Herzgeräusche

Artikel aktualisiert am 21. Mai 2019

Herzgeräusche sind pathologische Auskultationsphänomene, deren Untersuchung detaillierte Hinweise auf Klappenstenosen, Klappeninsuffizienzen oder Shunts bei Herzfehlern geben.


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Untersuchung

Überblick im Erb-Punkt (3.ICR links), der direkt über den 4 Klappen liegt. Anschliessend Differenzierung mittles der Standardauskultationspunkte und genaue Beurteilung der Herzgeräusche. Am besten durchführbar bei Apnoe in Expiration. Gleichzeitiges Tasten des Karotispulses vereinfacht Identifikation des 1.HT.

Beurteilung der Herzgeräusche

  • Zeitliche Zuordnung zur Herzaktion (systolisch, diastolisch)
  • Zeitlicher Ablauf (Crescendo, Decresendo)
  • Punctum maximum
  • Fortleitung
  • Klangcharakter und -lautstärke
  • Lageabhängigkeit

Pathophysiologie

Klappenstenosen, -insuffizienzen und Shunts bedingen eine turbulente Strömungen, die in Abhängigkeit von der Strömungsgeschwindigkeit, Viskosität, Wandschwingung und peripherer Dämpfung ein auskultatorisch wahrnehmbares Geräusch erzeugen. Aufgrund der faktoriellen Vielfalt lässt die Lautstärke keinen Rückschluss auf die Gravität des Defekts hin.

Punctum maximum und Fortleitung

Die Richtung und Intensität des pathologischen, turbulenten Blutstroms bestimmen Punctum maximum, die Fortleitung und Lautstärke des Geräusches. Alle Vitien haben ein typisches Projektionsmuster auf dem Thorax (BILD). Dabei fällt auf, dass sich die Ausstrahlung der Geräusche an einer Klappe bei verschiedenen Pathologien in bestimmten Regionen überdecken. Diese sind die Kardianalauskultationspunkte. Ist das auskultierbare Herzgeräusch dort am lautesten, lässt es Rückschlüße auf die beteiligte Herzklappe zu.

  • Aortenklappe: 2.ICR rechts
  • Pulmonalklappe: 2.ICR links
  • Trikuspidalklappe: 4.ICR rechts
  • Mitralklappe: 5.ICR links
(Merkspruch: Anton Pulmonalis Trinkt Milch um 22:45)

Während die Kardianalauskultationspunkte vereinfacht sind, bietet jedes Vitium differenzierte pathophysiologische Charakteristika inkl. Fortleitungsphänomene. Stenosen bedingen im Allgemeinen ein kleineres, definiertes Auskultationsgebiet, während Insuffizienzen diffuser fortleiten.

  • Mitralstenose: Turbulenter Strom von der Mitralklappe richtung Herzspitze, dort in lokalisierten Areal auskultierbar und ohne Fortleitung.
  • Mitralinsuffizienz: Bei typischem posterolateralem Reflux ins Atrium strahlt das Geräusch Richtung linker Axilla und Angulus inferior scapulae aus. Ist das Vitium anatomisch so konfiguiert, dass der Reflux einen anteromedialen Richtungsvektor hat, kann es auch zur Fortleitung richtung Aortenwurzel, also 2.ICR links, kommen.
  • Aortenstenose: Turbulenter Strom „zeigt“ richtung kranial entlang der aortalen Ausflussbahn. Daher strahlt das Geräusch je nach primärer Lautstärke bis zu den Karotiden aus.
  • Aorteninsuffizienz: Hat die größte Variationsbreite aller Vitien. Im linksventrikulären Ausfluss herrscht der größte Druckgradient (Aorta 120mmHg und Ventrikel diastolisch 0mmHg), was bei Insuffizienz ein lautes Geräusch bedingt, was daher auf breite Bereiche der Thoraxwand projeziert wird.

Lautstärke der Herzgeräusche (nach Levine)

Ab Grad 4 ist Bedingung, daß das Herzgeräusch durch eine über dem Herzen aufgelegte Hand gehört werden kann. Ist das Geräusch auch vorhanden, wenn man das Stethoskop statt auf den Handrücken auf den distalen Unterarm der aufgelegten Hand legt, spricht das für Grad 5.
Hinweis: Die Einteilung ist subjektiv, hilft aber Änderungen des Geräuschs zu beurteilen.

