Chlorpyrifos – ein für den Menschen toxisches Insektengift

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Artikel aktualisiert am 22. Februar 2019

Chlorpyrifos ist ein für den Menschen toxisches Insektizid, das einem in Deutschland entwickelten Nervengas aus dem 2. Weltkrieg entstammt. Es ist ein Organophosphat und hemmt die Acetylcholinesterase irreversibel.  Seine neurotoxische und weitere toxische Wirkungen macht es selbst in geringer Dosis für den Menschen zu einem Gesundheitsrisiko. Es wird für jährlich über 10000 überwiegend suizidale Todesfälle verantwortlich gemacht. ((Journal of Forensic and Legal Medicine 47; 2017 29-34 DOI: https://doi.org/10.1016/j.jflm.2017.02.003))


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Wirkungen – Vergiftungen

In höheren Dosen wirkt Chlorpyrifos, indem es die Cholinesterase (ChE) irreversibel hemmt und damit eine cholinerge Überstimulation herbeiführt. Die Substanz führt eine cholinerge Krise herbei, die durch eine Hypersekretion (z. B. von Speichel), langsamen Herzschlag (Bradykardie), niedrigen Blutdruck (Hypotension), Verengung der Atemwege (Bronchokonstriktion) und Bauchkrämpfe und starke Darmbewegungen gekennzeichnet ist. Der Augeninndendruck sinkt; die Bulbi sind bei Druck weicher als normal. Als Antidot kommt Atropin in Betracht. Auch Skopolamin wurde als Gegengift erfolgreich verwendet: In dem Fall eines 17-jährigen Mädchens, welches das Gift in suizidaler Absicht eingenommen hatte, zeigten sich in den ersten 12 Stunden lediglich 3-maliges Erbrechen, anschließend kamen extrapyramidalmotorische Symptome auf; schließlich entwickelte sich nach 36 Studen eine komatöse Eintrübung. Intravenöses Skopolamin führte innerhalb von 3 Minuten zu Ansprechbarkeit. (( 2005;43(7):877-9.)) Andere Antidots (wie die Oxime Pralidoxim und Obidoxim) kommen ebenfalls in Frage. Das besagen auch Tierversuche (( 2017 Aug 25;274:50-57. doi: 10.1016/j.cbi.2017.07.003)). Sie haben beim Menschen laut einer zusammenfassenden Beurteilung jedoch keine gesichert günstige Wirkung bei Vergiftungen mit Organophosphaten. (( 2011 Feb 16;(2):CD005085. doi: 10.1002/14651858.CD005085.pub2.))

In geringen Dosen, wie sie durch Kontamination der Umwelt zustande kommen (ganz besonders in der Arbeitsumgebung von Landarbeitern in der dritten Welt), ist es mit verschiedenen Krankheiten assoziiert, so mit der Entwicklung von Autoimmunreaktionen. Gehäuft entstehen unter seinem Einfluss Antikörper gegen glatte Muskulatur (ASMA), Parietalzellen des Magens (Bedeutung bei atrophischer Typ-A-Gastritis und Vitamin B12-Mangel) , Bürstensäume des Dünndarms (Bedeutung bei Coeliakie), die Schilddrüse (Bedeutung bei Autoimmunkrankheiten der Schilddrüse), das Myelin der Nervenzellen (Bedeutung bei MS) und antinukleäre Faktoren (ANA, Bedeutung beim Lupus erythematodes) ((Arch Environ Health. 1993 Mar-Apr;48(2):89-93.)). Bei Versuchstieren (Ratten) wurde ein stark negativer Einfluss auf die Spermienbildung festgestellt (Spermienfunktion und -zahl herabgesetzt). ((Vet Res Forum. 2017;8(4):319-326.)) In der Kombination mit Cypermethrin, einem weiteren toxischen Insektizid, führte es bei den Versuchstieren zu einer signifikanten Abnahme der Konzentration an Follikel stimulierendem Hormon (FSH), Luteinisierungshormon (LH) und Testosteron, sowie zu morphologischen Veränderungen an den Geschlechtsorganen. ((Environ Sci Pollut Res Int. 2017 Jan;24(2):1532-1543. doi: 10.1007/s11356-016-7912-6.))

