Amyotrophe Lateralsklerose

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Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS; engl.: amyotrophic lateral sclerosis) ist eine chronische neurodegenerative Erkrankung, bei der ausschließlich die motorischen Nervenzellen (Motoneurone) vom allmählichen Untergang betroffen sind.  Die Erkrankung nimmt letztlich einen tödlichen Ausgang durch Ateminsuffizienz. Das sensible und sensorische System sowie die Intelligenz und die „Persönlichkeit“ bleiben vom Abbau praktisch unberührt. (1)Lancet. 2022 Oct 15;400(10360):1363-1380. doi: 10.1016/S0140-6736(22)01272-7

Häufigkeit

Die Prävalenz liegt (in den USA) bei 5 pro 100000. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 62 Jahren (zwischen 60 und 79 Jahren). (2)Eur J Epidemiol. 2018;33(7):621–34

Ursache und Entwicklung

Die Ursache der amyotrophen Lateralsklerose ist unklar. Risikofaktoren sind eine familiäre Belastung und schwere körperliche Anstrengungen, Schwermetalle, Rauchen. Als Gene sind SOD1, C9orf72, FUS und TARDBP und eine Reihe weiterer Gene (inzwischen mehr als 120), die mit ALS assoziiert sein sollen, in das Blickfeld gerückt. (3)Am J Manag Care. 2018 Aug;24(15 Suppl):S320-S326. PMID: 30207670.

In den Motoneuronen werden Proteininklusionen gefunden. Offenbar spielt ein endoplasmatischer Stress eine Rolle, der zu vermehrter Apoptose betroffener Motoneurone führt. Die Protein-Disulphid-Isomerase vermag die Proteinaggregation abzumildern; sie verhindert im Tiermodell die Aggregation und Toxizität der mutierten Superoxiddismutase 1. Eine funktionelle Hemmung der Protein-Disulphid-Isomerase durch S-Nitrosylierung trägt möglicherweise zur Entstehung des sporadischen amyotrophen Lateralsklerose bei. (4)Brain. 2010 Jan;133(Pt 1):105-16

Betroffen sind die oberen und die unteren Motoneurone. Die oberen sind im motorischen Kortex (Großhirnrinde) lokalisiert. Ihr Defekt führt zu lebhaften Reflexen (Hyperreflexie) sowie zu einer verlangsamten Koordination der Gliedmaßen mit Spastik und Steifheit der Muskeln. Die unteren Motoneurone sind die des Rückenmarks. Ihre Störung macht sich zuerst durch spontanes Muskelzucken oder Faszikulationen bemerkbar. In der Folge entstehen Muskelatrophien. Die Symptomatik beginnt in der Regel in den Extremitäten und geht später auf die Muskulatur der Augen und auf den Schließmuskeln über. (5)Am J Manag Care. 2018 Aug;24(15 Suppl):S320-S326. PMID: 30207670. (6)Lancet. 2022 Oct 15;400(10360):1363-1380. doi: 10.1016/S0140-6736(22)01272-7

Mit der Erkrankung geht eine Atrophie (Volumenverminderung) der motorisch involvierten Kleinhirnregionen inklusiver der Verbindungen in der weißen Substanz einher und zudem mit einer beidseitigen Atrophie der motorischen Großhirnregionen und des corticospinalen Trakts. (7)Brain Commun. 2020 May 15;2(2):fcaa061. DOI: 10.1093/braincomms/fcaa061 . PMID: 33543125; PMCID: … Continue reading

Formen

Es gibt zwei Haupterscheinungsformen: eine familiäre und eine sporadische Form.

Die familiäre Form betrifft bis zu 10 % der ALS-Patienten, m:f = 1:1, Auftreten in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter, dominante Vererbung.

Die sporadische (idiopathische) Form überwiegt; Männer sind überwiegend betroffen; Auftreten im späteren Lebensalter. Ursachen sind nicht sicher bekannt; vermutet werden ein abnorm funktionierendes Immunsystem, toxische Stoffe, eine mitochondriale Dysfunktion und eine Glutamat-Toxizität. (8)ALS: amyotrophic lateral sclerosis: causes/inheritance. Muscular Dystrophy Association website. … Continue reading Glutamat wirkt im Gehirn als exzitatorischer Überträgerstoff in Synapsen von Motoneuronen.

Symptomatik

Die Krankheit macht durch Schwäche, Faszikulieren oder/und Krämpfe einzelner Muskelgruppen (nicht symmetrisch) auf sich aufmerksam. Hinzu kommen bald unbeholfener Gang, erschwerte zielgerichtete Bewegung und eine Lähmung der Muskulatur. Die Mimik entschwindet der Beeinflussbarkeit. Schluckstörungen ( Dysphagie) und Verschlucken mit Aspirationsgefahr treten auf. Die Sprache wird undeutlich („verwaschen“). Schließlich nimmt die Atemkraft ab und es kommt terminal zur Ateminsuffizienz und zum Atemversagen.

Diagnostik

Die Symptomatik hyperreagibler Reflexe (z. B. auch eines Spontan-Babinski-Reflexes) oder zunehmender Schwäche einzelner Muskelgruppen und die Beobachtung atrophischer Muskelareale bei der klinischen Untersuchung führt zur Verdachtsdiagnose. Entzündliche Myopathien (Myositis, Dermatomyositis) und allgemeine Myopathien im Rahmen z. B. einer Hypokaliämie oder einer Hyperkalzämie und auch eine Borreliose müssen ausgeschlossen werden.

Die Elektromyographie (EMG) kann (z. B. durch Nachweis von Faszikulieren) zur Diagnose beitragen.

Die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit verläuft meist nicht diagnoseweisend.

Eine Magnetresonanztomographie (MRT) und eine Liquor-Untersuchung sind zur Differenzialdiagnose entzündlicher und anderer degenerativer Erkrankungen (z. B. multiple Sklerose) erforderlich. Bei der amyotrophen Lateralsklerose findet sich i. d. R. keine Erhöhung der Leukozytenzahl und des Eiweißgehalts im Liquor. MRT-basierte morphometrische Untersuchungen ergeben eine Atrophie der motorisch aktiven Hirnbezirke und Leitungsbahnen. (9)Brain Commun. 2020 May 15;2(2):fcaa061. DOI: 10.1093/braincomms/fcaa061. PMID: 33543125; PMCID: … Continue reading

Therapie

  • Die Behandlung der amyotrophen Lateralsklerose beschränkt sich in unterstützenden Maßnahmen bis hin zur Atemunterstützung.
  • Medikamentös kann mit Baclofen die Neigung zur Spastik und mit Riluzol können bulbäre Symptome verringert werden.
  • Physiotherapie und Logopädie helfen, Funktionen so lange wie möglich aufrecht zu erhalten.
  • Bei Schluckstörungen muss an die Möglichkeit einer PEG gedacht werden, um eine Aspirationspneumonie zu vermeiden.
  • Eine Patientenverfügung sollte unbedingt rechtzeitig erstellt und je nach Krankheitsverlauf aktualisiert werden.

 

Prognose

Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 2 – 5 Jahren; 20 % leben 5 Jahre und 10 % 10 Jahre.

Verweise

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