Chronische myeloische Leukämie

Artikel aktualisiert am 23. Dezember 2022

Die chronische myeloische Leukämie (CML, engl.: chronic myeloid leukemia) ist eine Krankheit des Knochenmarks, bei der sich weiße Blutkörperchen (Leukozyten) unkontrolliert vermehren. Der Verlauf ist chronisch und schreitet relativ langsam fort. Die CML gehört zu den myeloproliferativen Neoplasien (MPN), zu denen auch die Polycythämia vera und die essenzielle Thrombozytose gehören.

→ Zu myeloproliferativen Neoplasien siehe hier.

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Entstehung


Ursprung der CML ist ein Zellklon, der von einer entarteten myeloischen Stammzelle ausgeht, und der anfangs weitgehend funktionstüchtige Zellen bildet. Später kommt es zu einer zunehmenden Entdifferenzierung. Schließlich kann es zu einem „finalen Blastenschub“ kommen. Die Ursachen für die Entstehung der CML sind unbekannt. Diskutiert werden ionisierende Strahlung, eine Virusinfektion und Chemikalien (z.B. Benzpyren, Benzol).

Zentral ist eine Translokation von genetischem Material vom Chromosom 9 zu Chromosom 22. Es kommt dort zu einem Fusionsgen (BCR-ABL1), das für eine abnormal hohe Tyrosinkinase-Aktivität und für Veränderung von ihr abhängiger Signalwege verantwortlich ist. Therapeutisch ist daher eine Hemmung der überaktiven Tyrosinkinase ein zentraler Angriff geworden. (1)Indian J Hematol Blood Transfus. 2018 Apr;34(2):197-203. doi: 10.1007/s12288-018-0933-1. Epub 2018 … Continue reading (2)Blood Res. 2022 Jun 30;57(2):95-100. DOI: 10.5045/br.2022.2021173

Klinik

Die chronische myeloische Leukämie tritt vorwiegend in der zweiten Lebenshälfte auf; der Altersgipfel liegt bei 50 Jahren. Es werden drei Entwicklungsphasen unterschieden :

  • chronische Phase: lange konstante Symptomatik,
  • akzelerierte Phase: Zunahme der Symptomatik mit schlechter Beherrschbarkeit,
  • Blastenschub: finale Phase, Bild einer akuten Leukämie

Symptome

Die Symptomatik beginnt schleichend mit

Körperliche Untersuchung

Bei der körperlichen Untersuchung fällt oft eine milzvergrößerung (Splenomegalie) und manchmal auch eine Lebervergrößerung (Hepatomegalie) auf, die bei Kapselspannung auf Grund der Größenzunahme auch schmerzhaft sein können. Die Knochen können klopfempfindlich werden (Sternumklopfschmerz). Im späten Stadium können kleinste Hautblutungen (Petechien) und andere Blutungszeichen (z. B. Zahnfleischblutung, Nasenbluten, gastrointestinale Blutung) hinzu kommen.

Symptome von Komplikationen

Als Komplikation können ein Milzinfarkt mit stark schmerzhafter linker Flanke, Thrombosen mit Blutstauung in einem Bein und Lungenembolien mit akuter Luftnot und Kreislaufkollaps auftreten.

Diagnostik

Die chronische myeloische Leukämie wird meist erst in der chronischen Phase als Zufallsbefund einer unerklärten Leukozytose erkannt.

Laboruntersuchungen:

Charakteristisch sind

  • der Nachweis eines Philadelphia-Chromosoms (erworbene Anomalie des Chromosoms 22, zytochemisch nachweisbar),
  • eine Erniedrigung des ALP-Index: Bei der Färbung auf alkalische Leukozytenphosphatase (ALP) reagieren die pathologischen Leukozyten i. G. zu normalen negativ (ALP-negativ), so dass der Relativanteil positiv reagierender Zellen unter 10% sinkt.

Beckenkammbiopsie:

  • Typisch ist ein volles (sehr zellreiches) Mark mit Nachweis übermäßig vieler Blasten (Vorstufen von Leukozyten) und Fehlen des Fettmarks.
  • Sie dient zudem zur Materialgewinnung für zytogenetische und molekularbiologische Untersuchungen.

Therapie

Die Behandlung der CML ist oft nur symptomatisch und nicht kurativ möglich. Auch wenn durch eine Chemotherapie Komplikationen beherrscht werden, so ändert sich die Lebenserwartung kaum. Sie beträgt nach Diagnosestellung kaum mehr als 4 Jahre.

