Rauchen in der Schwangerschaft

Von Fachärzten geschrieben und wissenschaftlich überprüft.

Rauchen in der Schwangerschaft schädigt das heranwachsende Kind. Obwohl dies bekannt ist und bei jeder Schwangerenbetreuung hervorgehoben wird, hören etwa 25% der werdenden Mütter zu Beginn der Schwangerschaft nicht zu rauchen auf [1].

Inzwischen sind eine Reihe von Zusammenhängen zwischen Rauchen der Mutter und Schädigung des Fetus aufgedeckt worden.

Nikotin und viele der über 6000 biologisch wirksamen Substanzen des Zigarettenqualms passieren die Plazenta problemlos und führen im sich entwickelnden Fetus zu Stoffwechselveränderungen, die sich vielfältig auswirken. Einige markante Beispiele seien hier angeführt.


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Intrauterine Wachstumsverzögerung

Rauchen der Mutter verzögert das intrauterine Wachstum des Föten. Im Mittel sind die Kinder bei der Geburt kleiner als normal. [2] [3] [4]. An der Nierenentwicklung wurde demonstriert, dass die Wachstumsverzögerung von der Zahl der gerauchten Zigaretten abhängt: die Nieren der Kinder von Müttern, die mehr als 5 Zigaretten pro Tag rauchen, sind kleiner und beinhalten weniger Nierenkörperchen bzw. Nephrone als die von Müttern, die weniger rauchen [5].

Als Ursachen für die Wachstumshemmung werden vor allem zwei Mechanismen diskutiert:

  • ein negativer Einfluss des Rauchens auf die Plazentadurchblutung: Nikotin verengt die Blutgefäße,
  • ein erhöhter Anteil von CO-Hb im Blut: Kohlenmonoxid (CO) aus Tabakqualm bindet etwa 300-fach stärker an Hämoglobin (Hb) als Sauerstoff; die Sauerstoffversorgung des Körpers verschlechtert sich dadurch.

Einfluss auf das Gehirn

Mütterliches Rauchen beeinflusst das Gehirn des Föten. Es lassen sich im Tierversuch durch Einfluss von Nikotin Veränderungen in der Genexpression im Appetit-regulierenden Zentrum des Hypothalamus und Nucleus arcuatus nachweisen [6]. Auch der Spiegel von Leptin, einem Fettgewebshormon, welches den Appetit reguliert und für die Entwicklung von Neuronen im Gehirn erforderlich ist, wird durch mütterliches Rauchen negativ beeinflusst [7]. Auf diese Weise stört mütterliches Rauchen nachhaltig die Gehirnentwicklung und speziell die Fähigkeit zu einer adäquaten Energiebilanz [8]. Zudem entwickeln sich gehäuft Tumore des zentralen Nervensystems (s.u.).

Prädisposition für Übergewicht und die Zuckerkrankheit

Obwohl die Kinder rauchender Mütter im Schnitt kleiner als normal zur Welt kommen, so weisen sie doch in der Adoleszenz (Phase des Heranwachsens) eine deutliche Tendenz zu einer übermäßigen Gewichtszunahme auf [9] [10]. Dabei handelt es sich vorwiegend um eine Vermehrung des Bauchfetts, was ein Charakteristikum für das metabolische Syndrom darstellt [11], das wiederum mit der Entwicklung eines Typ-2-Diabetes verbunden ist [12] [13] [14]. Wesentlich für diese Entwicklung ist der Einfluss des mütterlichen Rauchens während des ersten Trimenons (erste 3 Monate der Schwangerschaft). Ein späteres Aufhören verbessert die Prognose des Kindes praktisch nicht mehr </ref>Am J Epidemiol. 2003 Dec 1; 158(11):1068-74</ref>.

Prädisposition für Lungenkrankheiten

Mütterliches Rauchen während der Schwangerschaft bedeutet Prädisposition des Kindes für spätere Lungenkrankheiten, so auch für Asthma [15] [16]. Die Ausprägung des kindlichen Asthmas ist bei Trägern genetischer Varianten der beta2-adrenergen Rezeptors (z. B. Arg16Arg Genotyp) besonders stark [17].

