Niereninsuffizienz

Artikel aktualisiert am 21. November 2023

Niereninsuffizienz bedeutet Nierenfunktionsstörung, also eine Störung der Ausscheidung von „kompetentem Urin“, also von Urin, der ausreichende Mengen an ausscheidungspflichtigen Giftstoffen und Stoffwechselprodukten enthält, sodass sich diese Stoffe nicht im Körper ansammeln. (1)Hematology Am Soc Hematol Educ Program. 2010;2010:431-6. DOI: 10.1182/asheducation-2010.1.431.


Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Bei der Niereninsuffizienz ist die Entgiftungsfunktion der Nieren eingeschränkt. Dies macht sich bei einer chronischen Nierenkrankheit zunächst wegen der funktionellen Überkapazität des Organs lange Zeit nicht bemerkbar. Bei einer akuten Niereninsuffizienz kann es dagegen rach zu Vergiftungserscheinungen mit Bewustseinseintrübung kommen. Oft ist eine Niereninsuffizienz mit hohem Blutdruck (Hypertonie) verbunden. Häufige Ursachen sind die Zuckerkrankheit und chronische Entzündungen der Nieren (Nephritis). Auch kann eine Abflussstörung des Urins durch eine mechanische Verlegung der Harnleiter über einen Harnstau zur Niereninsuffizienz führen.

Nierenvergiftung: Sinkt die Funktion unter 50 %, kommt es zu einer Retention (Zurückhaltung) ausscheidungspflichtiger Substanzen (wie Harnstoff, Harnsäure, Medikamente, etc.) im Körper und schließlich zu einer Nierenvergiftung (Urämie). Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz kann auch Flüssigkeit nicht mehr ausreichend ausgeschieden werden, was zu einer Wasseransammlung im Körper mit Ödemen führt.

Ursachen: Die Funktionsstörung kann durch eine Abflussstörung des Urins (postrenal), durch eine Nierenerkrankung (renal) oder durch eine mangelhafte Durchblutung oder durch Flüssigkeitsmangel (prärenal) bedingt sein. Je nach Ursache gestaltet sich die Therapie unterschiedlich. Eine Niereninsuffizienz kann im Rahmen einer anderen Erkrankung, wie einer Zuckerkrankheit, einer Herzkreislaufkrankheit inkl. Hypertonie, einer Blutkrankheit (z. B. einem multiplen Myelom), einer Leberkrankheit im Endstadium, einer immunologischen Erkrankung (z. B. einem Lupus erythematodes), einer Amyloidose, einer Stoffwechselkrankheit (z. B. Gicht), einer Medikamentenunverträglichkeit (z. B. NSAID) eintreten.

Diagnostik: Laborwerte (Nierenwerte), wie Harnstoff und Kreatinin, zeigen einen Anstieg ausscheidungspflichtiger Substanzen. Sehr viel früher lässt sich eine beginnende Funktionsstörung durch die Creatinin-Clearance nachweisen. Eine Ultraschalluntersuchung der Nieren zeigt meist recht sicher, ob ein Abflusshindernis oder eine Nierenerkrankung eine Rolle spielt.

Behandlung: Sie berücksichtigt die Ursache. In jedem Fall muss bei einer Nierenvergiftung rasch für eine Entfernung der toxischen Substanzen aus dem Körper gesorgt werden, z. B. durch ein Nierenersatzverfahren (z. B. Dialyse).

Zur Anatomie und Funktion der Nieren siehe hier.


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Definition

Niereninsuffizienz bedeutet unzureichende Ausscheidungsfunktion der Nieren mit Anstieg der Retentionsparameter (Harnstoff und Kreatinin) im Blut. Es wird die „kompensierte Niereninsuffizienz“ mit noch normalen Nierenwerten aber schon eingeschränkter Creatinin-Clearance von der „dekompensierten Niereninsuffizienz“ mit erhöhten Nierenwerten im Blut unterschieden.

