Akute Pankreatitis

Artikel aktualisiert am 25. Juni 2023

Akute Pankreatitis bedeutet rasch aufflammende Bauchspeicheldrüsenentzündung. Sie ist ist ein potenziell lebensbedrohliches Krankheitsbild und sollte daher rasch diagnostiziert und behandelt werden. In vielen Fällen geht sie in einen chronischen Verlauf über, der die Lebensqualität anhaltend beeinträchtigt und das Krebsrisiko erhöht. (1)Drugs. 2022 Aug;82(12):1251-1276. DOI: 10.1007/s40265-022-01766-4 (2)Abdom Radiol (NY). 2020 May;45(5):1222-1231. doi: 10.1007/s00261-019-02214-w

Die Bauchspeicheldrüse
Chronische Pankreatitis
Pankreasinsuffizienz


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Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Die akute Pankreatitis ist eine rasch aufflammende Bauchspeicheldrüsenentzündung, die sich rasch zu einem lebensbedrohlichen Krankheitsbild entwickeln kann und daher auch rasch erkannt und behandelt werden sollte.

Ursachen: Hauptursachen sind Gallensteine und zu hoher Alkoholgenuss; daneben gibt es eine Reihe seltenerer Ursachen, zu ihnen gehören eine Fettstoffwechselstörung und Medikamente. Eine schwelende Bauchspeicheldrüsenentzündung kann jederzeit aus geringem Anlass, so auch durch einen Diätfehler (z. B. zu fette Mahlzeit, Alkohol), wieder akut aufflammen.

Diagnostik: Die Diagnose erfordert zwei von drei Kriterien: akute Schmerzen im Oberbauch, Amylase/Lipase ≥ 3-fach der oberen Normgrenze und/oder typische Befunde eines bildgebenden Verfahrens (Sonographie, CT, MRT).

Komplikationen: Die Entzündung führt zu heftigsten Bauchschmerzen mit Übelkeit und Erbrechen sowie einer Selbstverdauung mit Bildung flüssigkeitsgefüllter Hohlräume (Pankreaspseudozysten). Die Zerstörung der ß-Zellen hat eine Zuckerkrankheit zur Folge. Die Selbstverdauung kann (durch Freisetzung von Mediatorstoffen) einen allgemeinen Schock auslösen. Bleibt sie lokal, kann sich ein flüssigkeitsgefüllter Hohlraum bilden, in den es einbluten kann.

Therapie: Die Behandlung konzentriert sich auf die Schmerzlinderung und Zuführung von Flüssigkeit und Nährstoffen über die Venen (parenterale Ernährung). Eingeklemmte Gallensteine müssen befreit werden. Bei schwerem Verlauf und einsetzendem pankreatitischen Schock sind frühzeitig einsetzende Intensivmaßnahmen vordringlich. Antibiotika können einer Infektion vorbeugen. Kommt es zu einer Zuckerkrankheit, muss der Glukosespiegel im Blut zur Insulinzufuhr einreguliert werden.

Prognose: Eine akute Pankreatitis kann vollständig ausheilen, wie es bei Gallensteinen als Ursache meist der Fall ist. Eine alkoholbedingte Entzündung dagegen schwelt nach Abklingen des akuten Stadiums meist weiter und geht in eine chronische Pankreatitis über, die immer wieder aufflammen kann und das Risiko einer anhaltenden Verdauungsstörung, chronischer Bauchschmerzen und von Bauchspeicheldrüsenkrebs erhöht.

Patienteninfos siehe hier.
Neue Entwicklungen zur Pankreatitis siehe hier.

Ursachen – Differenzialdiagnosen

Die Mechanismen der Entstehung einer akuten Pankreatitis beinhalten eine frühzeitige Aktivierung der Pankreasenzyme noch vor Erreichen des Zwölffingerdarms. Bereits im Pankreas beginnen sie mit einer Zerstörung der Zellmembranen und einer Aktivierung von Entzündungsmediatoren (3)J Gastroenterol Hepatol. 2008 Sep;23(9):1339-48. Die vorzeitige Aktivierung kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden, so in den meisten Fällen durch Gallensteine (biliäre Genese) und durch Alkoholgenuss.