Prädisposition für eine KHK

Rauchen der Mutter während der Schwangerschaft bedeutet für das Kind ein erhöhtes Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung (z. B. Angina pectoris, Herzinfarkt). In einer australischen Studie [18] wurde festgestellt, dass Kinder rauchender Mütter ein Übergewicht, einen erhöhten Bauchumfang (Taille-Hüft-Verhältnis) und einen erhöhten Puls aufweisen. Gegenüber Kindern von nicht rauchenden Müttern weisen sie ein erhöhtes Risiko auf, mit 21 Jahren adipös zu sein. Erhöhter Bauchumfang und Adipositas sind Risikofaktoren für eine KHK.

Fehlbildungen beim Kind

Mütterliches Rauchen erhöht die Wahrscheinlichkeit für angeborene Herzfehler des Kindes mäßig Lee [19]. Es handelt sich dabei meist um einen Ventrikelseptumdefekt, Vorhofseptumdefekt oder einen kombinierten Atrioventrikulrseptumdefekt.

Rheuma bei weiblichen Nachkommen

Weibliche Nachkommen von rauchenden Müttern haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer rheumatoiden Arthritis und entzündlicher Polyarthropathien; dies wurde für männliche Nachkommen nicht nachgewiesen [20].

Krebs beim Kind

Rauchen der Mutter erhöht das Krebsrisiko beim Kind in folgender Reihenfolge [21]: Akute lymphatische Leukämie (28%), Tumore des sympathischen Nervensystems (17%), Tumore des zentralen Nervensystems (Gehirn) (12%), Weichteilsarkome (9%), Histiozytose (7%), Akute myeloische Leukämie (6%), Nierentumore (5%).

Mütterliches Rauchen ist mit weiteren, auch selteneren bösartigen Tumoren verbunden, wie mit dem Retinoblastom (bösartiger Tumor am Augenhintergrund) [22].

ADHS beim Kind

Es besteht eine starke Assoziation zwischen Rauchen der Mutter und ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom) des Kindes. Jedoch wird hervorgehoben, dass dies eher auf genetischer Ebene als durch passives Mitrauchen des Kindes zu erklären sei [23] [24] [25].

Gestörte Fertilität männlicher Nachkommen

Männer, deren Mutter während ihrer fetalen Entwicklung geraucht haben, haben kleinere Testes und eine herabgesetzte Qualität des Spermas verglichen mit Männern, deren Mütter während der Schwangerschaft nicht geraucht haben [26] [27]. Die gleiche Auswirkung hat mütterliches Rauchen offenbar auch auf die spätere Fertilität der Tochter [28]. Dies sind Beispiele für Langzeitauswirkungen mütterlichen Rauchens.

Plötzlicher Kindstod

Der plötzliche Kindstod wird auf Veränderungen des Hirnstamms zurückgeführt [29]. Rauchen der Mutter verdoppelt das Risiko eines plötzlichen Kindstods. Dabei kann der Beitrag des pränatalen mütterlichen Rauchens oft nicht von dem der postnatalen Raucheinwirkung abgetrennt werden [30]. Es wird jedoch angenommen, dass etwa 1/3 der Fälle eines plötzlichen Kindstods vermieden werden könnten, wenn der Fetus intrauterin nicht mütterlichem Rauchen ausgesetzt würde [31].

Auswirkung auf das Rauchverhalten des Kindes

Eine Studie belegt, dass Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft zu rauchen aufhören, später mit einer signifikant geringeren Wahrscheinlichkeit zu rauchen anfangen, als Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft nicht aufgehört haben zu rauchen, gleich ob die Mutter nach der Geburt wieder zu rauchen beginnt oder nicht [32] [33].

