Gallensäure-Spillover

Artikel aktualisiert am 9. Januar 2022

Gallensäure-Spillover bedeutet Übertritt von Gallensäuren aus dem Dünndarm in den Dickdarm. Normalerweise werden Gallensäuren im untersten Teil des Dünndarms, dem terminalen Ileum, zu weit über 90% resorbiert. Sie machen einen enterohepatischen Kreislauf durch: Aufnahme im Dünndarm, Transport mit dem Blut zur Leber, dort Aufnahme und Ausscheidung über die Galle wieder in den Darm. Die Gallensäure-Rückgewinnung im unteren Dünndarm dient einer ökonomisch effektiven Einsparung des für die Verdauung und Resorption von Fettstoffen (Lipiden) im Dünndarm wertvollen Moleküls.

Bei Erkrankungen des Dünndarms mit Befall des terminalen Ileums geraten Gallensäuren in das Kolon und verursachen dort Symptome. Es kommt zu einem Gallensäureverlustsyndrom.


Ursachen

Häufige Ursachen eines Gallensäure-Spillovers sind

Folgen

  • Gallensäuren, die vermehrt in den Dickdarm (Kolon) gelangen, reizen dort die Schleimhaut und bewirken chronische Durchfälle, die sog. chologene Diarrhö. Sie werden dort von den Darmbakterien in toxische Gallensäuren (sekundäre Gallensäuren) umgewandelt, die abnorme Einflüsse auf den Körper ausüben.
  • In der Regel ist auch die Resorption von Vitamin B12 unzureichend, so dass innerhalb einiger Monate ein B12-Mangel eintritt.
  • Die Akkumulation von Gallensäuren im Dickdarm fördert die Entwicklung einer nekrotisierenden Enterokolitis (Entzündung mit Zerstörung der Darmschleimhaut) bei frühgeborenen Kindern und zeigt so ihren prinzipiell toxischen Effekt. (1)Sci Rep. 2020 Jan 14;10(1):249. DOI: 10.1038/s41598-019-57178-0. PMID: 31937876; PMCID: … Continue reading
  • Gallensäuren (insbesondere sekundäre Spezies) beeinflussen die Darmflora (Darm-Mikrobiom). Das Mikrobiom des Dickdarms verändert umgekehrt die Zusammensetzung der Gallensäuren; es entstehen sekundäre Gallensäuren, wie die Desoxycholsäure (DCA). Schon geringe Konzentrationen von DCA fördern (über den ß-Catenin-Signalweg) die Entstehung von Neoplasien in der Dickdarmschleimhaut. (2)Mol Biol Cell. 2004 May;15(5):2156-63. DOI: 10.1091/mbc.e03-12-0894. Epub 2004 Mar 5. PMID: … Continue reading (3)Eur J Clin Invest. 2002 Jan;32(1):29-34. DOI: 10.1046/j.0014-2972.2001.00938.x. PMID: 11851724. Sie können theoretisch zur Entstehung von Darmkrebs beitragen. (4)Mol Carcinog. 2019 Jul;58(7):1155-1167. DOI: 10.1002/mc.22999. Epub 2019 Mar 3. PMID: 30828892; … Continue reading (5)Int J Cancer. 2017 Jun 1;140(11):2545-2556. DOI: 10.1002/ijc.30643. Epub 2017 Mar 1. PMID: … Continue reading Eine statistische Assoziation ist allerdings nicht bekannt.
  • Beim ständigem Gallensäure-Spillover verringert sich der Gallensäurepool; es kommt zu einem Gallensäureverlustsyndrom. Damit assoziiert ist ein erhöhtes Risiko für Gallensteine. Sowohl schwarze Steine, als auch Cholesterinsteine treten vermehrt auf. Schwarze Steine entstehen durch vermehrte biliäre Ausscheidung von indirektem Bilirubin, welches durch bakterielle Zersetzung von Bilirubindiglucuronid im Kolon entsteht (das bei einem vermehrten Spillover von Dünndarminhalt ebenfalls vermehrt ins Kolon übertritt). Cholesterinsteine entstehen, da Cholesterin schlechter in der Galle gelöst werden kann, was auf den Verlust von Gallensäuren (die für Cholesterin eine Rolle als Lösungsvermittler spielen) über den Darm zurückzuführen ist. (6)Gastroenterology. 1970 Aug;59(2):165-73. PMID: 4915192. (7)J Lipid Res. 2019 Mar;60(3):498-505. DOI: 10.1194/jlr.S091199. Epub 2019 Jan 4. PMID: 30610083; … Continue reading.

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Verweise

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 

 


Literatur

Literatur
1Sci Rep. 2020 Jan 14;10(1):249. DOI: 10.1038/s41598-019-57178-0. PMID: 31937876; PMCID: PMC6959237.
2Mol Biol Cell. 2004 May;15(5):2156-63. DOI: 10.1091/mbc.e03-12-0894. Epub 2004 Mar 5. PMID: 15004225; PMCID: PMC404012.
3Eur J Clin Invest. 2002 Jan;32(1):29-34. DOI: 10.1046/j.0014-2972.2001.00938.x. PMID: 11851724.
4Mol Carcinog. 2019 Jul;58(7):1155-1167. DOI: 10.1002/mc.22999. Epub 2019 Mar 3. PMID: 30828892; PMCID: PMC6593857.
5Int J Cancer. 2017 Jun 1;140(11):2545-2556. DOI: 10.1002/ijc.30643. Epub 2017 Mar 1. PMID: 28187526.
6Gastroenterology. 1970 Aug;59(2):165-73. PMID: 4915192.
7J Lipid Res. 2019 Mar;60(3):498-505. DOI: 10.1194/jlr.S091199. Epub 2019 Jan 4. PMID: 30610083; PMCID: PMC6399503.