Die Geschichte der Gampopa-Clinic (GC) ist diejenige von Hilfe zur Selbsthilfe. Innerhalb von 19 Jahren ist sie in diesem Jahr 2011 selbstständig geworden.

Die GC ist eine „charitable ambulance“ in einem tibetischen Klosterbereich in Darjeeling. Das Kloster heißt Sangag Choling Monastery, kurz Dali Gompa genannt. Es beherbergt heute ca. 300 „Rotmützenmönche“ aus Tibet, Indien und Bhutan. Das Oberhaupt ist ein reinkarnierter Lama (Tulku).

Darjeeling liegt am Fuß des dritt höchsten 8000ers der Kantschenschönga, 8595 m; der Ort selber erstreckt sich auf 2134 m und zählt heute ca. 100 000 Einwohner und nennt sich seit alters „The Queen of the Hills“. Mit mehreren Colleges in englischem Stil erbaut, sind einige Teile heute noch kolonial geprägt; weltberühmt sind Darjeelings Teeplantagen.

Idee der Hilfe

Der Mönch Ngawang Tenzing Gyatso ist Präsident des Klosters (Außen- und Finanzminister) und Direktor der Gampopa-Clinic. Nachdem die Mönche in den 1970er Jahren im Exil in Darjeeling ihr in Osttibet zerstörtes Kloster neu errichtet hatten, wollte Tenzing aus Dankbarkeit für dieses Gelingen etwas Gutes für die Allgemeinheit tun, das sollte eine Krankenstation werden. 1992 traf ich ihn im Kloster, wir standen gemeinsam vor dem unfertigen Klinik-Gebäude, das Geld war ausgegangen.

Dass wir zusammenkamen, hatte folgende Bewandtnis: Ich arbeitete damals mit dem Komitee „Ärzte für die Dritte Welt“ in den Slums von Kalkutta und hatte fest vor, Darjeeling zu besuchen und den Himalaya zu sehen, ein Wunschtraum von Kindheit an. In der Tasche hatte ich ein Empfehlungsschreiben von Frau Irmtraud Wäger, Leiterin der „Deutschen Tibethilfe“ in München. Die Tibethilfe unterstützte seit längerer Zeit mit mehreren Patenschaften Schüler und Mönche des Klosters. Auch unsere Familie hatte in Indien ein tibetisches Patenkind, das Mädchen Lakpa Dolma, viele Jahre gefördert. Den Himalaya sah ich bei meinem ersten Besuch nicht, er war wolkenverhangen. Aber, als ich das Kloster verließ, wusste ich, dass ich wiederkommen würde, und machte bereits Pläne, wie ich Geld für die Fertigstellung der Klinik sammeln könnte. Ich hielt dann zwei Jahre lang viele Vorträge über die Armut in Indien, über Tibet, Darjeeling mit seinem Kloster und konnte mit Hilfe des Komitees „Ärzte für die Dritte Welt“ immer wieder Geld an Tenzing überweisen. 1994 konnte dann die nun Gampopa-Clinic genannte Krankenstation ihre Arbeit aufnehmen.

In der Zwischenzeit ist es mir gelungen, aus Freunden und Tibetunterstützern einen Kreis aufzubauen, der regelmäßig Spenden überweist und mit ausführlichen Tätigkeitsberichten von mir auf dem Laufenden gehalten wird.

Organisation und Tätigkeit

Das Haus ist nach dem tibetischen Arzt und Weisheitslehrer (1079-1153) Gampopa benannt. Das Gebäude besteht aus 4 Stockwerken; im untersten befindet sich ein Altenheim mit 12 bis 14 Personen mit einer eigenen, kleinen Küche. Darüber liegt ein Saal mit 4 Betten, der fakultativ für schwere Infekte genutzt wird, außerdem der Röntgenraum mit einem angeschlossenen chemischen Laboratorium. Es folgt das Ambulatorium mit Arztzimmer, Registratur, Apotheke und kleinem OP sowie Büro. Unter dem Dach liegen ein Konferenzraum sowie zwei Gästezimmer mit jeweils zwei harten Betten und einer kleinem Kochnische.

Die personellen Säulen der Klinik sind Dr. D.K. Saha, ein bestens ausgebildeter indischer Arzt, der Hindi, Nepali und Englisch spricht, eine Notwendigkeit in diesem Vielvölkergemisch. Die Seele der Klinik war in den ersten Jahren die Sekretärin Lhamo Pemba, die mit Verstand und Herz alles zusammengehalten hat. Ihr Nachfolger ist seit einiger Zeit Tsewang Lhundup. Seit einem Jahr praktiziert Mrs. Tering, eine Zahnärztin, mit großem Erfolg zweimal pro Woche in der Klinik. Außerdem sind zwei Schwestern, eine Schreibkraft, ein Laborant und ein Fahrer angestellt. Die Konsultationen und teilweise auch die Medikamente sind frei; Labor und Röntgen werden zu Niedrigstpreisen angeboten; in einem Jahr werden ca. 6000 bis 9000 Patienten behandelt; Krankheiten sind vorzugsweise Infektionen der Atemwege, der Haut sowie des Magen-Darm-Trakts. Verbrennungen, Verletzungen, Frakturen und alle möglichen anderen Krankheiten kommen ebenfalls zur Vorstellung. Ein Sonderprogramm existiert für 12 Tuberkulosepatienten.

