Hyperthyreose

Artikel aktualisiert am 24. März 2024

Hyperthyreose (engl.: hyperthyroidism) bedeutet Schilddrüsenüberfunktion. Sie ist eine Erkrankung des Hormonsystems, bei dem die Schilddrüse überaktiv ist. Wegen der zentralen Bedeutung ihrer Hormone, speziell von Trijodtyronin, für den Stoffwechsel, die Reaktionsbereitschaft und die Temperaturhaushalt des Körpers sind die Auswirkungen vielfältig. (1)Lancet Diabetes Endocrinol. 2023 Apr;11(4):282-298

Schilddrüsenhormone
Die Schilddrüse


Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Häufigkeit: 0·2-1·3% der Bevölkerung

Die Symptome einer Hyperthyreose sind Unruhe, Schweißneigung und Herzklopfen.

Auswirkungen betreffen das Herz (Herzrhythmusstörungen), den Knochen (Osteoporose), das Gehirn (zentrale Fehlregulationen des vegetativen Nervensystems, Hyperaktivität) und die Psyche (psychotische Reaktionen).

Die Diagnostik sollte vor allem wegen der erhöhten Gefahr von Herzrhythmusstörungen rach erfolgen. Die wichtigsten Laborparameter sind ein niedriger TSH-Wert sowie ein erhöhter freier Thyroxin- [FT4] und freier Triiodthyoninspiegel [FT3].  (2)Thyroid. 2016 Oct;26(10):1343-1421. DOI: 10.1089/thy.2016.0229. .

Ursachen: eine Hyperthyreose wird amhäufigsten durch eine Basedow-Hyperthyreose (70 %), eine toxische Knotenstruma (16 %), eine subakute granulomatöse Thyreoiditis (3 %) und Medikamente (9 %) wie Amiodaron, Tyrosinkinase-Inhibitoren und Immun-Checkpoint-Inhibitoren verursacht. Auch das Anfangsstadium einer Hashimoto-Thyreoiditis kann hyperthyreot verlaufen.

Therapie: Die Behandlungsoptionen umfassen bei hormonell aktiven Schilddrüsenknoten eine Radiotherapie und operative Verfahren. Bei diffusen Schilddrüsenerkrankungen mit Überfunktion werden vor allem Medikamente (Thyreostatika) eingesetzt. Die am häufigsten eingesetzten Medikamente sind Thiamazol, Methimazol und Carbimazol. Bei der Basedow-Erkrankung werden neue Behandlungsoptionen mit Checkpoint-Inhibitoren entwickelt.


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Pathophysiologie

Trijodthyronin (T3), ist das wirksame Produkt des Schilddrüsenhormons Tyroxin (T4). Es beeinflusst praktisch alle physiologischen Prozesse im Körper. Von den Schilddrüsenhormonen abhängig sind insbesondere Wachstum und Entwicklung, viele zentrale Stoffwechselprozesse, die Körpertemperatur und die Herzfrequenz. Ihre Bildung ist abhängig von Befehlen des Hypophysenvorderlappens, welcher das schilddrüsenstimulierende Hormon TSH produziert.
Erhöhte Konzentrationen von T3 und T4 im Blutplasma hemmen in einer negativen Rückkoppplungsschleife die Produktion von TSH. Die TSH-Produktion hängt außerdem vom Hypothalamus, einen basalen Hirnkern, ab. Er produziert das Thyrotropin-Releasing-Hormon (TRH). TRH regt den Hypophysenvorderlappen zur Produktion von TSH an. Der Hypothalamus produziert ebenfals Somatostatin, welches die TSH-Produktion in der Hypophyse hemmt. Eine Hypertyreose kann damit auf eine Fehlregulation an verschiedenen Stellen der sich gegenseitig beeinflussenden Regelkreise zurückzuführen sein.