Verhaltensauffälligkeiten und psychiatrische Krankheiten beim Kind

In einer Finnischen Studie mit 15% rauchender Mütter, fanden sich unter den Kindern über 20% psychiatrisch kranke Kinder, bei einem Zigarettenkonsum von über 10 / Tag stieg auch die Mortalität (Todesrate) bei den Kindern und Jugendlichen an </ref>Arch Gen Psychiatry. 2010 Aug;67(8):841-9</ref>. Kinder rauchender Mütter sind erheblich gefährdet, in einen Abusus jeglicher Art von Medikamenten und insbesondere psychotroper Drogen zu geraten [34]

Appelle an Schwangere zum Nichtrauchen in wissenschaftlichen Veröffentlichungen

Es sei angemerkt, dass in den teils hochrangig publizierten Veröffentlichungen sehr häufig abschließend eindrücklich darauf hingewiesen wird, dass Frauen bei Familienplanung, aber spätestens bei Beginn der Schwangerschaft aufhören sollen zu rauchen! Beispiele:

  • “Adverse effect of maternal smoking on sperm production capacity of their son is yet another good reason for women to quit smoking before pregnancy” [35]., oder:
  • “Preventing parental smoking is crucially important to the prevention of asthma” [36], oder:
  • “It seems advisable to encourage smoking cessation prior to the attempt to conceive as well as during pregnancy [37], oder:
  • “These results should be highlighted to expectant mothers through antitobacco-smoking campaigns.” [38].

Verweise

Literatur

  1. ? Lancet. 2002 Aug 31; 360(9334):659-65
  2. ? Hum Biol. 1980;52:593–625
  3. ? Early Hum Dev. 2000;58:197–204
  4. ? Eur J Pediatr. 2010 Jun; 169(6):741-8.
  5. ? Ped Nephr. 2011;26(8):1275–1283
  6. ? J Clin Endocrinol Metab. 2001 Nov; 86(11):5420-6
  7. ? J Clin Endocrinol Metab. 2001 Nov; 86(11):5420-6
  8. ? Front Pharmacol. 2012;3:147. Epub 2012 Jul 25
  9. ? Int J Epidemiol. 2002 Apr;31(2):413-9
  10. ? Pediatr In. 2010;52:94–99
  11. ? Ann Med. 1999 Aug;31(4):236-9
  12. ? Obes Res. 2003;11:496–506
  13. ? Obesity (Silver Spring). 2010 May;18(5):1021-5
  14. ? Int J Obes (Lond). 2008 February; 32(2): 201–210
  15. ? Respir Res. 2012 Jun 1;13(1):42. [Epub ahead of print]
  16. ? Pediatrics. 2011 Sep;128(3):e623-30
  17. ? Pediatrics. 2008 Jul;122(1):e107-14
  18. ? PLoS One. 2012;7(7):e41106. Epub 2012 Jul 19
  19. ? LJ, Lupo PJ. Pediatr Cardiol. 2012 Aug 12. [Epub ahead of print]
  20. ? Int J Epidemiol. 2005 Jun;34(3):664-71
  21. ? J Paediatr Child Health. 2010 June; 46(6): 291–295
  22. ? Cancer Causes Control. 2009 Nov;20(9):1551-8
  23. ? Atten Defic Hyperact Disord. 2009 Dec;1(2):223-31
  24. ? Nicotine Tob Res. 2010 Apr;12(4):408-15
  25. ? Am J Epidemiol. 2012 Aug 1;176(3):261-8
  26. ? Am J Epidemiol. 2004 Jan 1;159(1):49-58
  27. ? Curr Opin Endocrinol Diabetes Obes. 2012 Jun;19(3):228-32.
  28. ? Am J Epidemiol. 1989 May;129(5):1072-8
  29. ? Dev Psychobiol. 2009 Apr;51(3):223-33
  30. ? Thorax. 1997 Nov;52(11):1003-9
  31. ? Rev Environ Health. 2006 Apr-Jun;21(2):81-103
  32. ? Aust N Z J Public Health. 2009 Aug;33(4):371-7
  33. ? Tob Control. 2006 Dec;15(6):452-7
  34. ? Am J Epidemiol. 2011 Sep 15;174(6):681-90
  35. ? Curr Opin Endocrinol Diabetes Obes. 2012 Jun;19(3):228-32
  36. ? Pediatrics. 2012 Apr;129(4):735-44
  37. ? Am J Epidemiol. 1998 Nov 15;148(10):992-7
  38. ? Cancer Causes Control. 2009 Nov;20(9):1551-8