Insulinanaloga

Artikel aktualisiert am 3. August 2023

Insulinanaloga sind Abkömmlinge des Humaninsulins, die eine besonders lange oder besonders kurze Wirkdauer haben und gut verträglich sind. Sie wurden gentechnisch für spezielle Indikationen entwickelt und dienen beispielsweise als Sportlerinsulin, als Mahlzeiteninsulin oder als Langzeitinsulin. (1) 2018 Mar 29;13(3):e0195010. doi: 10.1371/journal.pone.0195010.

Insulintherapie einfach erklärt


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Das Wichtigste

Kurzgefasst
Insulinanaloga sind technisch hergestellte Medikamente zur Therapie der Zuckerkrankheit. Sie sind entwickelt worden, um sie besser verträglich und für bestimmte Aufgaben geeigneter als Humaninsulin zu machen. So wurden
  • besonders kurz und rasch wirksame Mahlzeiteninsuline, auch als „Sportlerinsuline“ bekannt, sowie auch
  • besonders lang und gleichmäßig wirksame Insuline, die den Basisbedarf abdecken,

entwickelt.

Insuline tragen alle ein erhöhtes Risiko einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) und auf Dauer eines Gewichtsanstiegs.

Es werden neue Abkömmlinge entwickelt, die ein geringeres Hypoglykämierisiko haben und die nur 1x pro Woche verabreicht zu werden brauchen.

Humaninsuline

Insuline werden subkutan (s.c.) oder intravenös (i.v.) appliziert, perspektivisch auch nasal oder als Aerosol inhalativ).

Normales kurz wirksames Humaninsulin (Altinsulin) bildet nach Injektion subkutan im neutralen Milieu besondere Formationen (Hexamere, die anschließend langsam dissoziieren), die etwas verzögert wirken. Wirkungseintritt ist etwa nach 20-30 Minuten; die maximale Wirkung wird nach 2 Stunden erreicht; die Wirkdauer beträgt bis zu 8-12 Stunden.

Durch Zusatzstoffe, die seine Freisetzung verzögern, werden Langzeitinsuline mit verschieden langer Wirkung hergestellt, die mit Altinsulin gemischt zu Präparaten werden, die für die verschiedenen Anforderungen des Zuckerstoffwechsels bereitstehen und individuell gewählt werden.

→ Zu Insulin siehe hier.

Insulinanaloga

Insulinanaloga entsprechen in ihrer Wirksamkeit dem Humaninsulin; das gilt auch für ihren Einsatz in der Schwangerschaft. Erstaunlicherweise sollen sie bezüglich einer Hypoglykämie sicherer sein. (2) 2016 Jul;15(7):963-73. doi: 10.1080/14740338.2016.1182153.

  • Das Analog Lispro-Insulin (Humalog) ist ein rekombinantes, gentechnische hergestelltes Insulin (E. coli). Lysin und Prolin in der ß-Kette wurden vertauscht. Es dissoziiert rascher als das Normalinsulin, wird daher rascher resorbiert und entfaltet seine Wirkung schon kurz nach der Applikation (schon nach 15 Minuten). Die Wirkdauer beträgt 4-5 Stunden. Lispro-Insulin eignet sich daher als Mahlzeiteninsulin oder Sportlerinsulin für eine komplementäre Insulintherapie bei Typ-1- und jüngeren Typ-2-Diabetikern. Insulin-Lispro ist strukturell mit dem Insulin-like Growth-factor I (IGF I) verwandt und kann daher an dessen Rezeptoren binden. Daher ist zu bedenken, dass auch mikrovaskuläre und karzinogene Effekte ausgelöst werden könnten. Solche Komplikationen sind bisher nicht bekannt geworden.
  • Insulin Glargin (Lantus®) ist ein rekombinantes Langzeitinsulin, das bis zu 24 Stunden wirksam ist. Veränderungen in der Aminosäurezusammensetzung sorgen für ein verändertes Löslichkeitsverhalten mit Präzipitation am Injektionsort. Folge ist eine langsame und gleichmäßige Freisetzung. Die Ergebnisse großer Anwendungsbeobachtung zeigen bei Patienten mit Sekundärversagen einer oral medikamentösen oder unbefriedigender Insulintherapie eine Verbesserung der Nüchtern- und postprandialen Glukosewerte bei guter Verträglichkeit und nur 109 Hypoglykämien bei 10258 Patienten. (3)Dtsch Ärztebl 2003;100: 100A 3022-3027 Bei Umstellung von NPH-Insulin auf Insulin glargin sollte anfangs die Dosis auf 80% reduziert und anschließend eine Dosisadaptation vorgenommen werden. Auch für Insulin glargin (wie für jedes Insulinanalogon, das an IGF-Rezeptoren binden kann) müssen Langzeitbeobachtungen ergeben, ob Komplikationen wie mikrovaskuläre (z.B. retinalen) Proliferationen zu gewärtigen sind.
  • Insulin detemir (Levemir®) besitzt ähnliche Eigenschaften. (4) 2016 Dec;26(12):1112-1119. doi: 10.1016/j.numecd.2016.08.002. Für beide Insuline ist ein Langzeitnutzen über den von humanem Verzögerungsinsulin nicht eindeutig nachgewiesen.
  • Insulin icodec ist ein neu entwickeltes Langzeitinsulin, welches nur 1x pro Woche verabreicht zu werden braucht. Es wirkt zuckersenkend und hat ein ähnlich gutes Risikoprofil auf wie Insulin glargin. (5)N Engl J Med. 2020 Nov 26;383(22):2107-2116. DOI: 10.1056/NEJMoa2022474 Eine Studie weist nach, dass es den Stoffwechselmarker (HbA1c) wesentlich senkt besser als die gängige Alternative (mit Insulin-Glargin, 1x tgl.). Nach fast 1 Jahr lag der HbA1c-Wert mit 6,93% (vs. 8,50%) deutlich niedriger. Schwere Unterzuckerungen traten zwar etwas häufiger auf, waren aber mit 0,30 Ereignissen pro Personenjahr (vs. 0,16) immer noch sehr selten. (6)N Engl J Med. 2023 Jul 27;389(4):297-308. doi: 10.1056/NEJMoa2303208