Biliäre Pankreatitis

Eine Cholelithiasis mit (passagerem) Papillenverschluss ist die zweithäufigste Ursache. Die Auslösung der Entzündung erfolgt durch Rückstau von Galle– und/oder Pankreassekret, möglicherweise auch durch einen Eintritt von Duodenalsekret bei klaffender Papille nach Steindurchtritt. Eine idiopathische Pankreatitis (Entzündung unbekannter Ursache) ist wahrscheinlich häufig auch durch Gallenkonkremente ausgelöst, wie eine Studie nahelegt, die solche Patienten durch Endosonographie untersucht hat. (4)Gastrointest Endosc 2000; 51: 28-32 Mit dieser Methode sind oft selbst so kleine Partikel (Mikrolithe) noch nachweisbar, die anderen Nachweismethoden entgehen.

Alkoholtoxische Pankreatitis

Alkohol ist die häufigste Ursache einer Pankreatitis. Sie beginnt oft akut und kommt besonders häufig bei Komasaufen (binge drinking) vor. Pathogenetisch bedeutsam sind eine direkte toxische Schädigung und eine Eindickung des Pankreassekrets. Offenbar steigert eine Alkoholexposition die Empfindlichkeit gegen toxische Schädigungen beispielsweise durch Endotoxine (Lipopolysaccharide). (5)Am J Physiol Gastrointest Liver Physiol. 2006 Feb;290(2):G232-41 (6)Drugs. 2022 Aug;82(12):1251-1276. DOI: 10.1007/s40265-022-01766-4 Eine akute alkoholbedingte Pankreatitis geht häufig in eine chronische Form über, die immer wieder akut exazerbieren kann (Chronische Alkoholtoxische Pankreatitis, CAP).

Hypertriglyceridämie-bedingte Pankreatitis

Eine Fettstoffwechselstörung mit stark erhöhten Triglyceridwerten (wie beim Zieve-Syndrom oder der angeborenen Typ-1-Hypertriglyceridämie) ist ein Risikofaktor für eine akute Pankreatitis. Die Behandlung betrifft sowohl die Pankreatitis selbst als auch den Auslöser, die Blutfette (siehe hier).

Infektiös ausgelöste Pankreatitis

Bakterien und Viren (z.B. Mumps, Hepatitis, Scharlach, Typhus) können eine akute Pankreatitis auslösen.

Pankreatitis bei Stoffwechselstörungen

Verschiedene Stoffwechselstörungen sind mit einer Pankreatitis assoziiert: Chylomikronämie, Hyperkalzämie (z. B. bei Hyperparathyreoidismus), Urämie, diabetisches Koma, Mukoviszidose (zystische Fibrose)

Medikamentös ausgelöste Pankreatitis

In Frage kommen beispielsweise Glukokortikoide, Diuretika oder Azathioprin. Im Prinzip muss jedes Medikament in Betracht gezogen werden, wenn eine aktuelle Pankreatitis nicht den beiden Hauptursachen, Alkohol und Gallensteinen, zuzuschreiben ist. Mehr dazu siehe hier.

Mechanisch ausgelöste Pankreatitis

Sie kann auftreten bei Pankreas divisum (mit Abflussstörung über eine zu enge Papilla minor), Trauma oder Operation.

Post-ERCP-Pankreatitis

Bei der Post-ERCP-Pankreatitis (Definition: Schmerzen mit einer Dauer von über 24 Stunden, ausgelöst durch die Untersuchung + Enzymerhöhung) spielt der Kontrastmitteltyp (ionisch – nichtionisch) keine Rolle (bei beiden in ca 10% Pankreatitis). Eine Rolle spielt offenbar das Ausmaß der Papillenmanipulation.

Das Pankreatitisrisiko steigt von 1,3% bei 1 Kontrastmittelinjektion auf 20% bei 10 Injektionen. Eine Einschleppung von Bakterien ist pathogenetisch möglicherweise von Bedeutung. Eine pankreatische Sphinkterhypertension ist ebenfalls ein wichtiger ursächlicher Faktor: 10/32 Patienten mit Sphinkterhypertension entwickelten eine Post-ERCP-Pankreatitis i. G. zu nur 1/33 Patienten ohne Sphinkterhypertension. (7)Tarnasky P et al. Endoscopy 1997; 29: 252-257 (8)Hookman P, Barkin JS Gastrointest Endosc1998; 48: 546-547

