Vasopressin

Von Fachärzten geschrieben und wissenschaftlich überprüft.

Vasopressin (identisch mit Adiuretin) ist Hormon der Hirnanhangsdrüse, das bei der Blutdruckregulation eine wesentliche Rolle spielt. Es ist ein Peptidhormon aus 9 Aminosäuren und hat zwei biologische Angriffsorte, nämlich

  1. die Niere, in der es bewirkt, dass weniger Flüssigkeit ausgeschieden wird. Dies verhindert eine Abnahme des Blutvolumens und damit des Blutdrucks,
  2. die kleinsten Blutgefäße (Arteriolen), die es verengt, wodurch ebenfalls der Blutdruck angehoben wird.

Die gefäßverengende Wirkung an den Arteriolen hat zur Bezeichnung Vasopressin geführt. Wegen der Flüssigkeit retinierenden Funktion (Antidiurese) an den Nieren wird es auch als Adiuretin bezeichnet.

Im Gehirn scheint es multiple Funktionen beim Gedächtnis und beim Sozialverhalten inkl. Paarbindung und Aggressionsverhalten zu erfüllen [1] [2].


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Physiologie

Vasopressin (bei Säugetieren und Menschen Arginin-Vasopressin, bei Vögeln Lysin-Vasopressin) wird als Vorläufersubstanz im Hypothalamus (in großzelligen Neuronen des Nucleus supraopticus und paraventricularis) gebildet, in der hinteren Hypophyse gespeichert und von dort in die Blutbahn freigesetzt.

Vasopressin wird in die Blutbahn ausgeschüttet, wenn

  • die Osmorezeptoren im Hypothalamus eine Eindickung des Bluts anzeigen,
  • die Druckrezeptoren in den Blutgefäßen (u.a. in der A. carotis bds.) eine Druckminderung anzeigen, was bei vermindertem Blutvolumen eintritt, oder
  • das RAAS anspringt und Angiotensin II gebildet wird.

Seine Freisetzung ins Blut dient vor allem der Konstanthaltung des Blutdrucks bei drohendem Flüssigkeitsmangel, also letztlich der Vorbeugung eines hypovolämischen Schocks z. B. durch starkes Schwitzen oder durch eine Blutung.

Es besitzt eine strukturelle Ähnlichkeit mit Oxytocin, das ebenfalls ein Nonapeptid und auf Chromosom 20 kodiert ist [3] und welches das Sozialverhalten beeinflusst.

Wirkungen

In den Nieren bewirkt Vasopressin den Einbau von Wasserporen (Aquaporin) in die Zellmembranen der Tubuluszellen und erhöht dadurch die Permeabilität der Sammelrohre und distalen Tubuli (zum Aufbau der Nieren siehe hier). Dadurch gelangt Flüssigkeit des Harns entlang dem osmotischen Gradienten in das Interstitium der Markpyramiden und von dort zurück in die Blutgefäße. Vasopressin bewirkt auf diese Weise eine Konzentrierung des Urins und verhindert gleichzeitig eine Abnahme des Blutvolumens.

Im Blutgefäßsystem führt Vasopressin zu einer Kontraktion der Arteriolen (kleinste Aufzweigungen der Arterien), so dass der periphere Gefäßwiderstand steigt. Dies führt zu einem Blutdruckanstieg, sofern das Herz die entsprechende Leistungsfähigkeit besitzt. Für ein insuffizientes Herz bedeutet eine Steigerung des peripheren Gefäßwiderstandes große Belastung, so dass eine soeben kompensierte Insuffizienz dadurch manifest werden kann.

Im Gehirn scheint Vasopressin eine Rolle bei der Paarbindung von Sexualpartnern zu spielen. Eine Unterdrückung der Vasopressinwirkung im ventralen Pallidum bewirkt eine entsprechende Lockerung. Eine intranasale Applikation von Arginin-Vasopressin bei männlichen Probanden führte in einer Studie zu einer besseren Beurteilung zuvor gesehener wütender oder glücklicher Gesichter im Vergleich zu neutralen Gesichtern [4]. In gleicher Weise beschleunigt Arginin-Vasopressin die Erkennung sexuell gefärbter Worte in einem Text, gleich ob sie positiv oder negativ belegt sind [5]. Zum Gehirn siehe hier.

Pathophysiologie

Diabetes insipidus

Eine verminderte bzw. fehlende Wirkung von Vasopressin / Adiuretin an der Niere führt zum Diabetes insippidus. Es werden drei genetisch differente Unterformen unterschieden [6] [7]:

  • der autosomal dominat vererbte neurogene Diabetes insipidus (Bildungsstörung von Vasopressin im Hypothalamus durch Defekt des Prepro-Arginin-Vasopressin-Neurophysin-II-Gens (prepro-AVP-NPII)),
  • der nephrogene Diabetes insippidus (x-chromosomal, Defekt des Arginine-Vasopressin Receptor 2 Gens (AVPR2)), und
  • der recessive nephrogene Diabetes insipidus (autosomal, Defekt des Vasopressin-sensitiven Wasserkanal-Gens (aquaporin-2, AQP2)).

Alkohol und Vasopressin

Alkoholexzesse vermindern die Adiuretinproduktion. Es kann trotz großer Flüssigkeitsaufnahme zu einer relativen Dehydratation kommen. Alkoholkranke haben einen erniedrigten Vasopressin-Spiegel, der auch unter Abstinenz anhält; sie reagieren jedoch bei Anstieg des osmotischen Drucks adäquat [8].

Vaptane

Vaptane wie z. B. Tolvaptan sind Vasopressinrezeptor-Antagonisten; sie wirken als Aquaretika. Eine spezielle Indikation ist das SIADH-Syndrom (Syndrom der inadäquaten ADH-Produktion, kommt paraneoplastisch und bei Gehirn-Erkrankungen vor) mit Verdünnungshyponatriämie (siehe hier).

Verweise

Literatur

  1. ? Prog Neurobiol. 2008 Jan;84(1):1-24
  2. ? CNS Spectr. 2009 Nov;14(11):602-6
  3. ? Cytogenet Cell Genet. 1992;61(4):271-3
  4. ? Biol Psychiatry. 2010 Jun 15;67(12):1220-2
  5. ? Guastella AJ et al. Psychoneuroendocrinology. 2010 Aug 21. [Epub ahead of print]
  6. ? Annu Rev Med. 1995;46:331-43
  7. ? J Am Soc Nephrol. 2005 Oct;16(10):2836-46
  8. ? Alcohol Clin Exp Res. 2004 Dec;28(12):1925-30

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).