Einfluss auf Tumore

Die Substanz wirkt bezüglich einer Tumorentstehung unterschiedlich. Laut experimentellen Befunden scheint sie die Entstehung eines Prostatakarzinoms ((J Environ Pathol Toxicol Oncol. 2013;32(1):29-39)) oder von Brustkrebs ((Chemosphere. 2015 Feb;120:343-50. doi: 10.1016/j.chemosphere.2014.07.088.)) nicht zu fördern. Darmkrebszellen in Kultur jedoch werden in ihrem Wachstum durch Chlorpyrifos gefördert. ((Toxicology. 2015 Dec 2;338:117-29. doi: 10.1016/j.tox.2015.10.009)) In einer prospektiven Kohortenstudie wurde beim Menschen eine positive Assoziation mit Lungenkrebs mit einem relativen 2,18-fach erhöhten Risiko gefunden. ((J Natl Cancer Inst. 2004 Dec 1;96(23):1781-9.))

Einfluss auf das sich entwickelnde Gehirn

In Tierversuchen führte eine bereits pränatale Exposition mit Chlorpyrifos zu Verhaltensauffälligkeiten der Nachkommen. (( 2015 Apr 2;14:32. doi: 10.1186/s12940-015-0019-6.)) In Mäusen beispielsweise wurde Autismus-ähnliches Verhalten ausgelöst. (( 2017 May 2;16(1):43. doi: 10.1186/s12940-017-0251-3.))

Beim Menschen führte eine pränatale Exposition mit Chlorpyrifos zu Veränderungen beim sich intrauterin entwickelnden kindlichen Gehirn schon bei Standardnutzwerten in der Landwirtschaft. ((Proc Natl Acad Sci U S A. 2012 May 15;109(20):7871-6. doi: 10.1073/pnas.1203396109.)) Sie führte laut einer Untersuchung in der mittleren Kindheit zu vermehrtem Tremor (Zittrigkeit). (( 2015 Dec;51:80-6. doi: 10.1016/j.neuro.2015.09.004.))

Eine Untersuchung befasste sich prospektiv mit der Entwicklung von 265 Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft dem Insektengift ausgesetzt waren, und deren Konzentration im Nabenschnurblut gemessen wurde. Sie zeigten im Alter von 7 Jahren eine Abnahme des Intelligenzquotienten in Abhängigkeit der Chlorpyrifos-Konzentration im Nabelschnurblut: der Gesamt-IQ war pro 4,61 pg/g mehr um 1,4% und das Arbeitsgedächtnis um 2,8% gesunken. ((Environ Health Perspect. 2011 Aug;119(8):1196-201. doi: 10.1289/ehp.1003160.))

Zulassungspolitik

Die USA wollte daher die Nutzung von Chlorpyrifos auf Empfehlung der United States Environmental Protection Agency (EPA, US-amerikanische Umweltschutzbehörde) einschränken. Im März 2017 wurde der Plan durch die neue Administratur kurz vor seiner Umsetzung gecancelt.

Die hoch angesehene Fachzeitschrift NEJM (New England Journal of Medicine) macht darauf aufmerksam, dass das kindliche Gehirn sehr viel empfindlicher auf solch eine toxische Störung reagiert als das Erwachsenengehirn. Ein aktueller NEJM-Artikel fordert: „Despite the growing body of scientific evidence suggesting otherwise, current regulatory policy would lead the public to believe that, under conditions of normal use, chlorpyrifos is not harmful to pregnant women and children. The EPA is required by federal law to ban or regulate a chemical if it cannot prove with reasonable certainty that the chemical is safe. In the case of chlorpyrifos, it has failed to provide this certainty.”  ((http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMp1716809 ))

Bezüglich der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland, siehe hier.

Verweise


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).