Ursachen

Renale Ursachen

  • Glomerulopathien (Beeinträchtigung der Filtration des Primärharns)
  • Nierenentzündungen (Nephritiden)
  • Glomeruläre Schädigung ohne mikroskopische Entzündungszeichen z. B. Minimal Change GN, Glomerulosklerose bei Hypertonie oder bei Diabetes mellitus (Kimmelstiel-Wilson),
  • chronische medikamentöse Nierenschädigung (z. B. durch Schmerzmittel: Analgetikanephropathie)
  • Kontrastmittelnephropathie, (2)Biomed Res Int. 2014;2014:167125. DOI: 10.1155/2014/167125.
  • metabolische interstitielle Nephropathie, z. B. Uratnephropathie (siehe auch unter Gicht) oder Oxalatnephropathie,
  • Nierenfunktionsstörung bei fortgeschrittenen Leberkrankheiten (3)Am J Nephrol. 2013;38(4):345-54. DOI: 10.1159/000355540. inkl. hepatorenales Syndrom (4)Clin J Am Soc Nephrol. 2019 May 7;14(5):774-781. DOI: 10.2215/CJN.12451018,
  • paraneoplastische Nierenfunktionsstörung (5)Transl Oncol. 2022 May;19:101376. DOI: 10.1016/j.tranon.2022.101376. , Nierenfunktionsstörung beim multiplen Myelom (6)Porto Biomed J. 2021 Oct 11;6(5):e142. doi: 10.1097/j.pbj.0000000000000142 (7)Kidney Int. 2021 Mar;99(3):570-580. DOI: 10.1016/j.kint.2020.11.010.,
  • Amyloidose der Nieren (8)Kidney Int. 2021 Mar;99(3):570-580. DOI: 10.1016/j.kint.2020.11.010.
  • angeborene Nephropathien, z. B. Zystennieren, Alport-Syndrom.

Postrenale Ursachen

  • Harnwegsobstruktion: Eine Verengung oder ein Verschluss der ableitenden Harnwege führt zu einem Rückstau des Harns in die Nieren. Es kommt zur Harnstauungsniere. Sie entsteht z. B. durch einen Tumor oder einen Stein (Konkrement, Nierenstein) oder durch die seltene retroperitoneale Fibrose (Morbus Ormond).

Prärenale Ursachen

  • Prärenales Nierenversagen: die Nieren reduzieren die Urinausscheidung
    • bei Flüssigkeitsmangel im Körper, z. B. bei mangelhafter Flüssigkeitsaufnahme, häufig bei alten und schwachen Menschen,
    • bei zu niedrigem Blutdruck, z. B. bei großem Blutverlust, oder
    • bei zu geringem zentral wirksamem Kreislaufvolumen, z. B. bei dekompensierter Leberzirrhose mit Aszites.

Ausprägung

  • „Kompensierte Retention“: die Kreatinin-Clearance ist vermindert, aber das Serum-Kreatinin liegt noch im Normbereich. Erst wenn die Nierenfunktion über 50% eingeschränkt ist, steigen die Nierenwerte an.
  • Niereninsuffizienz: Sie ist erkennbar an erhöhten Nierenwerten (Kreatinin). Eigene klinische Zeichen fehlen lange Zeit.

Diagnostik

Wichtige diagnostische Hinweise geben folgende Untersuchungsmethoden:

Laborwerte:

Sonographie: Sie ermöglicht häufig eine Unterscheidung von akuter und chronischer Niereninsuffizienz und lässt ein postrenales Abflusshindernisses erkennen (Harnstau mit Erweiterung des Nierenbeckens).

Weitere Methoden, die u. U. erforderlich sind, sind eine radiologische Gefäßdarstellung, z. B. zur Erkennung von arteriellen Verengungen (inkl. einer Nierenarterienstenose), eine Nierenpunktion zur Gewinnung einer Gewebeprobe für eine histologische Untersuchung, sowie eine Ureterographie zur Diagnostik eines postrenalen Abflusshindernisses mit gleichzeitiger Möglichkeit einer Überbrückung durch eine Ureterschiene.

