Allgmeines


Der Neugeborenendiabetes ist eine Zuckerkrankheit, die innerhalb der ersten 6 Lebensmonate diagnostiziert wird. Er ist in der Regel genetisch bedingt, wohingegen ein kindlicher Diabetes, der später als 6 Monate nach der Geburt manifest wird, in der Regel autoimmun bedingt ist und dem klassischen Diabetes Typ 1 entspricht. Der Neugeborenendiabetes wird häufig nicht als solcher erkannt, sodass eine relativ hohe Dunkelziffer anzunehmen ist (1)Nat Clin Pract Endocrinol Metab. 2008 Apr;4(4):200-13.


→ Auf facebook informieren wir Sie über Neues und Interessantes.
→ Verwalten Sie Ihre Laborwerte mit der Labor-App Blutwerte PRO – mit Lexikonfunktion.


Häufigkeit

Der Neugeborenendiabetes ist selten. Seine Inzidenz beträgt etwa 1 von 100000 Geburten (2)J Diabetes Investig. 2011 Jun 5;2(3):158-69, 2015 verifiziert durch Daten aus der Ukraine (3)J Pediatr Endocrinol Metab. 2015 Jul 24. pii: … Continue reading. Er macht etwa 1-2% aller Diabetes-Fälle aus und ist vermutlich unterdiagnostiziert, da er oft als Typ-1- oder Typ-2-Diabetes eingeordnet wird, was vielfach zu inadäquater Insulin-Therapie führt (4)Nat Clin Pract Endocrinol Metab. 2008 Apr;4(4):200-13.

Genetische Grundlagen

Der Neugeborenendiabetes ist in aller Regel monogenetisch bedingt. Über 2 Duzend Mutationen von Genen kommen als Ursache infrage.

Die häufigste Ursache eines monogenetischen Neugeborenendiabetes ist eine Mutation in den Kaliumkanal-Genen ABCC8 and KCNJ11 (5)N Engl J Med. 2006 Aug 3;355(5):456-66 (6)N Engl J Med. 2004 Apr 29;350(18):1838-49. In einer Studie wurden Mutationen von KCNJ11 oder ABCC8 in 47% der getesteten Fälle gefunden (7)J Clin Endocrinol Metab. 2014 Dec;99(12):E2709-14.

Daneben spielen Mutationen der Transkriptionsfaktoren HNF1A und HNF4A (verantwortlich für den MODY-Diabetes) und von GCK eine Rolle (8)Diabetologia. 2013 Sep;56(9):1958-63.

Vor allem mit 6q24 Anomalien oder GATA6 Mutationen sind mit Frühgeburten assoziiert (9)Pediatrics. 2016 Sep;138(3). pii: e20153926. doi: 10.1542/peds.2015-3926.

Klinische Erscheinungsformen

Je nach Mutation verläuft der Diabetes unterschiedlich: permanent, vorübergehend oder im Rahmen einer komplexen Erkrankung, wie dem Wolkott-Rallison-Syndrom (10)Lancet. 2015 Jul 28. pii: S0140-6736(15)60098-8. doi: 10.1016/S0140-6736(15)60098-8 (11)Diabetologia. 2013 Sep;56(9):1958-63.

In einer chinesischen Studie wurde festgestellt, dass 72% der Fälle von neonatalem Diabetes permanent verlaufen, und dass 1/3 von ihnen KATP-Mutationen (mit Funktionsstörung der Kaliumkanäle) aufweisen (12)J Diabetes Res. 2016;2016:6314368. doi: 10.1155/2016/6314368.

Klinisch ist der Diabetes mit Muskelschwäche, Entwicklungsverzögerung und Epilepsie assoziiert (13)Rev Endocr Metab Disord. 2010 Sep;11(3):193-8 .

Genetische Tests: Bedeutung für die Therapie

Die neuen gezielten Sequenzierungstests erfassen alle infrage kommenden Gene mit hoher Detektionsrate in einem einzigen diagnostischen Durchgang.

Der Nachweis der jeweils zugrunde liegenden Mutation hat Bedeutung für die Therapie. Nicht immer ist eine Insulinbehandlung erforderlich (14)Diabetologia. 2013 Sep;56(9):1958-63 :

  • Patienten mit einer GCK-Mutation bedürfen in der Regel keiner Therapie.
  • Patienten mit einer Kaliumkanal-Mutation (KCNJ11 oder ABCC8) reagieren auf hochdosierte Sulfonylharnstoffe.
  • Patienten mit Diabetes Typ MODY, der wie auch der Neugeborenendiabetes in der Regel monogenetisch bedingt ist, reagieren meist gut auf niedrig dosierte Sulfonylharnstoffe,

Eine Untersuchung auf monogenetischen Neugeborenendiabetes scheint sich einer Studie zufolge besonders bei Kindern zu lohnen, die nur gering zu früh geboren sind (>32 Wochen). In der Studie wurde festgestellt, dass 37% eine Kaliumkanalmutation (s. o.) aufweisen und dadurch mit Sulfonylharnstoffen besser behandelbar sind als mit Insulin (15)Pediatrics. 2016 Sep;138(3). pii: e20153926. doi: 10.1542/peds.2015-3926.

Bevor das Ergebnis eines genetischen Tests bekannt ist, kann bereits eine Therapie mit Sulfonylharnstoffen eingeleitet werden, um eine gute Blutzuckerkontrolle zu erzielen. Laut einer Studie ist sie sicher und meist effektiv (16)J Clin Endocrinol Metab. 2014 Dec;99(12):E2709-14.

Verweise

 

Literatur[+]