Chronisch venöse Insuffizienz

Artikel aktualisiert am 20. Juni 2019

Chronisch venöse Insuffizienz (CVI) bedeutet eine unzureichende Funktion der Venenklappen an den unteren Extremitäten, die zu einem Blutstau und der Entwicklung von Krampfadern, einer Stauungsdermatitis und Ulcera cruris führt.


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Ätiopathogenese

Unter normalen Bedingungen pumpt die Muskulatur des Unterschenkels das Blut in den Venen in Richtung Herz (Muskelpumpe). Damit es bei Muskelerschlaffung nicht wieder zurückfließt, existieren Venenklappen.

Die chronisch venöse Insuffizienz beruht auf einer Erweiterung der Venen. Wegen des hydrostatischen Drucks sind insbesondere die tiefen Venen der Beine betroffen. Die Venenklappen beginnen nicht mehr dicht zu schließen, und das Blut beginnt zurückzufließen und die Vene auszuweiten. Die Zunahme der Venenlumens führt zu einer Verschlechterung und schließlich zu einer Chronifizierung der venösen Insuffizienz.

Zur Entwicklung einer chronisch venösen Insuffizienz können verschiedene genetische und hormonelle Faktoren als auch eine tiefe Venenthrombose beitragen.

  • Genetische Faktoren: Die Bereitschaft für eine übermäßige Erweiterung der Venen und Bereitschaft zu Krampfadern ist familiär gehäuft. Offenbar ist eine genetische „Bindegewebsschwäche“ maßgeblich daran beteiligt. In einer Studie wurde bei 9 Familien eine autosomal dominante Vererbung mit inkompletter Penetranz festgestellt; es wurde ein Kandidat-Marker auf Chromosom 16q24 (Verbindung zu FOXC2) identifiziert. (1)Ann Vasc Surg. 2012 Jul;26(5):636-42
    • Stoffwechselvorgänge: Eine zentrale Bedeutung scheinen Matrix-Metallproteinasen (MMP) zu haben, die den Abbau von Kollagen und Laminin im Bindegewebe fördern. Ihre Aktivität wird durch endogene Inhibitoren (TIMPs) reguliert. Eine Fehlregulation scheint ein erhöhtes Risiko für eine chronisch venöse Insuffizienz zur Folge haben zu können. Von den MMP’s sind verschiedene Polymorphismen bekannt. (2)Circulation. 2003 Apr 1;107(12):1579-85
  • Postthrombotisches Syndrom: Eine tiefe Beinvenenthrombose führt zu einem erhöhten Risiko für die Ausbildung einer chronisch venösen Insuffizienz. Die frühe Diagnose und Einleitung einer effektiven Therapie kann das Risiko deutlich senken (siehe hier).

Folgen einer chronisch venösen Insuffizienz

Bei mangelhafter Kompression der ektatischen Venen durch entsprechend angepasste elastische Strümpfe oder einen Stützverband kommt es zur Entwicklung ektatischer Venenkomplexe, insuffizienter Perforansvenen und erkennbarer Krampfadern. Es bildet sich ein chronisches Ödem mit Induration (fibrosierende Panniculitis) der gesamten Haut und eine Stauungsdermatitis mit braunen Hautverfärbungen (durch Mikroblutungen und Ablagerung von Hämosiderin) und eine Neigung zu rezidivierenden Hautläsionen und Geschwüren an den Unterschenkeln und um die Knöchel (Ulcus cruris, „offene Beine“).

Stadien

Die Entwicklung wird in Stadien eingeteilt:

 

StadiumCharakteristik
Stadium 1gelegentliche Ödeme ohne Gewebsverhärtung
Stadium 2Ödeme mit Gewebsverhärtung der Haut
Stadium 3Ödeme mit Gewebsverhärtung der Haut und der Unterhaut
Stadium 4zusätzlich Neigung zur Entwicklung eines Ulcus cruris

 

Diagnostik

Das klinische Bild und ggf. die Anamnese einer tiefen Venenthrombose sind meist bereits diagnoseweisend. Eine genaue Analyse der Venen erfolgt durch die Duplexsonographie.

Eine Röntgendarstellung der tiefen Beinvenen mit Kontrastmittel (Phlebographie) ist heute nur in Zweifelsfällen erforderlich.

Therapie

Die Behandlung der chronisch venösen Insuffizienz stützt sich wesentlich auf

  • die Komprimierung der insuffizienten Venen durch angepasste Stützstrümpfe oder einen Kompressionsverband. Eine Cochrane-Zusammenstellung 2012 legt nahe, dass eine festere Kompression wirksamer als eine nur mittelfeste ist bezüglich neuerlicher Ulcera nach 3 Jahren; eine Studie zeigt keine Unterschiede nach 5 Jahren. Als Problem wird die nur beschränkte Akzeptanz und Verträglichkeit angegeben. (3)Cochrane Database Syst Rev. 2012 Aug 15;8:CD002303. doi: 10.1002/14651858.CD002303.pub2. Eine festere Kompression fördert nach einer anderen Cochrane-Zusammenstellung die Heilung von Ulcera besser als eine weniger feste. (4)Cochrane Database Syst Rev. 2012 Nov 14;11:CD000265. doi: 10.1002/14651858.CD000265.pub3.
  • die Aktivierung der Muskelpumpe durch körperliche Bewegung!

Verweise

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 

Literatur

Literatur
1Ann Vasc Surg. 2012 Jul;26(5):636-42
2Circulation. 2003 Apr 1;107(12):1579-85
3Cochrane Database Syst Rev. 2012 Aug 15;8:CD002303. doi: 10.1002/14651858.CD002303.pub2.
4Cochrane Database Syst Rev. 2012 Nov 14;11:CD000265. doi: 10.1002/14651858.CD000265.pub3.