Xenon ist ein Edelgas, das seit einigen Jahren medizinisches Interesse wegen seiner anästhetischen und neuroprotektiven Wirkungen erlang hat.

Xenon wird über die Lunge aufgenommen und mit dem Blut transportiert. Wegen seiner Fettlöslichkeit wird es von Fettgewebe gut aufgenommen. Über vielfältige Mechanismen wirkt es anästhetisch und organoprotektiv. Während die änästhetische Wirkung keine Vorteile gegenüber den bereits in Gebrauch befindlichen Anästhetika aufweist, kann die organoprotektive und speziell neuroprotektive Wirkung trotz des hohen Preises von therapeutischem Interesse sein, speziell auch wegen der fehlenden Nebenwirkungen (1)Maze M1. Can J Anaesth. 2015 Oct 27. [Epub ahead of print] (2)Med Gas Res. 2013 Feb 1;3(1):4. doi: 10.1186/2045-9912-3-4..


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Interessantes und Wichtiges aus der Medizin


Xenon als Anästheticum


Die Wirkung von Xenon als Narkosemittel (Anästhetikum) beruht auf einer Hemmung spezieller Rezeptoren im Gehirn (Hemmung von NMDA-evozierten Potenzialen und der NMDA-Rezeptoren (Rezeptoren für N-methyl-D-aspartate) an den glutaminergen Synapsen des Hippocampus (3)Nature. 1998 Nov 26;396(6709):324 sowie synaptischer AMPA-Rezeptoren im präfrontalen Cortex und der Substantia gelatinosa (4)Anesthesiology. 2009 Dec;111(6):1297-307 (Erklärung.: NMDA = N-methyl-d-aspartate; AMPA = alpha-amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolepropionic acid)). Ab einer Konzentration von 50% in dem Beatmungsgasgemisch kommt eine Anästhesie zustande. Xenon ist zwar teuer, hat aber den Vorteil, keine Nebenwirkungen aufzuweisen.

Xenon zur Neuroprotektion

Xenon ist ein NMDA-Rezeptorantagonist, was eine neuroprotektive Wirkung nahe legt (5)Nature. 1998 Nov 26;396(6709):324. NMDA-Rezeptoren vermitteln über einen Kalziumeinstrom in die Zelle und eine dadurch ausgelöste Kaskade von biochemischen Vorgängen schließlich den Zelltod (Apoptose). Dies kann beispielsweise

  • bei einer während der Geburt stattfindenden Sauerstoffuntersättigung des Gehirns (durch Asphyxie),
  • beim Ertrinken,
  • in Randgebieten eines Schlaganfallbezirks,
  • während Operationen am Herzen oder
  • bei einem Schädelhirntrauma stattfinden.

Eine Hemmung der Rezeptoren verhindert dies und reduziert die Verschlimmerung der Hirnschädigung in in-vitro- und in-vivo-Modellen (6)Crit Care. 2010;14(4):229. doi: 10.1186/cc9051.

Xenon zum Schutz vor Hirnschäden unter der Geburt

In Tierexperimenten weist Xenon eine signifikante Kurzzeit-Neuroprotektion in neugeborenen Ratten nach einer zerebralen Ischämie und Hypoxie auf; in der Xenon-Gruppe fand sich eine Reduktion der Hirnschädigung von über 80% in verschiedenen Hirnarealen. Daher wurde Xenon als idealer Kandidat zur Sofortbehandlung bei perinataler Hypoxie angesehen (7)Stroke. 2006 Feb;37(2):501-6!

Xenon-Anästhesie bei Herzoperationen

Xenon wirkt kardioprotektiv. Am Beispiel risikoreicher kardialer Operationen wurde gezeigt, dass Xenon das Risiko postoperativer Delirien reduziert; es lag 4,2-fach geringer als mit Sevofluran. Auch benötigten Patienten unter Xenon signifikant weniger Noradrenalin zur Aufrechterhaltung eines gewünschten Blutdrucks (8)Br J Anaesth. 2015 Oct;115(4):550-9. In anderen Untersuchungen lies sich zeigen, dass Xenon zudem entzündungsfördernde (proinflammatorische) Auswirkungen kardialer Operationen fördert (z. B. 3-fach höherer Anstieg von Interleukin 6, IL6) und antientzündliche Effekte unterdrückt. Es bleibt zu klären, ob und welche klinischen Auswirkungen daraus folgen (9)Crit Care. 2015 Oct 15;19:365. doi: 10.1186/s13054-015-1082-7.

Xenon zur Nierenprotektion (Renoprotektion)

Eine akute Nierenschädigung durch Ischämie (experimentell im Ischämie-Reperfusion-Modell) kann durch Xenon unterdrückt werden (10)Anesthesiology. 2013 Sep;119(3):621-30. Eine akute Nierenschädigung durch Lipopolysaccharide (Endotoxine von Bakterien), wie sie im Rahmen einer Sepsis auftreten kann, wird durch Xenon ebenfalls gemildert oder unterdrückt. Dies erfolgt durch eine Hochregulation von miR-21 in den Nieren, was schließlich zu einer Abnahme der Apoptoseaktivität führt (11)Crit Care Med. 2015 Jul;43(7):e250-9.

Xenon zum Schutz vor der Caisson-Krankheit bei Tauchern

Nach einem Tieftauchgang muss das Auftauchen nach Schema langsam und mit Pausen erfolgen, um die Caisson-Krankheit (decompression sickness) zu vermeiden. Bei zu raschem Auftauchen kommt es zur Bildung von Stickstoffblasen im Nervengewebe mit akuten neurologischen Schäden. Diese Schäden sind zum großen Teil durch eine durch diese Bläschen akut unterbrochene Blutzufuhr zu kleinen Arealen des Gehirns und des Rückenmarks bedingt. Als Zeichen der mangelhaften Sauerstoffversorgung wird Laktatdehydrogenase (LDH) freigesetzt. Xenon vermag solche Nervenschäden zu minimieren. Untersuchungen zeigen, dass die LDH-Freisetzung durch Xenon, wenn es direkt nach dem Auftauchen verabreicht wird, signifikant reduziert wird (12)Sci Rep. 2015 Oct 15;5:15093. doi: 10.1038/srep15093..

Xenon und Doping

Die World Anti-Doping Agency (WADA) hat am 1.9.2014 Xenon auf die Liste gebannter Dopingmittel gestellt. Als Substanz, die endogene Hypoxie-induzierbare Faktoren aktivieren kann (es ist ein „hypoxia-inducible factor 1a (HIF-1a) activator“), vermag Xenon gegen Sauerstoffmangel unempfindlicher zu machen und Hypoxieschäden, wie sie bei Extremsport auftreten können, zu mildern. Nach einer Xenonbehandlung steigt der Erythropoetinspiegel. Xenon ist bis 40 Stunden nach einer Xenon-Anästhesie im Urin mit Hilfe der Gaschromatographie/Massenspektroskopie nachweisbar (13)Rapid Commun Mass Spectrom. 2015 Jan 15;29(1):61-6.

Verweise

Literatur[+]