Prädiktiv ist ein schmaler distaler Choledochus (Gallengang < 5 mm). Die Häufigkeit einer Pankreatitis nach Sphincterotomie ist höher als die nach ERCP alleine; der Verlauf ist nach Sphincterotomie jedoch weniger schwer. (9)Akashi R et al. Gastrointest Endosc 2002; 55: 50-54 Daraus wird geschlossen, dass eine Erniedrigung des duktalen Drucks eine günstig auf den Verlauf wirkt, oder dass umgekehrt eine Druckerhöhung durch vorübergehende Verschwellung des Ausführgangs eine Rolle bei der Entstehung der Post-ERCP-Pankreatitis spielen kann.

Einer Post-ERCP-Pankreatitis kann durch eine transdermale Gyceryltrinitrat-Applikation (Nitropflaster), welches den Sphinkterdruck senkt, vorgebeugt werden. (10)Gastrointest Endosc 2003; 57: 1-7

Post-ERCP-Pankreatitis

Chronisch hereditäre Pankreatitis (CHP)

Ein kleiner Teil der Pankreatitiden entsteht auf erblicher (hereditärer) Grundlage (autosomal dominante Vererbung mit einer Penetranz von 80%). Sie kann akut schubartig beginnen. Zugrunde liegt eine Mutation des kationischen Trypsinogen-Gens, die eine gestörte Trypsininaktivierung bewirkt. Häufigkeit: ca 1% aller Pankreatitiden. Das Krankheitsbild entspricht dem der CAP.

Hereditäre Pankreatitis

Autoimmunpankreatitis (AIP)

Die Autoimmunpankreatitis kann akut beginnen, verläuft jedoch untherapiert chronisch (siehe dort).


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Entstehung

Die akute Pankreatitis kann durch verschiedene Noxen in Gang gesetzt werden. Die häufigsten Auslöser sind:

  • ein Aufstau des Pankreassekrets durch eine Abflussstörung (meist ein Gallenstein im Ausführgang),
  • ein zu zähes Pankreassekret (Hauptmechanismus bei einer Alkoholintoxikation).

In beiden Fällen kommt es zu einem Verhalt der produzierten Pankreasenzyme, die vorzeitig im Pankreasgewebe aktiv werden. Durch Selbstverdauung werden Mediatorstoffe freigesetzt, die einen Entzündungsprozess in Gang setzten. Auch andere Ursachen (s. o.) führen zu einer Entzündung und Selbstverdauung durch vorzeitig aktivierte Enzyme; dazu gehören

  • eine Fettstoffwechselstörung und
  • bestimmte Medikamente, wie ACE-Hemmer, Statine, orale Kontrazeptiva, Thiazide, DPP4-Hemmer (Antidiabetika) oder HIV-Medikamente. (11)Ochsner J. 2015 Spring;15(1):45-51 PMCID: PMC4365846 Für 45 Medikamente wurde der höchste Evidenzgrad festgestellt. (12)PLoS One. 2020 Apr 17;15(4):e0231883. DOI: 10.1371/journal.pone.0231883

Bei einzelnen der Medikamente konnte der Mechanismus der Zellschädigung aufgeklärt werden. So wurde für Methimazol wahrscheinlich gemacht, dass über oxidativen Stress eine Autophagie in den Pankreaszellen ausgelöst wird. (13)Adv Pharm Bull. 2023 Jan;13(1):196-201. DOI: 10.34172/apb.2023.042

Mediatorstoffe

Proinflammatorische Zytokine (TNF-alpha, IL-6 und IL-1) bestimmen den Schweregrad. Sie bewirken eine zunächst ödematöse, später nekrotisierende Entzündung des Pankreas. Von Bedeutung für die Zellnekrosen ist die Aktivität der Phospholipase A, welche aus Lecithin (in Zellmembranen und der Galle vorhanden) das hoch toxische Lysolecithin freisetzt. Kallikreinogen wird zu Kallikrein aktiviert, welches selbst wieder gefäßaktive Mediatoren freisetzt (z.B. Bradykinin, Kallidin), die zu einer Gefäßerweiterung mit Blutdruckabfall führen.

