[vc_row][vc_column][vc_column_text]Die Bulimia nervosa, oder kurz Bulimie, gehört mit der Anorexia nervosa und dem Binge-Eating-Syndrom zu den Essstörungen. Meist sind Mädchen und jungen Frauen betroffen. Ein Teil der Bulimie-Patientinnen hat eine Anorexie-Vorgeschichte. Bis zu 3% der Mädchen und Frauen sind irgendwann in ihrem Leben betroffen; bei den Jungen und Männern nur etwa 1%. Die Mortalitätsrate liegt bei 1,9 pro 1000 Personenjahre. Die Häufigkeit einer Bulimie ist in letzter Zeit etwas zurückgegangen. (1)Curr Opin Psychiatry. 2021 Nov 1;34(6):515-524. DOI: 10.1097/YCO.0000000000000739.


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Abgrenzung zu anderen Essstörungen


Die Bulimie ist durch Heißhunger-Attacken mit nachfolgendem selbst-induziertem Erbrechen gekennzeichnet. In der Regel kommt es nicht zu einem erheblichen Untergewicht, wie bei der Anorexie und nicht zu einem anhaltenden Übergewicht wie bei der phasenhaft ungezügelten Esssucht der Binge-Eating-Störung.

Möglicherweise ist sowohl die Anorexie ein heterogenes Krankheitsbild mit einem restriktiven Typ und einem Typ mit zeitweiligen Essattacken. Nur der zweite Typ scheint in eine Bulimie übergehen zu können. Ebenso scheint die Bulimie in einen Typ, der eine Anorexie-Vorgeschichte hat, und einen Typ, der sie nicht hat, einteilbar zu sein.

Ursachen der Bulimie

Ursächlich lassen sich genetische und psychopathologische Vorgänge ausmachen. Es besteht eine Häufung in Familien, in denen Übergewicht und Adipositas vorkommen. (2)Arch Gen Psychiatry. 2006 Mar;63(3):313-9. DOI: 10.1001/archpsyc.63.3.313

Psychopathologie: Binge-Eating ist assoziiert mit einer gestörte Affektbalance und mit einem Defizit bezüglich Hemmung und Selbstregulation des Essverhaltens. (3)Clin Nutr. 2021 Apr;40(4):2035-2044. DOI: 10.1016/j.clnu.2020.09.025. Die kognitive Funktionsfähigkeit ist nicht allgemein, sondern vorwiegend störungsbezogen (bezogen auf die Essstörung) eingeschränkt. (4)Int J Eat Disord. 2015 Sep;48(6):535-54. DOI: 10.1002/eat.22419. Binge-Eaters zeigten laut einer Studie ein negativeres Muster alltäglicher Emotionen als Adipöse, höhere Alexithymie-Scores (Empfindungsstörung, Gefühlskälte) und das stärkste Verlangen zu essen, insbesondere wenn Emotionen mit zwischenmenschlichen Aspekten verbunden waren. (5)Eur Eat Disord Rev. 2011 Sep-Oct;19(5):426-37. DOI: 10.1002/erv.1066.

Genetik: Zur Genetik von Essstörungen siehe hier. Die Binge Eating Genetics Initiative (BEGIN) soll die genetischen Prädispositionen näher klären. (6)BMC Psychiatry. 2020 Jun 16;20(1):307. DOI: 10.1186/s12888-020-02698-7.

Mikrobiom des Darms: Neuere Überlegungen beinhalten die Erkenntnis, dass bei Essstörungen das Gleichgewicht zwischen Appetit fördernden (orexigenen) und hemmenden (anorexigenen) Signalen im Körper erheblich gestört ist. Da solche Signale im Darm, Gehirn, Mikrobiom und Fettgewebe (AT) gebildet werden, sind verschiedene Einflussfaktoren erklärlich. Eine interessante Erklärng betrifft den Einfluss von Darmbakterien (Darmmikrobiom). (7)Eur Psychiatry. 2020 Dec 16;64(1):e2. DOI: 10.1192/j.eurpsy.2020.109 Bestimmte Stämme sind in der Lage, den Energiestoffwechsel des Körpers zu modifizieren, wobei ihr Gallensäurestoffwechsel eine entscheidende Rolle spielt. Das bakterielle Chaperonprotein Escherichia coli caseinolytische Protease B (ClpB) sowie einige aus Nahrungsmitteln stammende Antigene können offenbar die Produktion von Autoantikörpern gegen Signale auslösen, die mit appetitregulierenden Hormonen und Neurotransmittern kreuzreagieren (8)Front Endocrinol (Lausanne). 2021 Apr 19;12:613983. DOI: 10.3389/fendo.2021.613983.. Die Überlegungen führen zu neuen Therapieansätzen. (9)Front Endocrinol (Lausanne). 2021 Apr 19;12:613983. DOI: 10.3389/fendo.2021.613983

Diagnosestellung

Die Diagnose wird vermutet, wenn bei Mädchen oder jungen Frauen über einen längeren Zeitraum immer wieder Gewichtsschwankungen ohne sonstige Krankheitszeichen auftreten. Die Anamnese von wiederholten Essanfällen und induziertem Erbrechen stärkt die Diagnose.

Therapie der Bulimie

Eine psychologische Betreuung mit kognitivem Verhaltenstraining zeitigt Erfolge, die auch länger anhalten können. In Phasen von Essattacken können Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI, Selective Serotonin Reuptake Inhibitor; siehe auch unter Antidepressiva) hilfreich sein. Mit einem Relaps muss immer gerechnet werden. (10)BMJ Clin Evid. 2010 Jul 19;2010:1009. Da eine hohe Suizidalität vorliegt, ist eine psychische Betreuung und Überwachung essenziell. Ein Smartphone-Reportsystem kann dabei helfen, eine Fernüberwachung aufrecht zu erhalten. (11)Int J Eat Disord. 2015;48(7):972–982.

Verweise

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 

 


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Literatur[+]