Achalasie

Artikel aktualisiert am 23. Februar 2024

Die Achalasie ist eine Störung des ösophagealen Schluckaktes durch mangelhafte Erschlaffung des Verschlussmechanismus zum Magen hin, d. h. des unteren Ösophagussphinkters. Sie ist häufig begleitet von verminderter propulsiver Peristaltik im Ösophagus (Vorwärtsbewegung von Geschlucktem). (1)Adv Surg. 2005; 39: 285-314

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Inzidenz

Die Erkrankung ist relativ selten: Die Inzidenz liegt bei 1,99 Fälle pro 100.000, die Prävalenz bei 27,1 pro 100.000. Durchschnittsalter bei Diagnose ist 59 Jahren. Es bestehen keine Geschlechtsunterschiede. (2)Gut. 2019;68:1146–1151

Entstehung

Es handelt sich um eine erworbene neuromuskuläre Erkrankung bisher unbekannter Genese. Sie beruht auf einer Störung der Innervation. Eine entscheidende Rolle spielen vermutlich genetische, infektiöse und autoimmune Faktoren. Einzelne Befunde, die auf die Ursache schließen lassen, sind folgende:

  • Es wurde das Varizella-Zoster-Virus im Auerbach-Plexus gefunden. (3)Gut. 1993 Mar;34(3):299-302
  • Eine Achalasie kann auch durch Trypanosoma cruci (Südamerika) hervorgerufen werden. (4)Am J Trop Med Hyg. 2018 Mar;98(3):717-723.
  • Nach weiteren Befunden spielen bei der Achalasie Herpes-Virus-Typ-1-Antigene eine Rolle, die zu einer immunvermittelten entzündlichen Reaktion am unteren Ösophagussphinkter mit Neuronenschädigung führen (5)Am J Gastroenterol 2008; 1598-1609. Auch andere Viren wurden mit der Entstehung in Verbindung gebracht (6)Middle East J Dig Dis. 2018 Jul;10(3):169-173.
  • In einer Assoziationszustudie wurde festgestellt, dass die systemische Sklerose (aOR = 8,13, 95 %-KI: 3,34, 19,80) und der Morbus Addison (aOR = 3,83, 95 %-KI: 1,83, 8,04) die stärksten Assoziationen mit der Achalasie hatten. Das Varizella-Zoster-Virus (aOR = 3,84, 95 %-KI: 1,94, 7,62) und das humane Papillomavirus (aOR = 1,77, 95 %-KI: 1,15, 2,73) waren ebenfalls stark mit der Achalasie assoziiert.

Die Funktion der hemmenden Neurone des Plexus myentericus auf den Muskeltonus des unteren Ösophagussphincters (lower esophageal sphincter, LES) nimmt ab und damit ihre Erschlaffungsfunktion. Der Schluckakt wird damit direkt vor dem Magen unterbrochen. (7)J Neurogastroenterol Motil. 2023 Oct 30;29(4):419-427. DOI: 10.5056/jnm23125


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Symptomatik

Achalasie-Patienten leiden unter Dysphagie, dem Gefühl von behindertem Schlucken und Schmerzen hinter dem Brustbein durch Steckenbleiben von Geschlucktem (Odynophagie), Gewichtsverlust und Regurgitationen (Aufstoßen) unverdauter Nahrung mit gehäuften bronchopulmonalen Infekten. Die bei der Achalasie auftretenden Brustschmerzen sind multifaktoriell. Eine Rolle spielen vermutlich eine Ösophagitis aufgrund der Stauung des Speisebreis mit einer erhöhte Empfindlichkeit von Chemorezeptoren, möglicherweise auch eine allgemeine viszerale Überempfindlichkeit. (8)J Neurogastroenterol Motil. 2023 Oct 30;29(4):419-427

Nach der Chikago-Klassifikation werden verschiedene Typen unterschieden. (9)J Neurogastroenterol Motil. 2023 Oct 30;29(4):419-427

Triple-A-Syndrom

Das Triple-A-Syndrom, auch als Allgrove-Syndrom bezeichnet, ist eine seltene autosomal-rezessive Erkrankung. Sie enthält als wesentliches Symptom eine Achalasie und zusätzlich eine ACTH-resistente Nebenniereninsuffizienz (periphere NNR-Insuffizienz) und eine Alakrimie (mangelhafte Produktion von Tränenflüssigkeit). Es ist eine seltene, über das AAAS-Gen auf Chromosom 12 autosomal-rezessiv vererbte Krankheit. Wenn eine Achalasie bereits in der Kindheit und frühen Jugend auffällt, sollten Zeichen der NNR-Insuffizienz und die Tränenproduktion mit geprüft werden. (10)Adv Exp Med Biol. 2010;685:1-8. doi: 10.1007/978-1-4419-6448-9_1

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Diagnostik

Start einer Diagnostik sind die Symptome von zunehmendem Ruminieren (Aufstoßen unverdauter Nahrung) und das Gefühl, dass Speise in der Speiseröhre steckenbleibt, oft verbunden mit Schmerzen hinter dem Brustbein.