Das pankreatische regeneratorische Protein (reg I) stimuliert die Regeneration von Pankreasgewebe. Es fördert die Zellteilung duktaler Zellen und von Betazellen. Möglicherweise spielt reg I eine Rolle bei der Ausheilung pankreatischer Schäden inklusive einer akuten Pankreatitis. (14)World J Gastroenterol. 2006 Jul 28;12(28):4511-6

Pankreatitisschmerz

Die bei der akuten Pankreatitis auftretenden Bauchschmerzen werden durch Interleukin-6 (IL6) getriggert. Bei einer experimentellen Pankreatitis in der Ratte steigt der Spiegel an IL6 in den Ganglien der dorsalen Wurzeln 6 Tage nach der Auslösung durch Dibutyltindichlorid (DBTC) deutlich an; dies ist durch den IL-6-Receptor-Antagonisten TB-2-081 unterdrückbar, was eine neue Perspektive für die Behandlung der Pankreatitis-Schmerzen eröffnet. (15)Pain. 2010 Nov;151(2):257-265. DOI: 10.1016/j.pain.2010.05.022

Diagnostik

Die Diagnose einer akuten Pankreatitis beruht auf dem akuten Oberbauchschmerz mit Abwehrspannung (Gummibauch), erhöhten Amylase- und Lipase-Werten in Blut, Urin und Aszites, sowie bildgebenden Verfahren, insbesondere dem Ultraschallbild der Bauchspeicheldrüse und der Computertomographie.

  • Die Lipase ist sensitiver als die Amylase. Es gibt jedoch nicht zu selten falsch negative Befunde, so dass Normalwerte, besonders nach dem 4. Tag, keinen Ausschluss einer Pankreatitis darstellen.
  • Bei der alkoholbedingten Pankreatitis steigt die Lipase in der Regel stärker an als die Amylase. Bei der nicht-alkoholbedingten Pankreatitis steigt die Amylase meist stärker an.
  • Besondere Enzymkonstellationen: Es besteht ein Definitionsproblem bei folgender Konstellation (16)Frank B., Gottlieb K. Am. J. Gastroenterol. 1999; 94: 463-469: Amylase normal und Lipase signifikant erhöht (definiert als 3fach über der oberen Normgrenze; 25 Patienten). Wahrscheinlichste Erklärungen für die Lipaseerhöhungen in diesen Fällen waren: Niereninsuffizienz (2 Pat.), maligne Tumore (2 Pat.), akute Cholezystitis (2 Pat.), Ösophagitis (1 Pat.), verzögerte Blutabnahme (mindestens 5 Pat.), Hypertriglyzeridämie (2 Pat.), subklin. Pankreatitis ohne abdominelle Schmerzen (3 Pat).
  • Sequentielle Hämatokritmessung: Sie ist möglicherweise sensitiver als der APACHE-II-Score zur Bestimmung von Prognose und Verlauf. Der Hämatokrit beeinflusst die Pankreasdurchblutung und ist selbst beeinflusst durch die ödematösen Exsudationen.
  • Das C-reaktive Protein (CRP) hat sich als Marker für eine Progredienz zu einer schweren Verlaufsform mit Nekrosebildung herausgestellt. (17)Pancreatology 2003; 3: 115-127 Andere Parameter sind LDH, das Prokalzitonin und Serum-Amyloid A. (18)Cochrane Database Syst Rev. 2017 Apr 21;4(4):CD012645. DOI: 10.1002/14651858.CD012645 (19)Br J Surg. 2002 Feb;89(2):163-71. doi: 10.1046/j.0007-1323.2001.01972.x
  • Die Sonographie des Bauchraums ergibt eine diffus vergrößerte, flüssigkeitsreiche Bauchspeicheldrüse und oft freie Flüssigkeit in der kleinen Bursa oder im gesamten Bauchraum. Es können Verdauungsareale erkennbar werden, die sich zu Pankreaspseudozysten entwickeln. Eine genaue sonographische Diagnostik kann durch erheblichen Meteorismus behindert sein. Eine CT-Untersuchung wird hiervon nicht beeinträchtigt.
  • Eine ERCP aus diagnostischen Gründen ist in der Regel nicht indiziert. Sie kann jedoch ggf. zur Diagnostik und Therapie der Ursache einer biliären oder pankreatischen Abflussstörung oder einer begleitenden Cholangitis erforderlich sein. Eine frühzeitige (innerhalb von 24 Stunden) ERCP mit endoskopischer Sphinkterotomie war laut Studien zur biliären akuten Pankretitis nur im Zusammenhang mit einer Cholangitis vorteilhaft. (20)Function (Oxf). 2023 Apr 5;4(3):zqad015. doi: 10.1093/function/zqad015.
  • Schweregrad: Schweregrad und Prognose können durch Multiscore-Systeme bestimmt werden (APACHE, Ranson, Glasgow, Atlanta-Scores). Für die Praxis am bedeutsamsten sind klinischer Befund (Schmerzen, Schocksymptomatik?), Entzündungsparameter wie CRP (Anstieg über 120 mg/l?), Kreatinin (Anstieg über 1,2 mg/dl?), pO2 (Abfall?). Bei Verschlechterung Verifizierung einer möglichen Nekroseentwicklung durch Computertomographie mit Kontrastmittel. (21)Abdom Radiol (NY). 2020 May;45(5):1222-1231. doi: 10.1007/s00261-019-02214-w (22)Healthcare (Basel). 2022 Dec 22;11(1):27. DOI: 10.3390/healthcare11010027
  • Interleukin-6 (Il-6) hat sich als früher prognostischer Marker herausgestellt, der bezüglich des Schweregrades als anderen Markern überlegen erwiesen hat. (23)Pancreatology. 2020 Oct;20(7):1302-1311. DOI: 10.1016/j.pan.2020.09.007