Das Hormonsystem: Basics

Ursachen

Für eine Hyperthyreose kommen eine Reihe verschiedener Ursachen in Betracht, die differenzialdiagnostisch zu differenzieren sind. Die wichtigsten sind (3)Lancet Diabetes Endocrinol. 2023 Apr;11(4):282-298:

  • ein autonomes Adenom (gutartiger Knoten mit Hormonproduktion, vielfach Folge jahrelanger Stimulation durch TSH in Jodmangelgebieten),
  • Hashimoto-Thyreoiditis: eine Hyperthyreose besteht meist nur im Anfangsstadium, später kommt es wegen Gewebszerstörung durch Selbstangriff des Immunsystems zur Hypothyreose; eine stärkere Überfunktion wurde als Hashitoxikosis bezeichnet, die wegen des nur vorübergehenden Charakters i.d.R. nur einer ß-Blocker-Therapie bedarf.  (4)Pol Arch Intern Med. 2022 Mar 30;132(3):16222. doi: 10.20452/pamw.16222.,
  • Hyperthyreosis factitia: therapeutisch induzierte Überfunktion durch Überdosierung von Schilddrüsenhormonen zur Behandlung einer Unterfunktion,
  • Hypophysenadenom (gutartige Vergrößerung der Hirnanhangsdrüse, selten): erhöhte TSH-Werte plus erhöhte Schilddrüsenhormone (fT3 und fT4, s. u.),
  • Impfungen: Beispiel Covid19-Impfung, Adjunvans-bedingt bei Prädisposition des Impflings (5)Endocrine. 2021 Dec;74(3):473-474 (6)Endocrine. 2022 Jan;75(1):22. doi: 10.1007/s12020-021-02922-8,
  • Medikamente (z. B. Amiodaron) und Jod-haltige Kontrastmittel in der Radiologie.

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Klinik und Symptomatik

Manifeste Hyperthyreose

Die manifeste Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion mit klinischen Auswirkungen) kann folgende Symptome hervorrufen:

Beim Morbus Basedow kommen Augensymptome hinzu (endokrine Orbitopathie: Exophthalmus, seltener Lidschlag, Konvergenzschwäche, zurückbleibendes Oberlid).

Thyreotoxikose: Eine latente Hyperthyreose kann manifest werden, wenn Jod zugeführt wird. Es kommt zu Herzrasen, Zittrigkeit, Durchfall, Schlaflosigkeit und innerer Unruhe. Es entwickelt sich das Bild einer Thyreotoxikose, das wegen der Gefahr einer lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörung einer sofortigen Behandlung bedarf.

Leichte Struma diffusa einer jungen Frau, die unter Schweißausbrüchen und häufigem Herzklopfen litt. Keine weiteren Symptome. Unter den Laborwerte waren TSH erniedrigt und fT3 und fT4 erhöht. MAK war positiv. Es handelte sich um die überfunktionelle Anfangsphase einer Hashimoto-Thyreoiditis.

Latente Hyperthyreose

Die latente Schilddrüsenüberfunktion macht im Gegensatz zur manifesten in der Regel noch keine Symptome; sie fällt lediglich durch eine TSH-Erniedrigung bei normalen peripheren Hormonen (fT3, fT4) auf. Wenn Herzrhythmusstörungen vorliegen, kann eine ansonsten latente Hyperthyreose jedoch bereits eine Therapieindikation darstellen. Dazu siehe hier.

Diagnostik

Bereits die Anamnese kann auf die Diagnose einer Schilddrüsenüberfunktion hindeuten. Kommen typische klinische Befunde hinzu, so wird die Diagnose oft wahrscheinlich. Gesichert wird sie jedoch durch die Laborwerte (erhöhte Schilddrüsenparameter). Das zuverlässigste Screening-Maß für die Schilddrüsenfunktion ist der Spiegel des Schilddrüsen-stimulierenden Hormons (TSH) (7)Thyroid. 2016 Oct;26(10):1343-1421. DOI: 10.1089/thy.2016.0229.

Eine wesentliche Aufgabe der Diagnostik betrifft die Ursache. In den meisten Fällen stell die Hyperthyreose in ihrer latenten oder manifesten Ausprägung

  • das Anfangsstadium einer Hashimoto-Thyreoiditis,
  • ein Morbus Basedow,
  • ein Adenom oder
  • eine iatrogene (z. B. medikamentös erzeugte) Überfunktion

dar. Ihnen wird diagnostisch in erster Linie nachgegangen.

