Toll-like-Rezeptoren
Toll-like-Rezeptoren (TLRs) dienen Zellen des Immunsystems der Erkennung von Krankheitserregern wie Pilzen, Viren, Mykoplasmen und Bakterien, zusammengefasst als PAMPs (Pathogen Associated Molecular Patterns). Werden solche für Krankheitserreger typischen Muster (Proteoglykane, Lipopolysaccharide, DNA und RNA) erkannt, so wird von den TLRs eine Signalkaskade ausgelöst, die schließlich diejenigen Gene aktiviert, die für die adaptive Immunantwort verantwortlich sind. In dieser Signalkaskade befindet sich am Ende der Transkriptionsfaktor NF-kappaB, der mit den für die Abwehr zuständigen Genen interagiert und sie aktiviert oder hemmt.
Toll-like-Rezeptoren sind bereits früh in der Evolution entstanden und finden sich sowohl im Tier- als auch im Pflanzenreich, was ihre zentrale Rolle bei der Abwehr von Infektionen komplexer Leberwesen unterstreicht. Ihre Struktur ist hochgradig konserviert geblieben.
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Inhaltsverzeichnis
Der Name
Der Name „Toll“ entstammt dem Ausruf der Überraschung der Nobelpreisträgerin C. Nüsslein-Volhard angesichts eines unerwarteten Befundes bei der Untersuchung der Entwicklung der Fruchtfliege („Das ist ja toll!“) siehe hier. Die von ihr entdeckte Entwicklungsanomalie hing mit einem Verlust des Toll-Gens zusammen [1].
Verschiedene Varianten
Inzwischen sind mehr als 10 verschiedene Varianten der Toll-like-Rezeptoren (TLR1-TLR13) bekannt; sie alle haben eine identische leucinreiche terminale Endsequenz und vermitteln Abwehrreaktionen des Körpers. Je nach TLR-Typ werden verschiedene Erreger erkannt und unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Dazu gehören beispielsweise die Bildung von Interferonen und die Aktivierung von B- und T-Lymphozyten in Abwehrzellen.
Lokalisation
Die TLR 1, 2, 4, 5 und 6 befinden sich auf den Zellmembranen von Abwehrzellen (Monozyten, natürliche Killerzellen, Mastzellen, dendritischen myeloiden Zellen) und binden bakterielle Nukleinsäuren und Lipoproteine. Die TLRs 3, 7, 8, 9, 11 und 13 befinden sich intrazellulär und binden bakterielle und virale Nukleinsäuren (Zusammenstellung siehe hier).
Superfamilie
Die TLRs bilden zusammen mit den Interleukin-1-Rezeptoren eine Superfamilie („interleukin-1 receptor / toll-like receptor superfamily“), die durch eine gemeinsame Toll-IL-1-Rezeptor-Domaine (TIR) gekennzeichnet sind. Die TIRs werden unterteilt: Untergruppe 1 der TIR-Domainen sind Rezeptoren für Interleukine. Mitglieder der Untergruppe 2 interagieren direkt mit dem Erreger. Die der Untergruppe 3 sind im Cytosol gelöst und vermitteln die Signale der TIR-1 und TIR-2.
Toll-like-Rezeptoren: Funktionen
- Im Darm setzt sich der Körper intensiv mit dem Mikrobiom auseinander. Wenn die Intensität und Dauer der Abwehrreaktion überschießend ist, so entsteht eine chronische Entzündung [2]. Die Abwehrreaktion wird durch Toll-like-Rezeptoren (TLRs) und den von ihnen abhängigen Signalweg unterhalten. Ein zu langes und überschießendes Signal in Richtung Entzündungsreaktion kann zustande kommen, wenn die negative Rückkopplung auf die TLRs, die aus dem Signalweg selbst kommt (durch die Serin/Threonin-Kinase M, IRAK-M), zu gering ausfällt oder fehlt. Damit kommt es zu einer inadäquaten Entzündungsreaktion der Darmschleimhaut, einer herabgesetzten Permeabilitätsbarriere und zu einem erhöhten Risiko eines Endotoxin–Schocks [3]. Bei der mikroskopischen Kolitis und der Colitis ulcerosa sind die überschießenden, vom Interleukin-1/Toll-like-Rezeptor ausgehenden Signalwege unterschiedlich [4].
- Im Gehirn lassen sich bei verschiedenen Erkrankungen geringfügige und anhaltende mikrogliale Entzündungsreaktionen nachweisen, an denen Toll-like-Rezeptoren beteiligt sind, und die zu schweren Hirnfunktionsstörungen führen. Dazu gehören die Alzheimer-Demenz, die amyotrophe Lateralsclerose, die multiple Sclerose und die Parkinson-Krankheit [5] [6] [7].