Schweregrad der akuten Pankreatitis

Die revidierten Atlanta Kriterien 2012 (24)Gut. 2013 Jan;62(1):102-11 teilen die akute Pankreatitis in eine frühe und eine späte Phase ein. Die Schweregrade werden in mild, mäßig und schwer unterteilt:

  • Die milde akute Pankreatitis als die häufigste Form zeigt nur milde vorübergehende Symptome und keine Organveränderungen oder Komplikationen. Sie heilt meist innerhalb einer Woche aus.
  • Die mäßig ausgeprägte Form ist durch eine vorübergehende Störung des Organs inklusive lokaler Komplikationen (peripakreatisches Ödem, Nekrosebildungen, Pseudozysten) charakterisiert.
  • Die schwere Form ist durch eine nicht rückgängige, über 48 Stunden anhaltende Organstörung gekennzeichnet. Eine Unterscheidung zwischen mäßig ausgeprägter und schwerer Pankreatitis ist danach erst nach frühestens 48 Stunden möglich.

Klinischer Befund

Klinische Symptome können sein :

Zunächst entwickelt sich eine ödematöse Schwellung des Pankreas und des umgebenden retroperitonealen Gewebes mit z.T. erheblicher Flüssigkeits- und Proteinausschwitzung. Dadurch kann eine Hypovolämie und Hypoproteinämie entstehen. Der Plasmaverlust kann zum Schock führen, insbesondere da durch Bradykinin die Gefäße weit gestellt werden, was auch zu einer leichten Wangenrötung führt. Die Kinine sind zudem für den typischen abdominellen Schmerz verantwortlich. Klinisch findet man eine meist gummiartig wirkende Abwehrspannung („Gummibauch“).

Wenn sich Nekrosen bilden, kann es zu einer Einblutung oder einer Infektion kommen. Die akut nekrotisierende Pankreatitis ist daher ein intensivpflichtiges Krankheitsbild. Eine ständige Überwachung auf einen Hb-Abfall (Entwicklung einer Blutungsanämie), einen Fieberanstieg mit Leukozytose und einen CRP-Anstieg sowie häufige Ultraschallkontrollen gehören zur Überwachung. Im Rahmen der Nekrotisierung kann sich neben einer exokrinen auch eine akute endokrine Insuffizienz mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus ausbilden, die – wenn nicht gleich erkannt – zu Symptomen einer hyperglykämischen Entgleisung bis hin zum hyperosmolaren Koma führen kann.

Zusammengefasst im akuten Stadium einer Pankreatitis engmaschige Überprüfung von

Ein nur geringer Anstieg von Lipase und Amylase schließt eine schwere Pankreatitis nicht aus. (25)Lankisch P.G. et al. GUT 1999; 542-544

Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung haben ein erhöhtes Risiko für eine Pankreatitis.

