Schwarze Haarzunge

Artikel aktualisiert am 2. November 2022

Die schwarze Haarzunge (braune Haarzunge, lingua villosa nigra, engl.: black hairy tongue) ist ein klinisches Zeichen, das auf eine Abwehrschwäche des Körpers hindeutet. Sie ist an der dunkelbräunlichen Verfärbung der Zunge zu erkennen und besteht aus abnormal hypertrophierten und haarartig verlängerten Zungenpapillen. Das Symptom ist in der Regel selbstlimitierend und gutartig. In seltenen Fällen ist es ein Zeichen für eine Abwehrschwäche des Immunsystems und Anlass für eine ausgiebige Diagnostik.


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Ursachen

Dunkelbräunliche Verfärbung der Zungenoberfläche
Dunkelbräunliche Verfärbung der Zungenoberfläche als Vorstufe einer schwarzen Haarzunge. Vermutliche Ursache: immunsuppressive Therapie eines Lymphoms, Teekonsum.

Die Entstehung ist nur zum Teil verstanden. Offenbar spielen verschiedene zusammenwirkende Faktoren eine Rolle. (1)World J Gastroenterol. 2014 Aug 21;20(31):10845-50. doi: 10.3748/wjg.v20.i31.10845. PMID: 25152586; … Continue reading

Folge einer Therapie: Meist tritt die schwarze Haarzunge in der Folge einer Antibiotikatherapie auf. Häufig werden Penicillin, Aureomycin, Erythromycin, Doxycyclin, Minocyclin und Neomycin als Ursachen genannt. Auch Medikamente, die zu trockenem Mund führen, wie Antipsychotika (Olanzapin, Chlorpromazin und Verwandte) können prädisponieren. (2)Pharmacotherapy. 2010 Jun;30(6):585-93. doi: 10.1592/phco.30.6.585. PMID: 20500047.

Folge einer Krankheit: Prädisponierende Faktoren sind onkologische Krankheiten, Krankheiten des Immunsystems, immunsuppressive Therapie und Chemotherapie.

Weitere prädisponierende Faktoren: Der häufige Genuss von Schwarztee, Rauchen, schlechte Mundhygiene, Männer (vs. Frauen) und zunehmendes Alter bedeuten eine erhöhte Inzidenz.

Folgen

Die vergrößerten Papillen bewirken eine ungenügende Zungenreinigung. Zwischen ihnen sammeln sich Abschilferungen sowie Reste aus Schwarztee, Kaffee und Nahrungsmitteln an. Dies fördert eine sekundäre Besiedlung mit Bakterien und Pilzen. Mikroorganismen, die Porphyrine produzieren (chromogene orale Mikroflora), bewirken die dunkle Verfärbung. Die lokale Besiedlung mit pathogenen Keimen kann zur einer schmerzhaften Entzündung der Zungenschleimhaut und der gesamten Zunge (Glossitis) führen.

Diagnostik

Wenn eine typische Konstellation vorliegt (beispielsweise: älterer Raucher, männlich, schlechte Mundhygiene, Antibiotikatherapie), ist die Zuordnung der Zungenverfärbung relativ einfach.

Als Differenzialdiagnosen sind zu berücksichtigen: orale haarige Leukoplakie, pigmentierte fungiforme Zungenpapillen und Acanthosis nigricans. (3)CMAJ. 2008 Apr 22;178(9):1137-8. doi: 10.1503/cmaj.071611. PMID: 18427088; PMCID: PMC2292769. Die Diagnose ist von der „Pseudo-schwarzen-Haarzunge“ durch Farbstoffe (z. B. durch Wismutslizylat) zu unterscheiden. (4)World J Gastroenterol. 2014 Aug 21;20(31):10845-50. DOI: 10.3748/wjg.v20.i31.10845. PMID: … Continue reading

Die Diagnostik sollte eine Prüfung des Immunsystems einbeziehen (als Erstes: Differenzialblutbild, Elektrophorese); und es sollte die Möglichkeit einer Pilzinfektion anderer Schleimhäute in Erwägung gezogen werden, so beispielsweise eine Soorösophagitis.

Behandlung

Meist ist die schwarze Haarzunge eine selbstlimitierende Erscheinung und bedarf keiner medikamentösen Therapie. Auf tägliche Mundhygiene ist zu achten. Der Einfluss der auslösenden Faktoren sollte unterbrochen werden, so z. B. eine lang dauernde Antibiotikatherapie oder exzessiver Genuss von Schwarztee (s. o.).

Lassen sich Pilze nachweisen, kann eine fungizide Behandlung, z. B. mit Nystatin, die Heilung beschleunigen. (5)World J Gastroenterol. 2014 Aug 21;20(31):10845-50. DOI: 10.3748/wjg.v20.i31.10845. PMID: … Continue reading In solch einem Fall ist auch an einen weiteren Pilzbefall von Schleimhäuten, so an eine Soorösophagitis zu denken, die ebenfalls einer Behandlung zugeführt werden sollte. Sollte sich eine Erkrankung mit Immunschwäche des Körpers als prädisponierender Faktor herausstellen, so ist eine weitere Diagnostik und eine entsprechende Therapie angezeigt.

Verweise

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


Literatur

Literatur
1World J Gastroenterol. 2014 Aug 21;20(31):10845-50. doi: 10.3748/wjg.v20.i31.10845. PMID: 25152586; PMCID: PMC4138463.
2Pharmacotherapy. 2010 Jun;30(6):585-93. doi: 10.1592/phco.30.6.585. PMID: 20500047.
3CMAJ. 2008 Apr 22;178(9):1137-8. doi: 10.1503/cmaj.071611. PMID: 18427088; PMCID: PMC2292769.
4World J Gastroenterol. 2014 Aug 21;20(31):10845-50. DOI: 10.3748/wjg.v20.i31.10845. PMID: 25152586; PMCID: PMC4138463.
5World J Gastroenterol. 2014 Aug 21;20(31):10845-50. DOI: 10.3748/wjg.v20.i31.10845. PMID: 25152586; PMCID: PMC4138463.