  • 1/6: Sehr leise, evtl. abhängig von der Körperhaltung, „Chefarzt-Vitium“
  • 2/6: Leise, aber deutlich, leiser als das Atemgeräusch
  • 3/6: Laut, ohne tastbares Schwirren
  • 4/6: Laut, tastbares Schwirren, lauter als Atemgeräusch, durch Hand auskultierbar
  • 5/6: Sehr laut, tastbares Schwirren, bei Auskultation durch die Hand am distalen Unterarm auskultierbar.
  • 6/6: Distanzgeräusch, ohne Stethoskop hörbar

Betonung der Herzgeräusche durch Lageänderung

  • Rückenlage: Systolika
  • Linksseitenlage: Mitralstenose, 3. Herzton
  • Sitzen mit vorgebeugtem Oberkörper: Aorteninsuffizienz, Perikardreiben
  • Sitzen mit Auskultation am Rücken unter der Skapula: Mitralinsuffizienz, Aortenisthmusstenose

Atemabhängigkeit

Inspiration führt zu einem erhöhtem venösen Rückstrom zum rechten Herzen. Die rechtskardiale Volumenbelastung verstärkt dadurch Vitien des rechten Herzens. Umgekehrt werden linksventrikuläre Vitien abgeschwächt, da der aufgrund des Lungenpoolings die Volumenleistung sinkt.

Zeitlicher Ablauf

  • crescendo
  • decrescendo
  • crescendo-decrescendo, spindelförmig
  • plateau, bandförmig

Diastolische Geräusche

In der Diastole besteht des niedrigste Druckniveau im Ventrikel. Ein Herzgeräusch ensteht daher bei Insuffizienz der Semilunarklappen mit retrogradem Fluss oder bei Stenose der AV-Klappen mit Turbulenzen bei anterograder Füllung.

  • AV-Klappen-Stenose:
    • Klappenöffnungston: Die AV-Stenose verhält sich wie ein Dichtungsring in einem Rohr, der randständig fixiert ist und den Querschnitt vermindert. Je nach Flussrichtung wölbt sich das Innere des Rings, systolisch in Richtung Atrium, diastolisch in Richtung Ventrikel. Das Umschlagen generiert ein zustätzliches Herzgeräusch. Bei Ventrikelkontraktion schlägt der stenosierende Ring Richtung Atrium um, was zeitgleich mit der Entstehung des 1.HT zusammenfällt => paukende Akzentuierung. Der 2.HT beim Zuschlagen der Semilunarklappen markiert das Ende der Systole, kurze Zeit später kommt es zum ventrikulären Bluteinstom mit Öffnung der AV-Klappe und Umschlagen des Rings, diesmal hörbar als zusätzliches Herzgeräusch. Man spricht vom Trikuspidal- oder Mitralklappenöffnungston.
    • Stenosegeräusche: Spiegelt den diastolischen atrioventrikulären Volumenfluss wieder. Frühdiastolisch erfolgt durch den hohen Druckgradienten ein schneller Einfluss, der middiastolisch nachlässt. Entsprechend entsteht zunächst ein Decresendo-Geräusch direkt nach dem Klappenöffnungston, das mid-diastolisch ggf. ganz verschwindet. Die enddiastolische Vorhofkontraktion bedingt ein präsystolisches Crescendogeräusch (cave: fehlt bei Vorhofflimmern), was direkt vom 1.HT gefolgt wird.
  • Semilunarklappeninsuffizienz: Der 2.HT markiert den Schluss der Seminlunarklappen woraufhin der Ventrikeldruck unter den Arteriendruck sinkt. Bei Insuffizienz der Klappen kommt es daher zum sofortigen Reflux, was ein Geräusch erzeugt, das nicht vom 2.HT trennbar ist. Da der Druckgradient anfangs am grössten ist und dann nachlässt, hat das Geräusch einen Decrescendo-Charakter.

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Systolische Geräusche

Verweise

Fachinfos

Patienteninfos

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).