Temperaturanstieg, neu auftretende Leukozytose mit CRP-Anstieg und Multiorganversagen können auf die Infektion einer Pankreasnekrose hindeuten. Gesichert wird sie bei therapeutischer Konsequenz durch Feinnadelaspiration.

Therapie der akuten Pankreatitis

  • Schmerzbekämpfung z. B. mit Tramadol, Pentazocin oder Pethidin. Morphin sollte vermieden werden, da es nach vielfacher Meinung zum Sphinkterspasmus und damit zu einer Verschlechterung führen kann; Studien, die dies belegen fehlen jedoch. (26)Am J Gastroenterol. 2001; 96: 1266-72 Intravenöses Lidocain beherrscht in den meisten Fällen pankreatitische Schmerzen. Nach tierexperimentellen Befunden unterbricht es autonome Reflexe, die vom peripapillärem Duodenum ausgehen und eine akute biliäre Pankreatitis und eine Post-ERCP-Pankreatitis auslösen können. Es wird daher auch angenommen, dass es bei einer ERCP prophylaktisch wirksam ist. (27)Pancreatology. 2003; 3: 445-56
  • Magenablaufsonde bei Erbrechen bzw. Subileus; keine regelhafte Anwendung, da in Studien keine eindeutigen Vorteile bei mildem oder mittelschwerem Verlauf gezeigt werden konnten.
  • Stressulkusprophylaxe durch Magensäurehemmung mit PPI.
  • Therapie des Schocks bzw. -prophylaxe mit Humanalbumin oder Kolloiden
  • ERCP bei Verdacht auf biliäre Genese mit Möglichkeit zur Papillotomie. Sie ist bei Fehlen einer akuten Notfallsituation (Steineinklemmung) jedoch nicht ratsam, dagegen frühelektiv und dann nur bei einer schweren Verlaufsform. Ansonsten spätelektiv. Evaluation der Gallenwege nach Ausheilung ggf. mit Papillotomie, Steinextraktion und Cholezystektomie. Bei pankreatischer Sphinkterhypertension pankreatische Sphinkterotomie.
  • Ernährung: Nahrungskarenz bis Schmerzfreiheit und parenterale Ernährung und Flüssigkeitssubstitution (ZVD-gesteuert, Zielbereich 6-10 cm H2O). Neue Entwicklung: Total parenterale Ernährung zur Entlastung und Ruhigstellung des Pankreas selbst bei schwerer Pankreatitis nicht erforderlich, wenn statt dessen eine jejunale Sondenernährung durchgeführt wird. (28)Pennington CR, Gut 1998; 42: 315-316 Die Ernährung über eine nasojejunale Sonde hat jedoch offenbar keinen Vorteil gegenüber der über eine nasogastrischen Sonde. (29)Nutr Clin Care. 2004; 7: 98-103
  • Antibiotika bei schwerer Pankreatitis zur Prophylaxe und Therapie bei nekrotisierendem Verlauf. (Hepatobiliary Pancreat Dis Int. 2005; 4: 23-7)) (30)Hepatobiliary Pancreat Dis Int. 2005; 4: 23-7 Sie kann einer Entwicklung in eine operationspflichtige Situation vorbeugen. (31)Pancreas. 2005; 30: 195-9 Zu den empfohlenen Antibiotika gehören Imepenem oder Meropenem, Ciprofloxacin, Metronidazol, Mezlozillin und Cefuroxim. Häufig wird eine Kombination gewählt, wie z.B. Ciprofloxacin oder Mezlocillin + Metronidazol. Wahrscheinlich können Infektionen von Nekrosen verhindert werden. Allerdings besteht die Gefahr der Entwicklung resistenter Keime und von Candida-Infektionen im Pankreas. (32)Dt Ärztebl 2002; 99: A 116-122
  • Proteaseinhibitoren: kein Vorteil bei leichten und mittelschweren Verlaufsformen; dagegen mögliche Reduktion der Sterblichkeit (Mortalität) bei schweren Verläufen. (33)Eur J Gastroenterol Hepatol. 2004; 16: 1287-93
  • Octreotid oder Somatostatin scheinen nach einer Studie die Komplikationshäufigkeit oder die Mortalität nicht zu verbessern und wurden daher nicht mehr als indiziert betrachtet. (34)McKay C et al. Int J Pancreatol 1997; 21: 13-19 Neuere Ergebnisse legen jedoch nahe, dass Somatostatin positiv wirkt und günstiger ist als Oktreotid. (35)Gastrointest Endosc 1999; 49: 593-598
  • Therapie von Komplikationen (z. B. Insulin bei Diabetes mellitus, Dialyse bei Niereninsuffizienz, FFP bei Gerinnungsstörungen). Frühzeitige Dialyse bei Kreatinin-Anstieg diskutieren!
  • Operation oder perkutane Katheterdrainage bei ausgedehnten oder infizierten Nekrosen, Infektionen oder Blutungen (hohe Mortalität). Nicht infizierte Nekrosen stellen nicht mehr per se eine Operationsindikation dar.
  • Antikörper gegen TNF-alpha (Infliximab): verbessert den Schweregrad einer akuten Pankreatitis im Tierversuch und vermindert pulmonale Komplikationen. (36)Pancreas. 2004; 28: e1-8 In Experimenten an Ratten wurde eine Reduktion der Sterblichkeit bis zu 50% an einem Tag erzielt. (37)Arch Razi Inst. 2021 Nov 30;76(5):1237-1244. DOI: 10.22092/ari.2021.355845.1726
  • Endothelin-Rezeptor-Blockade: Endothelin-Rezeptor-Antagonisten verbessern den pankreatischen kapillären Blutfluss und könnten therapeutisch wirksam sein. (38)Pancreas. 2001 Apr;22(3):248-54
  • Therapeutische Perspektiven :
    • Eine Verminderung des oxidativen Stresses durch N-Acetylcystein führt im Tierversuch zu einer Verminderung der Hyperamylasämie und Verbesserung der Ca-Homöostase im Pankreas und beugt einem oxidativen Schaden vor (39)Digestion. 2003; 68: 34-40; Studien stehen noch aus.
    • IL-6-Receptor-Antagonisten wie TB-2-081unterdrücken den durch eine Pankreatitis ausgelösten Bauchschmerz (s. o.).