Ösophagogastroskopie: Gastroskopie zum Ausschluss maligner und entzündlicher obstruierender Prozesse, Hinweis auf einen spastischen unteren Ösophagussphinkter, Nachweis eines epiphrenischen Divertikels (z. B. Zenker-Divertikel), Untersuchung auf eine Retentionsösophagitis.

Röntgenbreischluck: Nachweis der fehlenden Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters und einer stehenden Kontrastmittelsäule, manchmal zusätzlich eines epiphrenischen Divertikels.

Manometrie: Nachweis der ungenügenden oder fehlenden Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters bei normalem oder erhöhtem Ruhedruck.

Endosonographie: zum Ausschluss einer submukösen Tumorausbreitung mit der Symptomatik einer Achalasie (Pseudoachalasie).

Differenzialdiagnosen

Differenzialdiagnostisch sind andere Schluckstörungen, z. B. ein Ösophagospasmus und ein hyperkontraktiler Ösophagus (auch psychischer Art) oder eine eosinophile Ösophagitis, sowie eine ineffiziente Ösophagusmotilität auszuschließen. (11)Am J Gastroenterol. 2021;116:1759. doi: 10.14309/ajg.0000000000001268

Therapie

Medikamente: Nitropräparate und Kalziumantagonisten senken der Sphincterdruck, sind aber i. d. R. nur im Anfangsstadium wirksam.

Ballondilatation: Sie war lange Zeit die erfolgreichste Methode, eine Besserung der Schluckbeschwerden herbeizuführen. Die Wirkung kann wochen- bis monatelang anhalten; dann wird häufig eine neuerliche Dilatation erforderlich. Komplikation: Perforation (1 – 3 %), Mortalität unter 1 %, Herzrhythmusstörungen. Die Untersuchung wird von Patienten gut toleriert. (12)Katz P.O. et al. Dig. Dis. Sci. 1998; 43: 1973-1977 (13)Gut. 2016;65:732–739

Operative Therapie: Wenn die Ballondilatation keine Verbesserung ergibt, kann eine vordere Myotomie (laparoskopische Heller-Myotomie) durchgeführt werden. Komplikation: gastroösophagealer Reflux (bis 40%), daher häufig gleichzeitig Fundoplikatio. Die Langzeiterfolgsrate der Myotomie ist sehr gut. (14)J Gastrointest Surg. 2005; 9: 1326-31 Im Vergleich mit der Ballondilatation (die gelegentlich mehrfach durchgeführt werden muss) sind die operativen Ergebnisse gleichwertig: Erfolgsrate von 84 % bzw. 82 % nach 5 Jahren für LHM und PD. (15)Gut. 2016 May;65(5):732-9

Botulinustoxin: Die Injektion in den unteren Ösophagussphinkter führt zur Blockade der cholinergen Innervation und damit zur Erniedrigung des Ruhedrucks. Der Erfolg ist weniger ausgeprägt und hält in der Regel nicht so lange an wie der Ballondilatation, ist aber risikoärmer. (16)Vaezi M.F. et al. Gut 1999; 44: 231-239

Endoskopische Myotomie des unteren Ösophagussphinkters: Ihre Erfolge sind offenbar anhaltender als die der Ballondilatation, s. o.). In einer vergleichenden Studie über 5 Jahre hatten Patienten, die mit dieser Methode behandelt wurden, durchschnittlich eine länger anhaltende Symptomfreiheit als diejenigen, die mit einer pneumatische Dilatation behandelt wurden (81 % vs. 40%). (17)Lancet Gastroenterol Hepatol. 2022 Oct 4:S2468-1253(22)00300-4. DOI: 10.1016/S2468-1253(22)00300-4


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Verweise

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Literatur

Literatur
1Adv Surg. 2005; 39: 285-314
2Gut. 2019;68:1146–1151
3Gut. 1993 Mar;34(3):299-302
4Am J Trop Med Hyg. 2018 Mar;98(3):717-723.
5Am J Gastroenterol 2008; 1598-1609
6Middle East J Dig Dis. 2018 Jul;10(3):169-173
7J Neurogastroenterol Motil. 2023 Oct 30;29(4):419-427. DOI: 10.5056/jnm23125
8J Neurogastroenterol Motil. 2023 Oct 30;29(4):419-427
9J Neurogastroenterol Motil. 2023 Oct 30;29(4):419-427
10Adv Exp Med Biol. 2010;685:1-8. doi: 10.1007/978-1-4419-6448-9_1
11Am J Gastroenterol. 2021;116:1759. doi: 10.14309/ajg.0000000000001268
12Katz P.O. et al. Dig. Dis. Sci. 1998; 43: 1973-1977
13Gut. 2016;65:732–739
14J Gastrointest Surg. 2005; 9: 1326-31
15Gut. 2016 May;65(5):732-9
16Vaezi M.F. et al. Gut 1999; 44: 231-239
17Lancet Gastroenterol Hepatol. 2022 Oct 4:S2468-1253(22)00300-4. DOI: 10.1016/S2468-1253(22)00300-4