Insulinanaloga und Krebsrisiko

Glargin bindet stärker an den Wachstumsfaktor IGF-1-Rezeptor als normales Insulin, was zu einer erhöhten Proliferationsrate bestimmter Zelltypen führen kann. Es ist abzuwarten, ob ein erhöhtes Krebsrisiko zu befürchten ist. (7)Horm Metab Res. 2008 Jun;40(6):369-74 (8)Endokrynol Pol. 2009 Jan-Feb;60(1):34-9 (9)Diabetes Metab Res Rev. 2007 Nov;23(8):593-9 (10) 2018 Feb 12;2018:2052101. doi: 10.1155/2018/2052101. Beim experimentellen Östrogen-abhängigen Brustkrebs bei Ratten wurde ein Mitose fördernder Einfluss gefunden. (11) 2018 May;7(5):739-748. doi: 10.1530/EC-17-0358. In einem anderen Tiermodell wurde ein Einfluss auf das Brustkrebswachstum dagegen nicht nachgewiesen. (12) 2016 Sep;59(9):2018-25. doi: 10.1007/s00125-016-4000-x. Aber ein „Note of caution“ bleibt bestehen. (13)Front Endocrinol (Lausanne). 2014 May 26;5:79. doi: 10.3389/fendo.2014.00079 Um das Risiko einer gesteigerten Anregung von Zellteilungen (Mitogenität) zu vermindern, wurden Modifikationen am Insulinmolekül eingeführt, die eine veränderte Wirksamkeit in dieser Beziehung hervorrufen. (14)Front Endocrinol (Lausanne). 2022 Jun 27;13:907864. doi: 10.3389/fendo.2022.907864

→ Siehe auch unter Insuline.

Verweise

Diabetes-Kompendium

Patienteninfos

 


Autor: Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (s. Impressum)


 

Literatur

Literatur
1 2018 Mar 29;13(3):e0195010. doi: 10.1371/journal.pone.0195010.
2 2016 Jul;15(7):963-73. doi: 10.1080/14740338.2016.1182153.
3Dtsch Ärztebl 2003;100: 100A 3022-3027
4 2016 Dec;26(12):1112-1119. doi: 10.1016/j.numecd.2016.08.002.
5N Engl J Med. 2020 Nov 26;383(22):2107-2116. DOI: 10.1056/NEJMoa2022474
6N Engl J Med. 2023 Jul 27;389(4):297-308. doi: 10.1056/NEJMoa2303208
7Horm Metab Res. 2008 Jun;40(6):369-74
8Endokrynol Pol. 2009 Jan-Feb;60(1):34-9
9Diabetes Metab Res Rev. 2007 Nov;23(8):593-9
10 2018 Feb 12;2018:2052101. doi: 10.1155/2018/2052101.
11 2018 May;7(5):739-748. doi: 10.1530/EC-17-0358.
12 2016 Sep;59(9):2018-25. doi: 10.1007/s00125-016-4000-x.
13Front Endocrinol (Lausanne). 2014 May 26;5:79. doi: 10.3389/fendo.2014.00079
14Front Endocrinol (Lausanne). 2022 Jun 27;13:907864. doi: 10.3389/fendo.2022.907864