Maligne Hyperthermie

Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Die maligne Hyperthermie ist eine lebensbedrohliche Komplikation bei einer Narkose. Es handelt sich um einen kritischen Anstieg der Körpertemperatur durch Muskelzittern und spastische Muskelkontraktionen. Ihr liegt ein erblicher Defekt zugrunde, der durch bestimmte Auslöser zutage tritt, so vor allem durch Inhalationsnarkotika und Muskelrelaxanzien (vor allem Succinylcholin).

Schon bei einer vagen Vermutung in der Prämedikationsvisite, z. B. wenn Muskelerkrankungen bei Verwandten zu erfragen sind, sollte auf eine triggerfreie Narkose (z.B. Propofol/Opioid) zurückgegriffen werden.

Die Behandlung besteht in einem sofortigen Wechsel der Narkosemittel und der Verabreichung von Dantrolen.

Narkotika

Entstehung

Die maligne Hyperthermie (engl. malignant hyperthermia) bedeutet kritischer Fieberanstieg. Sie ist eine sehr seltene, oft tödlich (letal) verlaufende Nebenwirkung von Narkosemitteln. Sie ist erblich verankert und am häufigsten durch eine Mutation im Ryanodin-Rezeptor-Gen (RYR1) und auch durch das CACNA1S-Gen bedingt. RYR1 kodiert für die Kalziumkanäle in Muskelzellen, die für den Kalziumstrom aus dem endoplasmatischen Retikulum ins Zytoplasma verantwortlich sind. Verschiedene Mutationen können getestet werden, was diagnostisch von Bedeutung ist. (1)J Anaesthesiol Clin Pharmacol. 2020 Oct-Dec;36(4):552-555. DOI: 10.4103/joacp.JOACP_360_19. Epub … Continue reading

Durch Triggersubstanzen (wie Succinylcholin und inhalative Narkotika) werden Muskelkontraktionen ausgelöst. Die Dauerkontraktion verursacht eine massive Stoffwechselsteigerung bis hin zur Muskelzerstörung (Rhabdomyolyse), die eine Niereninsuffizienz zur Folge haben kann. Es kommt zu folgenden Stoffwechselphänomenen:

  • Starke Erhöhung des O2-Verbrauchs → Hypoxie
  • Hohe CO2-Produktion → Hyperkapnie
  • Anstieg des Laktatspiegels (anaerobe Glykolyse) → metabolische Azidose
  • Hyperkaliämie (H+/K+-Antiporter und Zerstörung der Muskelzellen)

Klinik

Durch das hohe Fieber kommt es zur allgemeinen Erhöhung des Stoffwechsels, einer Erhöhung der Herzfrequenz und der Atmung und verschiedenen organischen Störungen. Bedrohlich wird eine Hirnschwellung, die mit Somnolenz und Bewusstlosigkeit einhergehen kann. (2)Curr Opin Anaesthesiol. 2010 Jun;23(3):417-22. DOI: 10.1097/ACO.0b013e328337ffe0. PMID: 20173632. (3)Eur J Hum Genet. 2011 Jun;19(6). DOI: 10.1038/ejhg.2010.248. Epub 2011 Jan 19. PMID: 21248738; … Continue reading

Folge der heftigen Muskelkontraktionen sind Muskelschädigungen mit Freisetzung von LDH, CK und Myoglobin. Die Myoglobinämie führt bei ausgeprägter Reaktion zur Myoglobinurie und einer Nierenschädigung bis hin zur Niereninsuffizienz und Anurie (wie bei der Crash-Niere).

Leitsymptome:

  • Unvollständige Muskelrelaxation (z. B. beim Masseterspasmus)
  • Schwitzen und Temperaturanstieg (bis 43°C)
  • Sympathikoadrenerge Überstimulation: Tachykardie, Hyperventilation
  • Zyanose

Labor

Folge der heftigen Muskelkontraktionen sind Muskelschädigungen mit Freisetzung intrazellulärer Bestandteile wie von LDH, CK und Myoglobin. Es kann über die Myoglobinämie zur Myoglobinurie und einer Nierenschädigung bis hin zur Niereninsuffizienz und Anurie (wie bei der Crash-Niere) kommen.

Geachtet wird insbesondere auf:

Bestätigt wird die Diagnose durch den Muskelkontrakturtest (Exposition gegenüber Halothan-Koffein). (4)Curr Opin Anaesthesiol. 2010 Jun;23(3):417-22. DOI: 10.1097/ACO.0b013e328337ffe0

Symptomatik und Verlauf

Der Verlauf ist in seiner fulminanten Form eindeutig zu erkennen, in seiner abortiven, unterschwelligen Form leicht zu übersehen. Leitend sind eine Muskelrigidität (z. B. Masseterspasmus) und die bald auftretende kaum beeinflussbare maligne Hyperthermie. Es muss auf die Entwicklung einer Niereninsuffizienz, Tachypnoe und Ateminsuffizienz, Azidose und die Entwicklung einer Hirnschwellung (Hirnödem) geachtet werden. Es können Herzrhythmusstörungen auftreten; bei vorbestehender koronarer Herzkrankheit kann es zu einer akuten Koronarinsuffizienz kommen.

Therapie

Wenn eine maligne Hyperthermie einzutreten droht, sollte sofort auf ein sicheres Narkosemittel gewechselt und zudem Dantrolen verabreicht werden. Dantrolen hemmt die Kalziumfreisetzung aus dem endoplasmatischen Retikulum ins Plasma der Muskelzellen und wirkt damit als Muskelrelaxans. Es unterbricht den auslösenden Mechanismus. Die Maßnahme wird so lange durchgeführt, bis die vermutliche Triggersubstanz weitgehend abgebaut und ausgeschieden ist.

Der fulminante Verlauf bis hin zum irreversiblen Hirnödem und Nierenversagen erfordert ein umfangreiches Monitoring und eine Überwachung bis zu 48h.

Vorbeugung

Die rechtzeitige Erkennung einer Veranlagung zur malignen Hyperthermie ist die beste Vorbeugung. Anhalt für eine solche Veranlagung sind vorausgegangene Narkosezwischenfälle oder solche bei Blutsverwandten. Sollte der Verdacht auf die Veranlagung zu einer malignen Hyperthermie im Raum stehen, wäre auf „sichere Narkosemittel“ (i.v. Anästhetika, Stickoxid, nicht-depolarisierende Muskelrelaxantien, Lokalanästhetika, Xenon) zurückzugreifen.


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Verweise

Literatur[+]