndroms unterschieden, die offene und die verborgene.

  • Die offene Form des WPW-Syndroms weist im EKG typischerweise eine Delta-Welle auf, die den QRS-Komplex einleitet und ihn auf über 100 ms verbreitert sowie das PQ-Intervall auf unter 120 ms verkürzt. Die Erregung gelangt antegrad vorzeitig in die Kammermuskulatur und beginnt an einer definierten Stelle mit einer Depolarisation noch bevor der Hauptteil der Kammermuskulatur über die normale Erregungsleitung erreicht wird. Kommt es dadurch zu einer vorzeitigen Erregung auch des Muskelbereichs an einer akzessorischen Leitungsbahn, so gelangt sie zurück in die Vorhöfe und löst bei ihnen eine vorzeitige Erregung aus, was dann zur Tachykardie führt.
  • Die verborgene Form (concealed WPW) weist keine Delta-Welle auf. Das EKG ist bei normalem Sinusrhythmus nicht diagnoseweisend verändert; es kann völlig normal sein. Da die orthograde Kammererregung über den physiologischen Weg des av-Knotens und des His’schen Bündels nicht verändert ist, sind die Kammerkomplexe während einer Tachykardiephase schmal, die Intervalle zwischen Kammerkomplex und nächstem P sind meist sehr kurz und die P-Wellen zumeist negativ.

Symptome

Typisch für das WPW-Syndrom ist phasenhaftes Herzjagen (paroxysmale Tachykardie), das plötzlich anspringt und ebenso plötzlich aufhört (on-off-Phänomen). Während der Anfälle können Herzfrequenzen von deutlich über 180/Minute auftreten. Zumeist wird das rasche Herzklopfen direkt verspürt. Es kommt zu einem sofortigen Leistungsabfall, der je Ausprägung der Tachykardie und aktueller körperlicher Belastung mehr oder weniger stark verspürt wird. Bei Tachykardien über 180/Minute werden präsynkopale Symptome (Schwäche in den Beinen, Schwindel, Leere im Kopf und Flimmern vor den Augen) verspürt. Bei Kleinkindern fallen plötzliche Atemnot und Lethargie auf. Das zugrunde liegende Herzrasen lässt sich meist mit der flachen Hand über dem Herzen tasten. Das WPW-Syndrom gehört zu den Ursachen plötzlicher Synkopen und des plötzlichen Herztods bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Lang anhaltende und häufig wiederkehrende Tachykardien können zu einer dilatativen Cardiomyopathie (DCM) führen die Ursache für eine Herzinsuffizienz werden kann.

Diagnostik

Die Angabe von anfallsweisem Herzrasen lässt an ein WPW-Syndrom denken. Gesichert wird es durch das EKG.

  • Wenn im Stromkurvenverlauf eine Deltawelle erkennbar ist, so liegt eine offene Form vor.
  • Deutet im Stromkurvenverlauf des EKG’s nichts auf ein Präexzitationssyndrom hin, so kann eine verborgene Form des WPW vorliegen. Es kommt dann darauf an, in einem Langzeit-EKG die paroxysmalen Tachykardien zu erfassen. In ihnen bleiben die QRS-Komplexe schmal; können P-Wellen differenziert werden, so sind sie meist negativ.

Therapie

Die Behandlung zielt zunächst auf die Unterbrechung des Herzjagens, dann jedoch auch auf die Vorbeugung weiterer Anfälle.

Nicht invasive Maßnahmen

Vagusstimulation: Unterbrochen wird die Tachykardie häufig durch Auslösen eines Vagusreflexes. Den meisten Betroffenen nutzt ein Schluck kalten Wassers oder ein Pressversuch (Valsalva-Manöver). Die günstige Wirkung eines Pressversuchs finden Betroffene oft selbst heraus: wenn sie wegen der plötzlichen Kreislaufschwäche in die Hocke gehen und die Luft gegen das heftige Herzklopfen anpressen, sistiert die Tachykardie oft schlagartig. Sind die Blutgefäße jung, kann ein Carotisdruckversuch durch den Arzt gewagt werden und zur Unterbrechung der Tachykardie führen.
Medikamente: Lässt sich die Tachykardie nicht durch vagale Manöver unterbrechen, so werden Antiarrhythmika eingesetzt. Früher wurden Digitalis-Präparate, heute meist N-Propyl-Ajmalin, Amiodarone oder Adenosin verwendet.

Katheterablation

Die Behandlung eines symptomatischen WPW-Syndroms erfolgt heute über eine Katheterablation der akzessorischen Leitungsbahnen. Sie hat zum Ziel, die Zirkulation der Erregung zwischen Kammern und Vorhöfen zu unterbrechen und damit das WPW-Syndrom definitiv zu heilen. Die verantwortlichen Kent’schen Bündel werden dabei durch ein elektrophysiologisches Mapping aufgesucht und mittels Kathetertechnik verödet.

Die Behandlung eines asymptomatischen WPW-Syndroms wird kontrovers diskutiert. Das Risiko schwerwiegender Arrhythmien und die Erfolgschance einer medikamentösen Therapie müssen gegen die Komplikationsrisiken einer Ablation abgewogen werden. Nach Meinung einiger Zentren sollten asymptomatische Patienten Kriterien einer elektrophysiologischen Untersuchung hinzugezogen werden, die abschätzen lassen, ob eine erhöhte Erregbarkeit des Herzens für eine Tachykardie besteht. Die Indikation zur Katheterablation solle von der Refraktärzeit der akzessorischen Leitungsbahnen bzw. vom kürzesten Präexzitations-RR-Intervall (Grenze 250 ms) und ihrer Veränderung unter Provokation mit Isoproterenol (Grenze 240-250 ms, unter Isoproterenol z. B. 200 ms) abhängig gemacht werden. (6)Heart Rhythm. 2012 Jun;9(6):1006-24 (7)Indian Pacing Electrophysiol J. 2012 May;12(3):79-81

Einen weiterer Aspekt zur Indikation wäre das erhöhte Risiko einer dilatativen Cardiomyopathie (DCM): Viele auch asymptomatische Patienten mit WPW-Syndrom entwickeln aufgrund der atypischen Erregungsausbreitung in den Kammern eine Umordnung der Muskelfasern im Herzen (Remodeling) mit der Folge einer dilatativen Kardiomyopathie (DCM, s. o.). Eine Katheterablation der aberranten Leitungsbahnen führt zur Normalisierung der Erregungsausbreitung und dadurch zum „Remodeling“ der Muskefaserausrichtung in eine funktionale Richtung, was zu einer deutlichen Verbesserung der systolischen Funktion führt. (8)Biomed Res Int. 2013;2013:158621. doi: 10.1155/2013/158621

Die European Heart Rhythm Association erhielt auf eine Umfrage hin folgende Auskünfte einzelner großer kardiologischer Zentren zur Behandlung asymptomatischer WPW-Patienten (9)Europace. 2013 May;15(5):750-3: Patienten mit einer ersten Episode eines Vorhofflimmerns aufgrund des WPW-Syndroms sowie solche mit einer zweiten Episode einer orthodromen atrioventrikulären Reentrytachykardie werden in der überwiegenden Mehrzahl sofort abladiert. Ansonsten wird meist zunächst ein Klasse-1C-Antiarrhythmicum verordnet und der Verlauf abgewartet. Ältere Menschen sollten wegen der Gefahr einer absoluten Arrhythmie bezüglich einer Katheterablation ebenso risikostratifiziert werden wie jüngere.


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Verweise

Patienteninfos

 


Autor: Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (s. Impressum)


 


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Literatur[+]