Obsolet (überholt) sind (a) generell Ablaufsonde bei leichten oder mittelschweren Verläufen (in Studien keine Verbesserung), (b) „Ruhigstellung“ durch Anticholinergika (da die Stimulierbarkeit in der akuten Phase nicht mehr funktioniert).

Prophylaxe einer ERCP-bedingten Pankreatitis

Zur Vorbeugung einer Post-ERCP-Pankreatitis legen einzelne Studien eine prophylaktische Gabe von Somatostatin (bzw. Octreotid) nahe.

Die beste Vorbeugung ist eine Vermeidung von übermäßigen Manipulationen an der Papille und von multiplen Injektionen in den Pankreasgang. Eine transdermale Pflasterapplikation von Glyceryltrinitrat zur Verringerung des Sphinktertonus hat in einer Studie zu einer signifikanten Senkung der Post-ERCP-Pankreatitis geführt. (40)Gastrointest Endosc 2003; 57: 1-7

Auch eine Behandlung mit Diclofenac-Suppositorien direkt nach einer ERCP verringert das Risiko einer Post-ERCP-Pankreatitis. (41)Gastroenterology 2003; 124: 1786-1791 Auch die prophylaktische Verabreichung führt zu einer signifikanten Senkung der Komplikation einer Pankreatitis. (42)J Gastroenterol. 2012 Aug;47(8):912-7

Im Zweifelsfall sollte vor einer ERCP eine MRCP durchgeführt werden. Sie kann im Fall einer vermuteten biliären Pankreatitis recht sicher Gallensteine im Gallengang identifizieren und die Indikation zu einer interventionellen ERC einengen. (43)Ann Surg. 2005; 241: 119-24

Prognose

  • Die akute Gallensteinpankreatitis  (biliäre Pankreatitis) wird in der Regel nicht chronisch. In seltenen Fällen können sich jedoch Verkalkungen im Organ entwickeln, die auf einen chronischen Prozess schließen lassen.
  • Die akute Alkoholpankreatitis nimmt in der Regel anschließend einen chronischen Verlauf.

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Verweise

Fachinfos

Patienteninfos

 

 

Literatur

Literatur
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