Anamnese

Betroffene berichten über Ungeschicklichkeiten (häufiger als sonst Geschirr zerbrochen etc.), Haarausfall, Wärmeintoleranz, Nervosität, Schlaflosigkeit und Durchfälle.

Körperlicher Untersuchungsbefund

Bei der klinischen Untersuchung können auffällig sein:

  • eine Schilddrüsenvergrößerung (Struma, nicht immer leicht erkennbar),
  • ein feinschlägiger Tremor,
  • Beschleunigter Herzschlag (Tachykardie), u. U. Herzrhythmusstörung bzw. absolute Arrhythmie,
  • feuchtwarme Haut,
  • Augensymptome (Glanzauge, seltener Lidschlag, vorstehende Bulbi, Konvergenzschwäche).

Die Symptomatik kann sehr unterschiedlich ausfallen; nicht immer liegen alle Symptome vor.

Herzrhythmusstörungen können bei einer erheblichen Schilddrüsenüberfunktion lebensbedrohlich sein.

Laborwerte

Sie sind zur Diagnosesicherung einer Hyperthyreose unerlässlich. Geprüft werden vor allem:

  • TSH („Thyreoidea stimuliernedes Hormon“): supprimiert,
  • fT3 und fT4 (freies T3 bzw. T4): erhöht,
  • Bestimmung der Schilddrüsenantikörper:
    • TRAK („TSH-Rezeptor-Antikörper“) bei M. Basedow: positiv,
    • MAK („mikrosomale Antikörper“; entspricht der TPO: „thyreoidale Peroxidase“) bei Hashimoto-Thyreoiditis: positiv.
    • Sind beide Antikörper negativ, kommt in erster Linie ein Schilddrüsenadenom infrage.

Schilddrüsensonographie

Die Ultraschalluntersuchung (Sonographie) der Schilddrüse gehört zu den Eingangsuntersuchungen bei Verdacht auf eine Schilddrüsenerkrankung und beantwortet die Fragen nach Zeichen

  • einer diffusen Vergrößerung,
  • einer Entzündung und
  • einer Raumforderung (z. B. eines Adenoms, eines Karzinoms oder einer Zyste).

Schilddrüsenszintigraphie

Die Szintigraphie der Schilddrüse ist sehr aussagekräftig bezüglich des Nachweises eines hyperaktiven warmen oder heißen Knotens als Ursache der Hyperthyreose.

Auswirkungen

Bei der Diagnostik sind die Auswirkungen einer Schilddrüsenüberfunktion zu berücksichtigen. Zu ihnen gehören:

  • Herzrhythmusstörungen: Erforderlich sind EKG und Speicher-EKG.
    • Vorhofflimmern: Dies ist ein relativ häufiges Risiko einer Hyperthyreose. Da es mit einer erhöhten Inzidenz von Schlaganfällen und auf Dauer mit einer Herzinsuffizienz verbunden ist, ist eine genaue Rhythmusdiagnostik und -kontrolle erforderlich. (8)Indian Heart J. 2017 Jul-Aug;69(4):545-550. DOI: 10.1016/j.ihj.2017.07.004
  • Osteoporose: Eine länger bestehende Schilddrüsenüberfunktion führt zu beschleunigtem Knochenabbau und einem Anstieg des Risikos von Knochenbrüchen, vor allem von Hüft- und Wirbelbrüchen. Ggf. ist eine Osteodensitometrie indiziert (9)J Clin Med. 2020 Apr 6;9(4):1034. doi: 10.3390/jcm9041034. Eine subklinische Hypothyreose kann mit einem erhöhten Risiko für Hüft- und andere Frakturen verbunden sein; aber die Statistiken haben keine einheitlichen Ergebnisse erbracht. Auch die Ergebnisse der Behandlung einer subklinischen Hyperthyreose waren widersprüchlich. (10)J Clin Med. 2020 Apr 6;9(4):1034. doi: 10.3390/jcm9041034