Diagnostik von Ursachen und Komplikationen:

  • Der Blutdruck sollte kontrolliert werden; häufig besteht eine begleitende Hypertonie. Sie kann bei der hypertonen Nephropathie die Ursache der Niereninsuffizienz sein; sie kann aber auch die Folge der Nierenkrankheit darstellen.
  • Herzinsuffizienz: Bedingt durch eine Hypertonie ist auch eine Herzinsuffizienz möglich; bei einer Urämie kann sie auch toxisch bedingt sein.
  • Eine urämische Perikarditis mit Herzbeutelerguss kann sich entwickeln; sie ist durch ein Herzecho erkennbar.
  • Ein Diabetes mellitus ist relativ häufig die Ursache einer Niereninsuffizienz. Er lässt sich durch Messung des Blutzuckers, des Urinzuckers und des HbA1c verifizieren.
  • Eine Calciphylaxie ist eine seltene Komplikation einer Niereninsuffizienz im Endstadium. Sie wird durch nicht heilende Hautnekrosen auffällig und kann radiologisch leicht diagnostiziert werden (siehe hier).

Therapie

Die Therapie der Niereninsuffizienz berücksichtigt:

  • die Ausprägung:
    • bei leichter Niereninsuffizienz werden die Nierenwerte durch vermehrte Flüssigkeitszufuhr unter Einsatz von Diuretika gesenkt.
    • Bei mittelschwerer Niereninsuffizienz mit dauerhafter Erhöhung des Creatinins wird die täglich mögliche Flüssigkeitszufuhr nach der Formel „Ausscheidung (Tagesproduktion) plus 500 ml“ (durchschnittlicher Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen und Atmung) berechnet.
    • Bei einer Urämie steigen die Creatininwerte trotz Therapie weiter an und eine Dialyse wird unumgänglich.
  • die Überwässerung des Körpers: Entwässerung durch Diuretika oder Plasmapherese, Flüssigkeitskontrolle (Aus- und Einfuhr-Bilanz),
  • eine Azidose (Bikarbonat; eine leichte Azidose braucht in der Regel nicht ausgeglichen zu werden). Eine schwere Azidose bedarf einer Korrektur, wobei die Zufuhr von Alkali (z. B. Bicarbonat) eine erste Maßnahme darstellt, die auch zum Nierenschutz beiträgt.
  • eine Anämie: eine Bluttransfusion ist bei chronischer Anämie wegen der bereits stattgefundenen Adaptation des Körpers meist erst bei relativ niedrigen Hämoglobin-Werten erforderlich; bei Symptomen wie Angina pectoris schon früher. Schwere Nierenerkrankungen führen zu einem Mangel an Epo, so dass eine Substitution dieses Hormons vielfach sinnvoll ist.
  • die begleitende oder ursächliche Hypertonie,
  • diätetische Maßnahmen (bei Urämie z. B. Proteinrestriktion bei genügender Kohlenhydrat- und Fettzufuhr zur Verminderung der Harnstoffproduktion, Vermeidung von zu hoher Zufuhr von Kalium mit der Nahrung und mit Getränken etc. Diätberatung!
  • Nierenersatztherapie: Im Falle einer dekompensierten Niereninsuffizienz kommen Nierenersatzverfahren zur Anwendung. Der Beginn einer Dialyse wird individuell festgelegt; in der Regel wird die Indikation bei Niereninsuffizienz und Diabetes mellitus früher gestellt als ohne Diabetes. Auch kann eine nachweisbare Retinopathie zu einer früheren Indikation veranlassen. Mehr dazu siehe hier.

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Verweise

Patienteninfos

Literatur

Literatur
1Hematology Am Soc Hematol Educ Program. 2010;2010:431-6. DOI: 10.1182/asheducation-2010.1.431.
2Biomed Res Int. 2014;2014:167125. DOI: 10.1155/2014/167125.
3Am J Nephrol. 2013;38(4):345-54. DOI: 10.1159/000355540.
4Clin J Am Soc Nephrol. 2019 May 7;14(5):774-781. DOI: 10.2215/CJN.12451018
5Transl Oncol. 2022 May;19:101376. DOI: 10.1016/j.tranon.2022.101376.
6Porto Biomed J. 2021 Oct 11;6(5):e142. doi: 10.1097/j.pbj.0000000000000142
7Kidney Int. 2021 Mar;99(3):570-580. DOI: 10.1016/j.kint.2020.11.010.
8Kidney Int. 2021 Mar;99(3):570-580. DOI: 10.1016/j.kint.2020.11.010.