Es gibt neuere Entwicklungen, die aussichtsreich scheinen.Die Entswicklung geht von der Chemotherapie hin zu einer gezielten individualisierten Behandlung. Eine zunehmende Bedeutung bekommen

  • Kinaseinhibitoren, die auf BTK oder PI3Kδ,
  • Antagonisten des antiapoptotischen Proteins BCL-2,
  • neue monoklonale Anti-CD20-Antikörper abzielen.

Zu den therapeutischen Optionen gehören vor allem

  • Chemotherapie (Hydroxy-Urea): häufig verwendet zur Reduktion der Tumolast (zytoreduktive Therapie).
  • Interferon-alpha (IFN-alpha): Antiproliferative und immunregulatorische Wirkung mit Verlängerung des Überlebens; in ca. 30% Erreichen einer Remission; IFN-alpha kann die Komplikationsrate bei Knochenmarktransplantation erhöhen, so dass das Therapieregime frühzeitig abgesprochen werden muss.
  • Die neuen Thyrosinkinaseinhibitoren wirken bei Philadelphia-positiven CML gut und verlängern das Überleben deutlich.
    • Imatinib (Glivec): dieser Thyrosinkinaseinhibitor ist in jüngster Zeit zu einem der wichtigsten Therapeutika der CML und einiger anderer Tumore (z.B. GIST) geworden und hat den Vorteil deutlich geringerer Nebenwirkungen als IFN. Als ein wichtiger Wirkmechanismus der Substanz wurde gefunden, daß sie die Funktion Antigen präsentierender Zellen moduliert und somit die Toleranz der T-Zellen gegen Tumorantigene überwindet.
    • Dasatinib (Spycel):Bei Imatinib-Unverträglichkeit oder -Resistenz kann bei der CML das hochpotente Dasatinib noch wirksam sein (seit Nov. 2006 zugelassen).
    • Ponatinib: dieser Multityrosinkinaseinhibitor vermag die Resistenz gegen Imatinib, die innerhalb von 5 Jahren in 30% der Fälle auftritt, zu überwinden.
    • Ibrutinib: Dieser hoch wirksame Hemmer der BTK (Bruton Tyrosinkinase; kovalente Bindung) ist eine neue Therapieoption mit sehr guten Ansprechraten und einer signifikanten Verlängerung des mittleren progressionsffreien Überlebens. Auf dieser Substanz liegen große Hoffnungen; allerdings entwickeln sich im Laufe der Behandlungszeit Resistenzen. (3)Onco Targets Ther. 2020 May 29;13:4877-4892. doi: 10.2147/OTT.S249586. PMID: 32581549; PMCID: … Continue reading  Dazu siehe hier. Neue Entwicklungen betreffen BTK-Hemmer, die nicht-kovalent binden und keine Resistent induzieren. (4)J Hematol Oncol. 2021 Mar 6;14(1):40. DOI: 10.1186/s13045-021-01049-7. PMID: 33676527; PMCID: … Continue reading
  • Knochenmarktransplantation bei jüngeren Patienten (nach Hochdosischemotherapie und Ganzkörperbestrahlung). Dazu siehe hier.

Therapie einer Blastenkrise

Entwickelt sich unter einer Erstlinientherapie mit einem Tyrosinkinaseinhibitor eine Blastenkrise, so vermag ein  Wechsel auf z. B. Dasatinib erfolgreich sein, gefolgt von einer allogenen Stammzelltransplantation. (5) 2015 Dec 8;10(Suppl 3):43-7. doi: 10.4137/BMI.S22438.

Standardtherapie und Therapieüberwachung

Heute wird die chronische myeloische Leukämie (CML) meist erfolgreich mit Tyrosinkinaseinhibitoren behandelt. Die Therapie wird durch Überprüfung der Tyrosinkinaseaktivität kontrolliert. Ziel ist es dabei, möglichst früh eine mögliche Blastenbildung mit Übergang in eine akute myeloische Leukämie zu erkennen. Die Überwachung kann mittels reverser Transkriptase (PCR) erfolgen. (6) 2018 Apr;34(2):197-203. doi: 10.1007/s12288-018-0933-1.

Lebenserwartung

Der Verlauf einer CML ist sehr langsam; unter den neuen Thyrosinkinaseinhibitoren steigt die Lebenserwartung; sie soll der der nicht erkrankten Bevölkerung nahe kommen. (7)Hematology Am Soc Hematol Educ Program. 2017 Dec 8;2017(1):102-109. doi: … Continue reading

Verweise

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 


Literatur[+]