Der Kliniksetat beträgt jährlich ca. 70 000 DM (1997). Die Gehälter betragen für den Arzt ca. 500, für die Schwestern ca. 100 DM/Monat; die Angestellten werden praktisch von uns bezahlt. Die weitere Finanzierung kommt vom Kloster, von Spenden aus Frankreich sowie Taiwan und Singapur. In den letzten Jahren wurden Klinik und Kloster immer selbstständiger, so dass wir die Zahlungen in diesem Jahr beenden können.

Soziale Projekte und Außenaktivitäten

Auf dem Klostergelände befindet sich eine Schule, in der 90 Kinder zwischen 5 und 15 Jahren wohnen und unterrichtet werden, teilweise sind sie schon kleine Mönche; sozial schwache Familien werden bevorzugt bei der Auswahl der Schüler. Mit einer Extraspende konnten wir das komplette Bettzeug für diese Schule erneuern. In umliegenden Städten wurde an 75 Schulen ein sog. „Drug- and Alcohol-Education-Program“ durchgeführt; in der Klinik wurde zusammen mit dem Chagpori-Medical-Institut Daramsala für Studenten und Ärzte ein Erste-Hilfe-Kurs abgehalten. Alle bekamen ein entsprechendes Hilfsset ausgehändigt. In der Umgebung wurden Impfkampagnen für 2100 Einwohner durchgeführt: Tetanus, Diphterie, Hepatitis B, an einer Aufklärungskampagne über HIV/AIDS für Transportarbeiter und Kraftwagenfahrer beteiligten sich 100 Teilnehmer. In besonders abgelegenen Wohnwinkeln hielt die Klinik „Medical Camps“, mit freier Beratung und mit Medikamentenausgabe ab.

So ist die GC ein nicht mehr weg zu denkender Teil „of the community“ geworden und als steuerfreies soziales Wohlfahrtsprojekt von der Stadtverwaltung anerkannt, das in dieser Vielvölkerregion ohne Ansehen von Rasse, Geschlecht und Religion Patienten behandelt.

Das menschliche Miteinander

Die Gampopa-Clinic, die ich insgesamt vier Mal besucht habe, hat ihren eigenen Arbeitsstil: Tibetisch-indisch möchte ich ihn nennen; hier herrscht keine Hektik, sondern eine Ruhe, in die man sich bald eingelebt hat und deren Rhythmus angenehm empfunden wird. Die unmittelbare Nähe des Klosters mit ihrer großen Gebetshalle ist ein ständiger Anziehungspunkt. In ihr habe ich, auch mit meiner Frau und ihrem Bruder, manche Stunde originalen tibetischen Lebens mit den Zeremonien der Mönche, ihren Gebeten, ihrer Musik, verfolgen können, wobei wir ebenso wie die Mönche mit tibetan tea und Zampa versorgt wurden.

Das Erlebnis der Chamtänze zum Geburtstag von Guru Padmasambawa, eine Reise nach Sikkim und zwei Einladungen mit entsprechenden Reisen nach Bhutan durch die Klinik in Begleitung von einem bhutanesischen Mönch als Dolmetscher und Führer waren für uns absolute Höhepunkte unserer Träume vom Himalaya und tibetischer Kultur. Und so kann ich allen Spendern und Freunden nur ein ganz besonderes „DANKE SCHÖN“ und „TASHI DELEK“ zurufen, das eine ganz besondere „Färbung“ hat: ich darf euch einen seidenen Katak (Ehrenschal), den der Dalai Lama gesegnet hat, umlegen. Ihr habt alle dazu beigetragen, dass die Gampopa Clinic ein wunderbares Stück meines ärztlich-menschlichen Lebens geworden ist. Im persönlichen Gegenüber mit den Mönchen ist es konkret geworden, wofür der tibetische Buddhismus steht: compassion!

Zukunftspläne

Die Zeiten haben sich gewandelt. Die „Deutsche Tibethilfe“ kann jetzt direkt in Tibet soziale Projekte unterstützen. Dies ausdrücklich mit der Genehmigung den (chinesischen) Behörden. Wir wollen in der östlichen Provinz Kham eine achtklassige Schule für tibetische Kinder fördern. Hierüber werde ich ausführlich berichten.

 

 

Weiteres zur Gampopa-Klinik