Funktionelle Herzkrankheit
Eine funktionelle Herzkrankheit liegt vor, wenn Herzbeschwerden nicht auf eine organische Ursache zurückgeführt werden können. Dazu ist im allgemeinen eine differenzierte Ausschlussdiagnostik erforderlich, besonders bei Patienten in fortgeschrittenem Alter oder bei Risikofaktoren für eine koronare Herzkrankheit.
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Inhaltsverzeichnis
Symptomatik
Die Beschwerden ähneln denen einer Angina pectoris, die durch eine koronare Herzkrankheit bedingt ist, und lassen sich oft nicht ohne weiteres von ihr unterscheiden. Sie treten allerdings meist in Ruhe und nicht bei Belastung auf.
Diagnostik
Funktionelle Herzbeschwerden werden verdächtigt, wenn „Herzbeschwerden“ in Ruhe auftreten und bei Belastung verschwinden, und wenn sich keine organischen Störungen nachweisen lassen. Sie werden relativ wahrscheinlich, wenn es sich um Patienten handelt, die keine Risikofaktoren für eine koronare Herzkrankheit aufweisen.
Die Diagnose funktioneller Herzbeschwerden sollte in Betracht gezogen werden, wenn die retrosternalen Beschwerden unter Medikation einer maximalen Dosis von Protonenpumpenhemmern (PPI) über einen Zeitraum von 3 Monaten bestehen bleiben. (1)Gastroenterology. 2020 Jun;158(8):2286-2293. DOI: 10.1053/j.gastro.2020.01.034
Der Ausschluss einer organischen Störung kann schwierig sein und beinhaltet
- eine genaue Anamnese: Beschwerden unter Belastung oder/und in Ruhe? Besserung unter Belastung? Assoziation mit psychischen Belastungssituationen bzw. einer Besserung an Wochenenden oder in Ferien?
- das EKG: Erregungsrückbildungsstörungen? Rhythmusstörungen?
- das Belastungs-EKG: belastungsabhängige Erregungsrückbildungsstörungen? Herzschmerzen unter Belastung?
- das Stressecho des Herzens: Echokardiographie unter Belastung: belastungsabhängige Wandbewegungsstörungen (Dyskinesien)?
- die Herzkatheteruntersuchung: koronare Herzkrankheit, Stenosen im Koronarsystem?
Vor Anwendung teurer und risikoreicher Diagnostik wird bei entsprechendem klinischem Verdacht jedoch meist erst ein therapeutischer Versuch der psychischen und vegetativen Beeinflussung unternommen.
Differenzialdiagnosen
Es muss in erster Linie festgestellt werden, ob es sich bei der angegebenen Symptomatik um den Ausdruck einer koronaren Herzkrankheit handelt, da sie mit einem hohen kardialen Risiko behaftet ist. Daneben kommen auch extrakardiale Ursachen in Frage, die ausgeschlossen werden sollten. Zu ihnen gehören
- von der Wirbelsäule ausgehende Beschwerden (z. B. degenerative Wirbelsäulenkrankheit),
- eine Interkostalneuralgie,
- eine gastroösophageale Refluxkrankheit,
- eine Mastopathie bei Frauen,
- ein Tietze-Syndrom.
Abgrenzung von Sodbrennen
Viele Patienten mit funktionellen Herzbeschwerden haben eine nichterosive Refluxkrankheit (NERD) oder funktionelle Störungen der Speiseröhre. Bei Patienten mit NERD entstehen die Symptome durch gastroösophagealen Reflux plus Überempfindlichkeit der Speiseröhre, während bei Patienten mit funktionellen Herzbeschwerden die Symptome durch Überempfindlichkeit der Speiseröhre ohne Reflux verursacht werden. Eine NERD wird durch Endoskopie und Reflux-Tests diagnostiziert, die Diagnose von funktionellen Herzbeschwerden bedarf auch einer Ösophagusmanometrie. Die Therapie einer NERD beinhaltet medizinische, endoskopische und chirurgische Antirefluxmaßnahmen, die Behandlung funktioneller Herzbeschwerden kann Neuromodulatoren, psychologischen Interventionen und komplementärmedizinischen Behandlungsmaßnahmen beinhalten. (2)Clin Gastroenterol Hepatol. 2021 Jul;19(7):1314-1326. DOI: 10.1016/j.cgh.2020.03.057
Die Diagnose von funktionellem Herzbeschwerden erfordert damit (3)Gastroenterology. 2020 Jun;158(8):2286-2293. DOI: 10.1053/j.gastro.2020.01.034
- eine Endoskopie mit Ösophagusbiopsien zum Ausschluss einer Krankheit der Speiseröhre,
- eine hochauflösende Manometrie der Speiseröhre zum Ausschluss von Bewegungsstörungen der Ösophagusmuskulatur und
- eine pH-Metrie (ohne PPI-Therapie), um den basalen pH-Wert der Speiseröhre in den Zeiträumen, in denen kein saurer Reflux besteht, zu erfassen.
- bei Überlappung mit einer gastroösophagealen Refluxkrankheit (Diagnose nach Rom-iV-Kriterien) eine Beschwerdeerfassung unter maximaler PPI-Medikation: Wenn die „Herzbeschwerden“ persistieren und eine organische Herzkrankheit als Ursache nicht in Frage kommt, dann können „funktionelle Herzbeschwerden“ als Diagnose angenommen werden.
Therapie
Die Therapie zielt auf eine psychische Beruhigung und Dämpfung einer vegetativen Übererregbarkeit: Stress- oder Problemabbau, ggf. vorübergehend milde psychovegetativ regulierende Substanzen, Beta-Blocker oder auch Antidepressiva.
Insbesondere trizyklische Antidepressiva, selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, Tegaserod und Histamin-2-Rezeptor-Antagonisten, können helfen und werden zur Behandlung empfohlen. Auch eine Akupunktur und Hypnotherapie können als als Monotherapie oder als Begleittherapie helfen. (4)Gastroenterology. 2020 Jun;158(8):2286-2293. DOI: 10.1053/j.gastro.2020.01.034
Verweise
Patienteninfos
Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).
Literatur
↑1 | Gastroenterology. 2020 Jun;158(8):2286-2293. DOI: 10.1053/j.gastro.2020.01.034 |
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↑2 | Clin Gastroenterol Hepatol. 2021 Jul;19(7):1314-1326. DOI: 10.1016/j.cgh.2020.03.057 |
↑3 | Gastroenterology. 2020 Jun;158(8):2286-2293. DOI: 10.1053/j.gastro.2020.01.034 |
↑4 | Gastroenterology. 2020 Jun;158(8):2286-2293. DOI: 10.1053/j.gastro.2020.01.034 |