Therapie

Subklinische Hyperthyreose

Eine subklinische Hyperthyreose wird i. d. R. zunächst beobachtet (watchfull waiting). Eine Behandlung wird für Patienten mit hohem Risiko für Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen empfohlen, so für Patienten über 65 Jahre oder mit einem anhaltenden Serum-Thyrotropinspiegel von weniger als 0,1 mIU/l.  (11)JAMA. 2023 Oct 17;330(15):1472-1483

Manifeste Hyperthyreose

Eine manifeste Hyperthyreose sollte umgehend behandelt werden, vor allem um kritische Herzrhythmusstörungen vorzubeugen.

Eine Radiojodbehandlung ist eine seit Jahrzehnten effektiv durchgeführte Therapie bei warmen oder heißen Knoten in der schliddrüse. Sie wird als Vorbereitung auf eine Operation durchgeführt, wenn Thyreostatika unwirksam oder kontraindiziert sind.

Bei Patienten mit Morbus Basedow und Orbitopathie ist die Radiojodbehandlung problematisch; sie kann eine Radiojodbehandlung den Entzündungsprozess verstärken und die ophthalmologischen Symptome verschlimmern. (12)Nucl Med Rev Cent East Eur. 2011;14(1):29-32

Für Patienten mit einer hyperthyreoten diffusen Schilddrüsenkrankheit kommen in erster Linie Thyreostatika infrage. Folgende Optionen stehen zur Verfügung (13)JAMA. 2023 Oct 17;330(15):1472-1483:

  • Perchlorat hemmt die Aufnahme von Jodid in die Thyreozyten; Indikation: Vorbereitung vor Jodbelastung durch Kontrastmittel.
  • Thiamazol, Methimazol und Carbimazol hemmen die Hormonsynthese; Indikation: Dauertherapie der Hyperthyreose.
  • ß-Blocker: Indikation für Beta-Blocker sind Herzrhythmusstörungen (Tachykardie, Tachyarrhythmie)
  • Radiojodtherapie: Indikation ist die definitive Entfernung von autonomem Schilddrüsengewebe. Sie wird bei älteren Menschen und bei erhöhtem Operationsrisiko einer Threoidektomie bevorzugt.
  • Thyreoidektomie (operative Resektion eines Lappens oder eines Knotens oder subtotale Resektion); Indikation: gute Operabilität. Sie wird meist bei jüngeren Menschen bevorzugt. Eine Rekurrensparese (Beschädigung des Nerven, der die Stimmlippen innerviert) und damit Heiserkeit als Komplikation kann heute relativ sicher vermieden werden.

Mehr zur Behandlung siehe unter Morbus Basedow.


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Verweise

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Literatur

Literatur
1Lancet Diabetes Endocrinol. 2023 Apr;11(4):282-298
2Thyroid. 2016 Oct;26(10):1343-1421. DOI: 10.1089/thy.2016.0229.
3Lancet Diabetes Endocrinol. 2023 Apr;11(4):282-298
4Pol Arch Intern Med. 2022 Mar 30;132(3):16222. doi: 10.20452/pamw.16222.
5Endocrine. 2021 Dec;74(3):473-474
6Endocrine. 2022 Jan;75(1):22. doi: 10.1007/s12020-021-02922-8
7Thyroid. 2016 Oct;26(10):1343-1421. DOI: 10.1089/thy.2016.0229.
8Indian Heart J. 2017 Jul-Aug;69(4):545-550. DOI: 10.1016/j.ihj.2017.07.004
9J Clin Med. 2020 Apr 6;9(4):1034. doi: 10.3390/jcm9041034
10J Clin Med. 2020 Apr 6;9(4):1034. doi: 10.3390/jcm9041034
11JAMA. 2023 Oct 17;330(15):1472-1483
12Nucl Med Rev Cent East Eur. 2011;14(1):29-32
13JAMA. 2023 Oct 17;330(15):1472-1483