- Die an den Entzündungen beteiligten Zellen entstammen der Mikroglia; sie entsprechen den Makrophagen des übrigen Körpers und können auch Toll-like-Rezeptoren bilden, die infektiöse und andere pathogene Agentien erkennen und Entzündungsreaktionen auslösen. Zudem führen solche chronisch schwelenden Entzündungen zu einer Beeinträchtigung neuronaler Erneuerungen (Neurogenese). Umgekehrt verbessert ihre Blockade bei Erwachsenen die Neubildung von Neuronen (Neurogenese) im Hippocampus Science. 2003 Dec 5;302(5651):1760-5.
- Nach einer cerebralen Minderdurchblutung (Ischämie) oder nach traumatischer Schädigung des Gehirns beispielsweise kommt es zu Veränderungen, die mit einer erhöhten Krampfanfallsbereitschaft assoziiert sind. Nach einer Ischämie im Tierversuch kommt es zu einem Anstieg TLR4 (im Cytoplasma) im Bereich des Hippocampus. Wenn die Tiere zuvor Glukose verabreicht bekommen hatten, so dass sie hyperglykämisch waren, so kam es zu einem noch ausgeprägteren Anstieg [8].
- In Ischämie-Reperfusionsexperimenten kommt es zu einem Hirninfarkt, bei dem zugrunde gegangene Zellen Substanzen entlassen, die von TLR4 erkannt werden und über ihn zu einer Erhöhung von Interleukinen, entzündlichen Reaktionen führen [9]. Die Hirnschädigung und neurologischen Defizite konnten durch Glycyrrhizin, einem antientzündlich wirkenden pflanzlichen Heilmittel der ostasiatischen Medizin, weitgehend aufgehoben werden, ebenso waren sie bei mutanten Tieren, die kein TLR4 bilden können, deutlich geringer [10].
- Beim Morbus Parkinson findet sich eine Entzündung des Gehirns mit Aktivierung der Mikroglia [11].
Um überschießende Entzündungsreaktionen zu hemmen, wie sie bei vielen chronischen Krankheiten vorkommen, bieten sich Toll-like-Rezeptoren als potenzielle Angriffsziele für Medikamente an. Solche Medikamente sind in Entwicklung.
Toll-like-Rezeptoren bei Entzündung und Krebsentstehung
Toll-like-Rezeptoren spielen bei der Krebsentstehung eine Rolle. Resiquimod (R848) beispielsweise bindet an bestimmte TLRs (TLR7 und 8), die bei der Entstehung von Basaliomen eine Rolle spielen.
Chronische Entzündungen spielen eine Rolle bei der Krebsentstehung. Einerseits können TLRs in Tumorzellen zu einer tumorassoziierten und den Tumor fördernden Entzündung führen, andererseits kann eine TLR-Aktivierung von Abwehrzellen eine Antitumorwirkung entfalten [12] [13].
Es wird angenommen, dass Toll-like-Rezeptoren ein potentieller Angriffspunkt für eine adjuvante Therapie solcher Tumore sein kann [14] [15]. Allerdings brauchen Studien mit synthetischen Analoga am Menschen nicht immer positiv verlaufen, wie eine Phase-2-Studie von Erlotinib mit und ohne einen TLR9-Agonisten bei kleinzelligen Lungenkarzinom zeigt [16].
Verweise
Literatur
- ? Cell. 1985 Oct;42(3):791-8.
- ? Int J Biochem Cell Biol. 2010 Apr; 42(4):506-18
- ? Cell. 2002 Jul 26;110(2):191-202
- ? World J Gastroenterol. 2014 Sep 14;20(34):12249-59
- ? J Neuroimmunol. 2014 Mar 15;268(1-2):1-12
- ? Neural Regen Res. 2013 May 5;8(13):1157-68
- ? J Neuroinflammation. 2014 Sep 20;11(1):166
- ? Brain Res. 2014 Sep 16. pii: S0006-8993(14)01229-3
- ? Neural Regen Res. 2013 May 5;8(13):1157-68
- ? Brain Res. 2014 Sep 25;1582:176-86
- ? J Neuroinflammation. 2005 Jun 3;2:14
- ? Front Immunol. 2014 Jul 22;5:341
- ? Gynecol Oncol. 2014 Aug 16. pii: S0090-8258(14)01266-9
- ? J Clin Invest. 2007 May;117(5):1184-94
- ? Front Immunol. 2014 Jul 22;5:341
- ? Cancer Biol Ther. 2013 Jul;14(7):557-63
Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).